Bilder: privat --- Während ihres Besuchs auf der Insel Ometepe im März ahnten weder Monika und Michael Höhn noch die Einheimischen, dass in Nicaraguaschon bald blutige Unruhen ausbrechen werden.
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'Die Menschen auf Ometepe nie so traurig erlebt'
Wiehl OA sprach mit Monika und Michael Höhn über die aktuelle Lage in Nicaragua und deren Auswirkungen auf das Ometepe-Projekt Mitarbeiter vor Ort berichten von ausbleibenden Touristen und der Angst vor einem Bürgerkrieg Jubiläumsfeier ohne Gäste aus Nicaragua.
Von Fenja JansenNoch im März verbrachten Monika und Michael Höhn mehrere Wochen auf der nicaraguanischen Insel Ometepe und sendeten gut gelaunt vorösterliche Grüße in die deutsche Heimat: Gemeinsam bereite man das Osterfest vor und die Einheimischen sendeten ihren Dank für all die Hilfe, die sie in den vergangenen 25 Jahren durch das von den Höhns initiierte Ometepe-Projekt erfahren haben. Gut gelaunt lächelten alle zusammen in die Kamera. Heute zeigen sich Sorgenfalten auf den Gesichtern der Höhns, wenn sie von Ometepe sprechen. Täglich warten sie auf Nachrichten aus dem südamerikanischen Land und hoffen dabei nur, dass es gute sind. Niemand weiß im Moment was als nächstes passiert. Und diese Ungewissheit ist das schlimmste, sagt Monika Höhn, während sie noch einmal auf dem Handy die jüngsten Nachrichten aus Nicaragua liest.
[Auch zu Hause in Wiehl sind Monika und Michael Höhn mit ihren Gedanken derzeit meist in Nicaragua.]
Wovon die Höhns während ihres Aufenthalts in Nicaragua noch nichts ahnten: Nur wenige Wochen später gingen Hunderttausende auf die Straße, um gegen die Regierung von Präsident Daniel Ortega sowie Vizepräsidentin und Ehegattin Rosario Murillo zu demonstrieren. Die diktatorische Regierung reagierte mit äußerster Gewalt. Menschenrechtsorganisationen bestätigen bereits 60 Todesopfer, berichtet Michael Höhn kopfschüttelnd. Entzündet haben sich die Proteste an den Plänen für eine Reform der Sozialversicherung Arbeitnehmerbeiträge sollten erhöht und Renten reduziert werden doch die Höhns wissen, dass mehr hinter der Wut der Bevölkerung steckt. Über die Jahre hat sich viel angestaut. Vor allem die Korruption des Präsidenten und seiner Frau war der Bevölkerung zunehmend ein Dorn im Auge. Die Rentenreform hat das Fass dann zum Überlaufen gebracht, erklärt das Pastorenehepaar.
[Auch die Förderung von Menschen mit Behinderung gehört zu den Schwerpunkten des Projekts.]
Seitdem die Unruhen begannen, sammeln die Höhns alle Nachrichten, an die sie gelangen können. Die Polizei und Schlägertrupps der Regierung sind auf demonstrierende Studenten losgegangen und haben auf sie geschossen. Fernsehsender wurden zeitweise gesperrt. Und hier ist von Vermissten, Verschleppten und Folter die Rede, zitiert Monika Höhn aus verschiedenen Zeitungsberichten, die sie gesammelt hat. Und auch von ihren Partnern vor Ort erhalten sie immer wieder schlechte Nachrichten: Krankenschwestern und Ärzte berichten von Straßenblockaden, die Kranke daran hindern, in die Kliniken zu kommen. Schulen bleiben geschlossen. Hotelbesitzer müssen Mitarbeiter entlassen, weil die Touristen ausbleiben. Immer wieder kommt der öffentliche Verkehr aufgrund von Straßensperrungen und auf den Straßen ausgetragenen Kämpfen zum Erliegen. Wir haben unsere Mitarbeiter und Freunde in Nicaragua noch nie so traurig erlebt, sagt Monika Höhn niedergeschlagen.
