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Büchner-Drama perfekt inszeniert

vma; 26. Jan 2002, 04:49 Uhr
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Büchner-Drama perfekt inszeniert

vma; 26. Jan 2002, 04:49 Uhr
(vma/24.11.2001-14:05) Von Vera Marzinski
Gummersbach - "Dantons Tod" im Theater der Stadt Gummersbach mit hervorragenden Schauspielern und beeindruckenden Bühnenbildern.

[Bilder: Oliver Mengedoht --- Gespennstische Bühnengestaltung zu Beginn des Dramas.]



Gespenstisch das erste Bild, dass sich den Zuschauern zeigte, als sich der Vorhang öffnete. Eine Häuserfassade – wie ausgestorben -, Kleidung und Menschen auf dem Boden liegend, einer auf einem Tisch verweilend: "Die Revolution ist die Maske des Todes, der Tod ist die Maske der Revolution". Danton inmitten der anderen Revolutionäre. Das ist erst der spektakuläre Anfang und schon spürt man, wie die Guillotine über den Häuptern auch derer schwebt, die den Umsturz initiierten.

[Danton (Andreas Plücken) sinniert über die Revolution.]



Von den Kostümen – einfache blassrote Hemden, Kleider und Hosen – bis hin zum Bühnenbild stimmte das ganze Drumherum in diese "Dantons Tod"-Inszenierung von Ulf Reiher mit dem Landestheater Detmold. Lichteffekte ebenso perfekt eingesetzt, wie die zwei Vorhänge in den Farben der Französischen Fahne, nur etwas verwaschen. Der große Hauptvorhang entschwand plötzlich nicht nach oben, sondern wurde heruntergelassen bis auf Taillenhöhe der Schauspieler und vermittelte so eine Abgrenzung. Auch der Orchestergraben, wo die drei Musiker spielten – nutzten die Schauspieler im Stück.



Andreas Plücken, der Georges Danton spielte, zeigte einen selbstsicheren aber auch resignierend-zynischen Danton, der wirkliches Engagement vermissen ließ. Brillant die Darstellung der Person Dantons. Sehr deutlich wurde die Einsamkeit Dantons, der von der Masse als Führer gebraucht wurde, der ihr auf Grund seiner Bildung aber immer fremd blieb. So spricht er auch immer wieder von der Furchtlosigkeit vorm Sterben und der Sinnlosigkeit und Langweiligkeit seines Lebens. So wird Danton letztlich nicht seine von Robespierre ihm zur Last gelegte aristokratische Genusssucht zum Verhängnis, sondern seine (passive) Rolle im Fortgang der Geschichte. Der Titelheld muss letztlich erkennen, dass er längst nicht mehr Herr des Geschehens ist, was in reisignativen Textpassagen deutlich wird.

[Das Volk ist enttäuscht]



Sein Gegenspieler Robespierre, ebenfalls hervorragend gespielt von Manfred Ohnoutka. Ohnoutka lässt Robespierre nicht als einen eiskalten, machtbesessenen Menschen erleben. Erst nach inneren Kämpfen entschließt er sich zur Liquidierung Dantons und des ihm selber nahestehenden Camille aus der Einsicht, dass der so weit fortgeschrittene Prozess kein Zurück mehr erlaubt. Zugleich wird ihm die ungeheure Einsamkeit bewusst, die der Preis seiner Unbeugsamkeit ist: "Sie gehen Alle von mir."

[Unzufriedenheit im Volk über die Armut - ein Bürger klagt, dass sich seine Tochter prostituieren muss]



Die Guillotine ist der eigentliche Held des Stücks. So erfüllt sich die Rede des zynischen Rhetorikers Saint-Just (Bernd Hölscher), der das Individuum unter das zerstörende Gesetz der Natur gestellt sieht: "Die Natur folgt unwiderstehlich ihren Gesetzen, der Mensch wird vernichtet, wo er mit ihnen in Konflikt kommt". Dantons Frau Julie (Sabine Urban) und Lucile (Joy Gutthardt), die Geliebte von Camille Desmoulins (Markus Hottgenroth) sterben letztendlich auch. Die eine durch Gift und die andere – Lucile – verfällt dem Wahnsinn. Beide glänzend in ihren Rollen und Joy Gutthardt Markerschütternd mit ihrem Schrei.

[Ein Aristokrat soll gehängt werden]



Doch das Drama beginnt damit, dass Danton, Desmoulins und andere Robespierres Maßnahmen nicht weiter mittragen wollen. Unzufriedenheit im Volk über die Armut - ein Bürger klagt, dass sich seine Tochter prostituieren muss. Robespierre sieht den Erfolg der Revolution bereits durch Danton und seine Anhänger bedroht. Der interessiert sich mehr für leichtlebige Damen und zeigt sich illusionslos und angewidert. Auf die Bitten seiner Freunde willigt er in ein Treffen mit Robespierre ein, das jedoch ergebnislos verläuft. Robespierre beschließt die Vernichtung Dantons, zeigt sich aber von Skrupeln geplagt.

