Bild: Björn Loos --- Rolf Müller sprach mit Oberberg-Aktuell über die ehrenamtliche Tätigkeit in den Fußballvereinen.
ARCHIV
'Das Ehrenamt muss gestärkt werden'
Oberberg - OA sprach mit Rolf Müller, Vorsitzender des Fußballkreises Berg, über die ehrenamtliche Arbeit in den Vereinen, den demografischen Wandel und weitere Herausforderungen für die Klubs in der Region.
OA: Herr Müller, Sie waren vor Kurzem als Delegierter beim DFB-Kongress in Kassel zu Gast. Von dort brachten Sie eine beeindruckende Zahl mit: Die volkswirtschaftliche Leistung, die die ehrenamtlichen Mitarbeiter in den deutschen Fußballvereinen erbringen, entspricht einem Betrag von jährlich 1,8 Milliarden EuroRolf Müller: Wenn es das Ehrenamt nicht geben würde, wäre ein erheblicher hauptamtlicher Aufwand notwendig, damit die Vereinsarbeit aufrechterhalten werden kann. Deshalb sind Zuschüsse und Hilfen unerlässlich, denn wenn uns die Ehrenamtler verlorengehen, würde ein riesengroßes Problem entstehen.
OA: Stellt sich die Frage, ob die geleistete Arbeit wirklich von jedem honoriert wird. In den bergischen Kommunen, von denen fast alle finanzielle Probleme zu beklagen haben, sind Hallenschließungen oder Sportstättennutzungsgebühren in der Diskussion.
Müller: Vielen ist die zu Beginn erwähnte Summe gar nicht bekannt. Der Kreisvorstand und die Vereine sind gefordert, diese Zahl immer wieder publik zu machen. In Lindlar gib es beispielweise einen runden Tisch mit Politik und Verwaltung, um so zu deutlich zu machen, was alles an ehrenamtlicher Arbeit geleistet wird und wie diese im Verhältnis zu den Zuschüssen steht.
OA: Auch in Kassel stand das Thema des ehrenamtlichen Engagements ganz oben auf der Tagesordnung. Auf welche Maßnahmen konnte man sich einigen?
Müller: Beschlossen wurde noch nichts, aber allen ist klar, dass das Ehrenamt gestärkt werden muss. Der DFB wird in Zusammenarbeit mit den Verbänden und Kreisen Aktionen entwickeln, die in den nächsten Monaten konkretisiert werden.
OA: Eine Aktion ist der jährlich ausgelobte Ehrenamtpreis, womit es aber offenbar nicht getan ist. Für viele ist die Arbeit im Verein mittlerweile ein Vollzeitjob. Die Anforderungen steigen und die Zahl derjenigen, die sich aktiv einbringen, geht immer weiter zurück.
Müller: Das ist auf dem Kongress ebenfalls eindeutig angeklungen. Es gab einen interessanten Austausch mit anderen Verbänden. Ein Fußballbezirk in Bayern hat beispielsweise eine tolle Vereinbarung mit den FC Bayern München, der einmal jährlich hundert Ehrenamtler zu einem Bundesliga-Spiel in den VIP-Bereich der Allianz-Arena einlädt. Wie hoffen, dass wir im FVM ähnliche Vereinbarungen mit den Profiklubs treffen können, damit die Anzahl der Vereinsvertreter, die einmal etwas Besonderes erfahren, größer wird als bisher.
OA: Ist denn auch beim DFB angekommen, dass in finanzieller Hinsicht etwas getan werden muss, um die Vereine vor Ort zu unterstützen. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass es nur noch um die Profis und die Nationalmannschaft geht und der Fußball auf den unteren Ebenen vernachlässigt wird.
Müller: Die Aufwertung des Amateurfußballs gehörte in Kassel zu den zentralen Themen. Der DFB will weitere Mittel zur Verfügung stellen und Reserve schaffen, um den Amateurbereich zu stärken. Dies ist bislang schon passiert, aber nicht so sehr mit dem Fokus auf das Ehrenamt, sondern verstärkt mit großangelegten Aktionen wie dem Bau der 1.000 Kleinspielfelder.
OA: Wohl oder übel muss man sich mit dem demografischen Wandel auseinandersetzen. Viele Klubs haben mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Welche Gegenmaßnahmen sind notwendig?
Müller: Der DFB und die Verbände haben erkannt, dass etwas passieren muss, wobei die Dringlichkeit dieses Themas aus meiner Sicht noch nicht bei allen Vereinen angekommen ist. Der Fußballverband hat zu diesem Thema eine größere Arbeitsgruppe gebildet, dem Vereinsvorsitzende, die Kreisvorsitzenden sowie Mitarbeiter des Verbandes angehören. Der FVM-Vizepräsident Dr. Stephan Osnabrügge, Vorsitzender dieser Arbeitsgruppe, und ich werden in Kürze zwei Vereinsvorstände im Kreis besuchen, um zu hören, was die Basis bewegt und wo wir helfen können.
OA: Wo herrscht besonders dringender Handlungsbedarf?
Müller: Die Vereine müssen intensiver auf die Schulen zugehen. Ich bin der Meinung, dass in diesem Bereich noch viel Potenzial steckt. Wir dürfen nicht darauf warten, dass die Kinder von selbst kommen, sondern müssen aktiv auf sie zugehen. Gerade im Hinblick auf den Ganztagsunterricht können Kooperationen zwischen Schule und Verein sinnvoll sein. Geplant ist außerdem, dass in den Fußballkreisen runde Tische gebildet werden, an denen neben den Vereinsvertretern Mitglieder des FVM-Präsidiums und des Kreisvorstands teilnehmen sollen. Die dort diskutierten Punkte werden dann wieder mit zurück in die Sitzungen des Verbandsbeirats genommen und besprochen.
OA: Die demografischen Veränderungen sind bereits gegenwärtig: Kleinere Vereine bilden im Jugendbereich Spielgemeinschaften, es gibt Fusionen, Mannschaften müssen aus Spielermangel abgemeldet werden.
Müller: Es kann nicht das Ziel sein, die Anzahl der Vereine zu reduzieren, aber wir müssen es erleichtern, wenn man zusammengehen will und hierbei auch die Wünsche der Vereine berücksichtigen. Der TuS Belmicke ist kürzlich in Fußballverband Westfalen gewechselt, das wäre vor einigen Jahren vielleicht nicht so einfach gewesen. Die Hauptsache ist, dass dort weiterhin gespielt werden kann. Ein Kirchturmsdenken darf es nicht mehr geben. Wir wollen jeden beim Fußball halten. Das dürfen wir nicht durch Paragraphen erschweren.