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Ein Buch sorgt für Gesprächsstoff: „Mein Vater Robert Ley“ von Renate Wald

ka; 11. Aug 2004, 06:22 Uhr
Oberberg Aktuell
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Ein Buch sorgt für Gesprächsstoff: „Mein Vater Robert Ley“ von Renate Wald

ka; 11. Aug 2004, 06:22 Uhr
(ka/30.7.2004-18:30) Von Kyrosch Alidusti Gummersbach – Im Martina Galunder-Verlag erschien vor kurzem das Buch von Renate Wald: „Mein Vater Robert Ley“ – Oberberg-Aktuell sprach darüber mit Gerhard Pomykaj, einem ausgesprochenen Kenner der oberbergischen Geschichte während des Nationalsozialismus.
Im Martina Galunder-Verlag ist ein neues Buch erschienen, das stark in der Auslagen mancher Büchereien vertreten ist: „Mein Vater Robert Ley. Meine Erinnerungen und Vaters Geschichte“ von Renate Wald. In diesem Buch versucht Wald, an ihren Vater zu erinnern und ihn jenseits des Nationalsozialismus zu schildern, ganz persönlich. „Entstanden ist eine Darstellung, in der die Verfasserin ihrem Vater - nicht zuletzt auch angesichts mancher Gerüchte - Gerechtigkeit widerfahren lassen will“, wie auf der Rückseite des Buches zu lesen ist.

Ob diese Art Robert Ley zu schildern, gerechtfertigt ist, und ihn nicht seiner Verantwortung für die Politik der Nationalsozialisten entblößt und damit verharmlost, darüber sprach Oberberg-Aktuell mit Gerhard Pomykaj, Stadthistoriker und Archivar bei der Stadt Gummersbach und seit 1991 Leiter des Archivs des Oberbergischen Kreises. Pomykaj ist Autor zahlreicher Beiträge zur oberbergischen Geschichte, unter anderem schrieb er zusammen mit Werner Knabe, Heinrich Mecke und Jürgen Woelke: „Dokumentation zur Judenverfolgung in Gummersbach während der Zeit des Nationalsozialismus.“

[Bild: Kyrosch Alidusti --- Stadthistoriker und Autor Gerhard Pomykaj.]

Frage: Kann man das Bild von Robert Ley, das im Buch von Renate Wald gezeichnet wird, aufrecht erhalten? Ein Bild, das ihn als einen Menschen zeigt, der bewusst nationalsozialistische Kreise gesucht hat, „es geschafft hat“, zu den prominentesten Nazis zu gehören, aber letztlich keinen Einfluss auf Entscheidungen hatte?

Renate Wald ist eine intelligente Frau, sehr pragmatisch im Auftreten, aber es ist eben ihr Vater, den sie beschreibt. Sie will die Person ihres Vaters „retten“, und sie blendet die funktionale Rolle ihres Vaters aus. Er ist einer der „wichtigsten“ Nazis gewesen. Er war ein erfolgreicher Chemiker, und hat eine erstaunliche Karriere gemacht. Er war kein erfolgloser Mensch, und ist aus Überzeugung eingestiegen. Er war sicherlich Hitler-gläubig, aber er hat eine der wichtigsten Positionen im Nationalsozialismus erreicht und war vorher wesentlich für die Wahlerfolge der Nationalsozialisten mitverantwortlich. Das wird von Frau Wald ausgeblendet.

Das Buch ist sehr subjektiv und Frau Wald versucht, ihr persönliches Bild des Vaters aufrechtzuerhalten. Sie sagt auch in dem Buch, dass sie sich mit dem Nationalsozialismus nie eindeutig beschäftigt hat. Sie hat offensichtlich eine richtige Scheu davor. Sie bekennt zwar durchaus, dass ihr Vater Antisemit war, aber dessen prinzipielle Verantwortung lässt sie rausfallen. Ich habe den Eindruck, dass es ihr sehr wichtig war, dass er kein Alkoholiker war und seine zweite Frau nicht ermordet hat, was historisch völlig unwichtig ist - was ich aus der Kenntnis der Quellen aber auch glaube. Die generelle Verantwortung ihres Vaters für die Beseitigung der Weimarer Republik und den Aufbau eines Terrorregimes, wird bei ihr ebenfalls nicht einbezogen. Sie will ihren Vater als Vater erhalten. Eine sehr selektive Wahrnehmung, und da sind auch die Grenzen (des Buches).

[Bild: Martina Galunder-Verlag --- Renate Wald, emeritierte Soziologieprofessorin und Autorin des Buches: "Mein Vater Robert Ley".]

Frage: Frau Wald spricht von den „Kampfjahren“ ihres Vaters, als wären es Kneipenschlägereien zusammen mit Kameraden gewesen, steckte da nicht mehr dahinter?

Sie war zu jung, um Erinnerungen an die so genannten Kampfjahre zu haben. Ich frage mich immer, warum sie Kampfjahre nicht in Anführungszeichen gesetzt hat – dies ist schließlich ein Begriff der Nationalsozialisten. Sie war noch ein Kind und hat kein politisches Bewusstsein gehabt. Aber sie erwähnt kein Mal, dass dieser Kampf dazu diente, die Demokratie zu beseitigen.

