Bilder: Martin Hütt --- Eine Kombination, die immer passte: Bücher begleiteten das gesamte Leben des verstorbenen Schriftstellers Harry Böseke.
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Der Herr der Geschichten schweigt
Oberberg Harry Böseke - Autor, Schriftsteller, Erklärer und Motor des Bücherdorfs Müllenbach ist am vergangenen Montag im Alter von 65 Jahren gestorben.
Von Bernd VorländerDer Mann vermochte einen zu fesseln, auch diejenigen, die ansonsten für alte Geschichten nicht so viel übrig hatten. Er war ein begnadeter Erzähler, einer, der die Vergangenheit lebendig werden ließ. Wenn er die Regional-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte seiner oberbergischen Wahlheimat mit einem geradezu einzigartigen Wissen schilderte, konnte man eine Stecknadel fallen hören. Wie es in den Dörfern der Region vor Jahrhunderten aussah, unter welch schwierigen Bedingungen die Menschen lebten und arbeiteten, wo man heute noch die Ursprünge ihres Wirkens erkennen kann Harry Böseke war nicht nur Fachmann in all diesen Fragen, er sah es auch als eine Lebensaufgabe an, das Wissen der Vergangenheit für die Zukunft zu bewahren und vor allem junge Menschen dafür zu begeistern. Am gestrigen Montag ist Harry Böseke im Alter von 65 Jahren verstorben.
Er war ein rastloser Wandler zwischen den Welten, verwurzelt im Hier und Jetzt, Förderer junger Menschen, überzeugter Sozialdemokrat, aber niemals ideologiebeladen, begeistert für die Geschichte, die er so gerne erforschte. Dabei hatte das Leben für den in der Nähe des niedersächsischen Duderstadts geborenen Harry Böseke völlig anders begonnen. Aufgewachsen in Köln und dem Bergischen Land absolvierte er in den sechziger Jahren eine Ausbildung als Chemielaborant, ehe er ein Studium der Sozialpädagogik anschloss und einige Jahre als Sozialarbeiter und Jugendpfleger in Köln tätig war. In dieser Zeit entwickelte er seine Leidenschaft für das Schreiben und infizierte damit auch seine jugendlichen Schützlinge, um die er sich kümmerte. Seit 1980 arbeitete Böseke als Schriftsteller, veröffentlichte in dieser Zeit mehr als 50 Bücher und Fernsehfilme, schuf Theaterstücke, Romane und Erzählungen. Zehn Jahre lang war er bis 2008 Vorsitzender des Landesverbandes NRW des Verbandes deutscher Schriftsteller.
[Harry Böseke war ein Mann, dem die Menschen zuhörten.]
Noch vor der Jahrtausendwende erwarb Böseke, der verheiratete Vater dreier Töchter, in Marienheide-Müllenbach ein Haus, ursprünglich, um tatsächlich dort heimisch zu werden. Aber da schlummerte auch immer der Traum, ein Haus der Geschichten zu gründen, in dem man zuhören und sich vom Blick zurück betören lassen konnte. Die Idee ließ ihn nicht mehr los, sie wurde Wirklichkeit und dem Stammhaus schlossen sich mit der Zeit sechs Antiquariate an - schließlich noch der Alte Fuhrmannshof. Dort finden Lesungen und Ausstellungen statt. Und hinzu kam auch noch das Schwarzpulvermuseum in Wipperfürth-Ohl.
Im Haus der Geschichten ließ sich die Zeit vergessen. Nicht nur mit Erzählungen aus spannenden Büchern bei einer dampfenden Tasse Kaffee, sondern auch im Mobiliar, dem Kaufladen, der Arztpraxis von 1950, der Sonntagsschule mit alten Klassenbänken, dem Kontor für die Steinbrucharbeiter, in dem früher der Lohn abgeholt wurde, der alten Bäckerei oder dem Ortsvorsteher-Büro. Diese Zeitreise hatte etwas enorm entschleunigendes. Und mittendrin wuselte Harry Böseke und freute sich über jeden, der mit wachem Geist etwas über die Welt seiner Vorfahren wissen wollte.
Geradezu legendär waren die jährlichen Bücherfeste, wenn es tausende Menschen nach Müllenbach zog. Dann konnte man das persönliche Glück des Harry Böseke in seinem Gesicht ablesen. Für seine Arbeit erhielt er mehrere Auszeichnungen, unter anderem den Rheinlandtaler im Jahr 2005, mit dem seine gesellschaftlichen Verdienste, etwa mit der Straße der Arbeit oberbergisches Wirtschaftsleben der Vergangenheit erfahrbar zu machen, gewürdigt wurden.
Eine wichtige Stimme Oberbergs schweigt jetzt und die Region ist um einen kreativen Kopf ärmer, der mit seiner Gabe, Liebenswürdigkeit und Wissen auf seine ihm eigene Art zu bündeln, viele Zuhörer begeisterte. Trauer herrschte deshalb bei vielen Oberbergern. Die Bundestagsabgeordnete Michaela Engelmeier würdigte Böseke als feinfühligen Menschen und großartigen Historiker. Seine Vorträge seien die reine Freude gewesen, seinem Rat sei sie gerne gefolgt. Sein Tod hat mich erschüttert, so Engelmeier.