Bilder: Daniel Beer --- Aufgeräumt und auskunftsfreudig präsentierte sich Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein wenige Tage vor seinem Korfu-Urlaub.
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Von Zigarrillos, Steinmüller und Pflichtbewusstsein
Gummersbach Im Sommer-Interview bei Oberberg-Aktuell spricht der Gummersbacher Bürgermeister über die Zukunft der Stadt, geht auf persönliche Schwächen ein und verrät seinen Herzenswunsch.
Von Bernd VorländerOA: Vom beschaulichen Lindenstädtchen zum viel beachteten Wirtschaftsstandort 2010. Skizzieren Sie doch einmal den Wandel der oberbergischen Metropole?
Helmenstein: Gummersbach ist dabei den wirtschaftlichen Strukturwandel zu meistern und das kann man beim Steinmüllergelände mit Händen greifen - oder auch im Gewerbepark Herreshagen-Sonnenberg. Wer hätte noch vor drei Jahren gedacht, dass dort von 40 Hektar Gewerbefläche schon 35 Hektar verkauft sein würden?
OA: Aber bleibt der Charme des Lindenstädtchens erhalten - bei allen Notwendigkeiten der Wirtschaftsförderung?
Helmenstein: Das ist der Spagat, den man schaffen muss. Tradition bewahren und Zukunft gestalten in diesem Spannungsverhältnis bewegen wir uns. Für mich ist hier ein Satz unseres ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler Richtschnur: Zukunft braucht Herkunft.
[Mitten im Stadtgarten stand der Rathauschef Rede und Antwort.]
OA: In Gummersbach werden viele Arbeitsplätze durch mittelständische Unternehmen gesichert. Was kann die Stadt tun, um die Erfolgskurve nicht abreißen zu lassen?
Helmenstein: Sich kümmern lautet mein Motto. 150 Unternehmen, große wie kleine, habe ich in den vergangenen Jahren besucht, habe mir ihre Sorgen und Beschwernisse angehört und wir als Verwaltung setzen wirklich alles daran, Probleme zu lösen und Zufriedenheit zu erreichen.
OA: Es gibt auch Schattenseiten. Bei der Kind AG zittern 300 Menschen um ihren Job. Was sagen Sie denen?
Helmenstein: Eine schlimme Geschichte. Man muss mit aller Macht um eine Fortführungsperspektive kämpfen und man hat mir inzwischen von vielen Seiten bestätigt, dass die Dinge nicht schlecht stehen. Der Mittelstand ist das Rückgrat der heimischen Wirtschaft. Insofern lohnt sich gerade auch bei der Kind AG der Kampf um jeden Job.
OA: Im Stadtzentrum boomt es. Zahlen dafür die Dörfer und Flecken im Außenbereich die Zeche?
Helmenstein: Auf gar keinen Fall. Mir ist jeder Bürger gleich wichtig wo auch immer er im Stadtgebiet zu Hause ist. Gummersbach das ist auch die Lebensqualität der 74 Außenorte. Ich bin in einem kleinen Gummersbacher Dorf aufgewachsen und insofern unverdächtig für jede übermäßige Bevorzugung des Innenstadtbereichs. Andererseits gilt natürlich auch: Die Innenstadt ist das Schaufenster der Stadt.
OA: Der Stadtgarten ist eine ihrer Lieblingsecken, in die sich schon mal zurückziehen?
Helmenstein: Vor einigen Wochen haben mir an einem Abend hier einige Jugendliche gesagt, wie cool sie das Gelände und die Grünfläche finden. Hier treffen sich Jung und Alt, an einem symbolträchtigen Ort. Der Stadtgarten hat das Bewusstsein für das Steinmüllergelände noch einmal erheblich verstärkt.
OA: Monatelang haben die VfL-Fans darauf gewartet, dass es für die Schwalbe-Arena grünes Licht gibt. Konnten Sie sich überhaupt ein Nein erlauben ohne an Reputation einzubüßen?
Helmenstein: Das ist eine hypothetische Frage: Fakt ist: Es war für mich als Bürgermeister der Handballstadt Gummersbach einer der glücklichsten Momente, als der Stadtrat am 17. Mai seine Zustimmung gegeben hat.
OA: Vor einigen Tagen hat sich ihr Stellvertreter als Bürgermeister Gedanken über Veränderungen der Schullandschaft gemacht, etwa die Gemeinschaftsschule als Ersatz für ein Gymnasium angesprochen. Wie denken Sie darüber?