Als seien die „Kampfjahre“ eine Auseinandersetzung „normaler“ politischer Art gewesen, und hätten nicht das Ziel gehabt, eine Demokratie durch eine Diktatur der übelsten Art zu ersetzen - und dass ihr Vater einen starken Anteil daran hatte, wird nicht erwähnt. Dies wird alles auf einer persönlichen Ebene behandelt. Aber sie reflektiert an manchen Stellen über die historischen Taten ihres Vaters, was ich deshalb nicht verstehe, ist, dass sie sich zu diesen Punkt nicht kritisch geäußert hat.

Frage: Können sie ein Beispiel aus dieser Zeit nennen?

Ja. Es wird in dem Buch ebenfalls nicht behandelt, dass Leute stark diffamiert worden sind, Demokraten, wie zum Beispiel der Bürgermeister von Morsbach. Leute, deren Leumund durch die Zeitung von Robert Ley in übelster Art und Weise und sehr persönlich angegriffen wurde. All diese Sachen fehlen. Man bekommt den Eindruck, die „Kampfjahre“ wären ein normaler Wahlkampf in einer „normalen Zeit“ gewesen. Das sind Schwächen des Buches, das hätte sie anders schreiben können, was sie nicht gewollt hat.

[Gerhard Pomykaj: "Für einen unbewussten, nicht sehr informierten Leser kann, für meine Begriffe, ein zu positives Bild entstehen."]

Frage: Die Rolle der Religion in dem Buch ist sehr wichtig, zumal Wald immer wieder die Rückkehr ihres Vaters zum Christentum vor seinem Tod betont. Sie wiederholt auch mehrfach, dass der Antisemitismus in der Evangelischen Kirche und in der Bevölkerung ganz „normal“ gewesen sei. Wie ist das einzuschätzen?

Der Antisemitismus der Evangelischen Kirche, war nicht rassistisch begründet. Da wurden teilweise Juden als Christusmörder betitelt. Das wurde auch von den Kanzeln herunter gepredigt, wenn auch nicht überall. Ob der Antisemitismus für die Wahlpropaganda wichtig war, ist eine zweite Angelegenheit. Wichtiger war der Kampf gegen die Republik und den Sozialismus. Die Wahlforschung hat festgestellt, dass protestantische Gebiete, in denen die Bauern dominant waren, besonders anfällig und Hochburgen in ganz Deutschland für den Nationalsozialismus waren. Das war in Schleswig-Holstein so, und in anderen Teilen ebenfalls.

Frage: Gibt es dafür eine Erklärung?

Der Hintergrund ist folgender: die Evangelische Kirche war sehr staatsbezogen. Die Protestanten hatten 1919 nicht nur den Kaiser, sondern auch ihren obersten Bischof verloren. Zudem gab es eine große Gegnerschaft zur Sozialdemokratie, der Weg nach links war ihnen damit verbaut, während die Katholiken Zentrum gewählt haben - was auch nicht eine unheimlich demokratische Entscheidung war. Es gibt das berühmte Wort von Ley, dass er aufräumen würde, und sie, die Evangelischen Kirchen, könnten neu sähen. Er hat den Begriff des positiven Christentums gebraucht, ein reines Propagandamittel, der aber in dem Buch sehr positiv besetzt ist. Er hat nicht zu erkennen gegeben, dass ein Teil der Partei sehr anti-christlich eingestellt war. Den evangelischen Bauern ging es ganz miserabel, aber sie konnten ihren Protest nicht bei den Kommunisten ausleben, die Deutschnationalen waren nicht radikal genug und sie brauchten was Neues.

Ley kannte die Leute, die Bauern hier. Die NSDAP hatte an den Erfolg bei den Industriearbeitern geglaubt und 1929 bei ihrer Analyse der Wahlen war herausgekommen, dass sie besonders stark in den ländlichen Gebieten waren. Ley war damit ein Vordenker einer neuen Wahlkampfstrategie. Der Leiter war Hitler. Frau Wald hat eindeutig Recht, dass Ley Hitler-gläubig war. Für sie ist das eine Entlastung, ich sehe das nicht so. Die Verantwortung bleibt trotzdem, in jeder Hinsicht. Es sind eben sehr viele Sachen ausgeblendet. Nun hat sie auch nicht den Anspruch einer Biographie, sie sagt eben: „Mein Vater Robert Ley“. Für einen unbewussten, nicht sehr informierten Leser kann, für meine Begriffe, ein zu positives Bild entstehen.

Frage: Ist es damit ein politisches Buch, obwohl es unpolitisch sein will?

Ja, aber aus der Begründung nicht eines politischen Hintergrunds – Frau Wald bezeichnet sich als links-liberal, und ich glaube, dass sie es tatsächlich ist. Aber das Buch ist ihre persönliche Tragik, das sie geschrieben hat, um das Bild ihres Vaters zu retten. Ich weiß nicht, ob sie sich einen Gefallen damit getan hat, das Buch zu veröffentlichen. Sie bleibt auf einer sehr subjektiven Ebene. Und ein ziemlicher Teil der Grundverantwortung des Vaters wird ausgeblendet. Man kann nicht sagen oder zeigen, dass Ley stolz ist, zu den führenden Köpfen gehört zu haben, und andererseits herausstellen, er habe bei allen Fragen keine Verantwortung gehabt. Das ist ein Widerspruch in sich. Er wäre sicherlich zu 90 Prozent in Nürnberg zum Tode verurteilt worden, wenn er sich nicht umgebracht hätte.

Was ich schade finde, ist, dass es für Oberberg als Ertrag nichts Neues gibt. Sie hatte auch keine persönlichen Informationen, zumal sie in dieser Zeit in Köln gelebt hat. Ich halte es für ein sehr persönliches Buch.

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