[Robespierre (Manfred Ohnoutka) sieht den Erfolg der Revolution bereits durch Danton und seine Anhänger bedroht.]



Dantons Anhänger drängen ihn zum Handeln oder zumindest zur Flucht; dieser aber sieht darin keinen Sinn und vertraut außerdem darauf, dass der Konvent es nicht wagen wird, Maßnahmen gegen ihn zu treffen. Danton vertraut seiner Frau Julie seine Gewissensqualen wegen der von ihm angeordneten Septembermorde an. Entgegen seiner Mutmaßungen wird Danton doch verhaftet. Im Konvent ist die Stimmung geteilt, doch Robespierre und St. Just setzen mit demagogischen Reden ihre Position durch.



Die Präsidenten des Revolutionstribunals beschließen, das Geschworenengericht mit linien-treuen Männern zu besetzen. Danton tritt selbstsicher vor dem Revolutionstribunal auf; angesichts der Anzeichen von Sympathie im Publikum wird die Sitzung aufgehoben. Der Wohl-fahrtsausschuss berät sich über das weitere Vorgehen. Nach Dantons zweiten Auftritt vor dem Revolutionstribunal wendet sich die Stimmung im Volk gegen ihn.

[Gegenstück zum notleidenden Volk - die Leichtlebigkeit der Gebildeten.]



Danton und seine Anhänger werden zum Tode verurteilt. Vor der Vollstreckung tauschen Danton und Camille Desmoulins Gedanken über Leben und Tod aus. Julie, die Danton ihre Verbundenheit über den Tod hinaus mitgeteilt hat, vergiftet sich. Die Verurteilten werden zur Hinrichtung geführt, das Volk ist schaulustig und spöttisch. Lucile kann die Trennung von ihrem Mann Camille nicht ertragen und ist dem Wahnsinn verfallen; in der letzten Szene ruft sie "Es lebe der König!" und spricht damit ihr eigenes Todesurteil.



Soweit zu Büchners Drama "Dantons Tod" am Mittwochabend im Theater der Stadt Gummersbach. Mäßig besucht, aber für die Anwesenden sicherlich ein Genuss durch die perfekte Inszenierung und beeindruckende Schauspieler.

[Danton genießt die Liebe seiner Frau Julie (Sabine Urban).]



Doch welche Rolle spielte Danton in der Revolution? Der 1759 geborene Georges Jacques Danton gehörte zweifellos zu den führenden Männern der Französischen Revolution. Bei ihrem Beginn lebte er als Advokat in Paris. 1789 schaffte die Nationalversammlung die Vorrechte des Adels ab und die Revolution bricht offen aus. 1791 misslingt der Fluchtversuch des Königs, zu dessen Absetzung und Bestrafung eine Bittschrift auf dem Exerzierplatz Marsfeld durch den Girondisten Brissot in Begleitung von Danton niedergelegt wird. Es mehren sich die Stimmen zur Schaffung einer Republik.



Im April 1792 erklärt Frankreich den Österreichern den Krieg, wobei wohl der König auf eine Niederlage Frankreichs und dem gleichzeitigen Ende der Revolution hoffte. Am 10. August 1792 findet der Sturm auf die Tuilerien statt, bei dem Danton die treibende Kraft ist. Ludwig der XVI. und seine Familie werden abgesetzt und inhaftiert. Die konstitutionelle Monarchie ist beendet. Anfang September 1792 werden politische Häftlinge in den Gefängnissen getötet – hauptsächlich Geistige und Royalisten. Danton als Justizminister toleriert dies.

[Auch Camille Desmoulins (Markus Hottgenroth) genießt das Leben.]



Ende September bringt Danton Tausende mit seinen Reden dazu, sich freiwillig zur Armee zu melden. Robespierre Klagt König Ludwig vor dem Konvent des Landesverrates an, der im Januar 1793 öffentlich guillotiniert wird. Im April wird auf Antrag Dantons der Wohlfahrtsausschuss als Revolutionsregierung etabliert. Am 27. Juli tritt Robespierre auf den Platz des aus dem Wohlfahrtsausschuss ausscheidenden Danton.



Im Dezember 1793 beginnen Danton und seine Anhänger auf das Ende des revolutionären Terrors und die Einsetzung eines Gnadenausschusses zu drängen. So bilden die Dantonisten die letzte Gefahr für den Fortgang der Revolution in Robespierres Augen. Hier setzt das Büchner Stück "Dantons Tod" ein. Die letzte Unterredung zwischen Danton und Robespierre im März 1794 und schließlich die Hinrichtung von Danton, Camille Desmoulins und anderer Anhänger am 5. April 1794.



Georg Büchner (1813-1837) zählt zu einem der bedeutenden deutschen Schriftsteller. Mit seinen Theaterstücken "Dantons Tod" (1835) und "Woyzeck" (1836) trug er maßgeblich zur Entwicklung der deutschen Dramatik bei. Der wichtigste Literaturpreis der Bundesrepublik, der Georg-Büchner-Preis, ist nach ihm benannt.

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