Helmenstein: Ich war über das Timing irritiert, denn es gibt im September eine Sondersitzung des Schulausschusses mit aktuellen Zahlen zur Schulentwicklungsplanung. Wir sollten uns viel Zeit nehmen, die Thematik mit Eltern, Schülern und Lehrern zu besprechen und am Ende zu möglichst einvernehmlichen Lösungen zu kommen.
[Urlaubsvorfreude und Erleichterung über die politischen Ergebnisse bei Halle und Einkaufszentrum brachten ein Lächeln ins Gesicht des Bürgermeisters.]
OA: Gibt es eigentlich Dinge, die Sie so richtig ärgern, oder womit man Sie auf die Palme bringen kann?
Helmenstein: Fast schon körperliche Schmerzen bereitet es mir, wenn man herablassend über diese Stadt spricht. Aber das kommt zum Glück nur selten vor. So etwas empfinde ich als Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich ehrenamtlich in unterschiedlichster Art und Weise für unser Gemeinwesen in dieser Stadt einsetzen. Privat ärgert mich, dass ich derzeit meinem Laufsport nicht so frönen kann, wie ich das gewohnt bin. Schuld daran ist eine hartnäckige Verletzung meines linken Oberschenkels. Das ist etwas, was mich innerlich auf die Palme bringt.
OA: Welche Schwächen hat der Bürgermeister?
Helmenstein: Zigarrillos sind nun mal meine Leidenschaft und an einer Cola Light komme ich auch nicht vorbei. Aber ich treibe Sport und versuche auf meine Gesundheit zu achten.
OA: Zum Schluss noch einige Fragen, die Sie bitte in aller Kürze beantworten
Helmenstein: Ich bin gespannt.
OA: Gummersbach hat eine langweilige Einkaufsinnenstadt
Helmenstein: Stimmt nicht. Die Stadt hat eine Reihe von sehr guten, Inhaber-geführten Fachgeschäften, eine schöne Fußgängerzone, die zum Flanieren einlädt, aber sicherlich auch noch Nachholbedarf für ein Komplementärangebot.
OA: Der Bismarckplatz könnte zu einem Schmuckstück werden, wenn . . .
Helmenstein: . . . endlich die furchtbare Rolltreppe weg wäre.
OA: Das geplante Einkaufszentrum könnte schon im Bau sein, aber es gab unvorhergesehene Ereignisse und die Stadtverwaltung hat bei der Doppelvergabe mit der Halle aufs falsche Pferd gesetzt.
Helmenstein: Stimmt nicht. Wir mussten das Bürgerbegehren abwarten und mussten das europaweite Vergabeverfahren durchlaufen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald einen städtebaulich attraktiven Entwurf bekommen werden.
[Die Situation bei der insolventen Gummersbacher Firma Kind AG bedrückt auch Frank Helmeinstein.]
OA: Obwohl der Stadtrat sehr pflegeleicht ist, lässt sich der Bürgermeister zu schnell aus der Ruhe bringen.
Helmenstein: Stimmt nicht. Der Rat ist insgesamt ein Glücksfall für mich. Ich lasse mich insbesondere dann aus der Ruhe bringen, wenn ich das Gefühl habe, dass Mitarbeiter meines Hauses ungerechtfertigt angegangen werden.
OA: Ungeduld ist eine meiner größten Schwächen?
Helmenstein: Stimmt. Ich vergleiche mich gerne mit einem Porsche, wo man vergessen hat die Bremsen einzubauen. Zeit ist nun mal kostbar.
OA: Und wer tritt dann die Bremse, denn wer will schon einen führungslosen Porsche an der Spitze der Stadtverwaltung?
Helmenstein: Zum Glück gibt es in meinem beruflichen und privaten Umfeld genügend Menschen, die dafür sorgen, dass ich die Bodenhaftung nicht verliere.
OA: Der Rathauschef nimmt seinen Job sehr ernst manchmal zu ernst.
Helmenstein: Stimmt absolut. Mein Pflichtbewusstsein ist größte Stärke und größte Schwäche zugleich.
OA: Zehn Jahre Amtszeit sind für einen Gummersbacher Bürgermeister keine Grenze.
Helmenstein: Stimmt bedingt.
OA: Es gibt auch noch andere berufliche Herausforderungen, die mir Spaß machen könnten.
Helmenstein: Stimmt.
OA: Welche Schlagzeile lesen wir zuerst: Gummersbacher VfL-Halle eingeweiht oder Gummersbacher Bürgermeister Schützenkönig?
Helmenstein (nach kurzem Innehalten) Beides sind Herzenswünsche, aber am wichtigsten ist die Halle für den VfL.