Dabei hatten die Höhns Nicaragua zuletzt so hoffnungsvoll verlassen, wie nie zuvor. So viel hatte sich zum positiven entwickelt, sagt Michael Höhn. Nicht nur die Projektarbeit, die ihren Fokus insbesondere auf die Bereiche Bildung und Gesundheit legt, trug immer deutlicher Früchte. Auch der aufkommende Tourismus brachte Geld in das arme Land, das kaum über andere Einnahmequellen verfügt. Dringend benötigte Arbeitsplätze entstanden, durch die ganze Familien der Armutsspirale entkamen. Nun droht im schlimmsten Falle ein Bürgerkrieg, der dies alles kaputtmachen würde: Insbesondere die nicaraguanischen Studenten fordern den Rücktritt des Präsidenten. Die katholische Kirche des Landes versuchte zu vermitteln, doch dieser Versuch scheiterte. Gestern gab die Bischofskonferenz des Landes bekannt, dass sich Regierung und Opposition nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können, der Dialog wurde ausgesetzt.
[Wer Hunger leidet, kann sich nicht aufs Lernen konzentrieren. Darum bekommen die Kinder in den Schulen, die das Projekt auf der Insel unterhält, auch etwas zu Essen.]
Nun herrscht Unsicherheit im Land. Auch die Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten und Krankenschwestern, deren Arbeit durch das Ometepe-Projekt finanziert wird, sorgen sich. Sie fürchten, genau wie die Höhns in Wiehl, dass es den Patienten aufgrund der Unruhen bald nicht mehr gelingen könnte, zu Behandlungen in die Kliniken zu kommen. Wenn der öffentliche Verkehr zum Stillstand kommt, Straßen blockiert werden und sich niemand mehr aus dem Haus traut, schadet das unserer gesamten Arbeit vor Ort, sei es in den Kliniken, den Schulen oder Bildungszentren, sagen Monika und Michael Höhn, die sich auch um das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter und Freunde vor Ort sorgen. Erfolge, die in 25 Jahren harter Arbeit und unerschütterlichem Engagement für die Ärmsten in Nicaragua erzielt werden konnten, würden im Falle eines Bürgerkriegs plötzlich vor einer ungewissen Zukunft stehen.
[Nicaragua gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, die meisten Menschen leben in einfachsten Verhältnissen.]
All diese Ungewissheit trifft die Höhns in einer Zeit, in der sie eigentlich ihren allmählichen Rückzug aus dem Projekt planen wollten. Vor dem Jahr 2020 steigen wir nicht aus, aber mit 73 beziehungsweise 74 Jahren ist es an der Zeit, über die Nachfolge nachzudenken, sagt Monika Höhn. Auch um ihre nicaraguanischen Partner auf die anstehenden Veränderungen im Projekt vorzubereiten, war das Paar im März nach Ometepe gereist. Vom 15. bis 22. Juni erwarteten sie wiederum Gäste aus Nicaragua in Deutschland. Gemeinsam sollte das 25. Jubiläum des Ometepe-Projekts gefeiert werden und über die Zeit nach dem Rückzug der Höhns gesprochen werden. Wir führen bereits vielversprechende Gespräche, die wir nun gemeinsam mit unseren nicaraguanischen Partnern fortsetzen wollten", sagt Monika Höhn. Doch mittlerweile hat die Gruppe aus Nicaragua ihre Reise abgesagt.
[Durch das Projekt wurde auf der Insel viel bewegt. Die Einheimischen danken es ihren Freunden aus Deutschland immer wieder mit herzlichen Empfängen.]
Die Feierlichkeiten, so die Höhns, werden trotzdem am Samstag, 16. Juni, ab 11 Uhr wie geplant stattfinden. Gefeiert wird mit einem Dankgottesdienst in der Evangelischen Kirche Wiehl und ab 14 Uhr in den Behinderten-Werkstätten in Wiehl-Faulmert. Bereits am 13. Juni stellen die Höhns ihr neues Buch, in dem sie Erinnerungen aus 25 Jahren Projektarbeiten gesammelt haben, im Evangelischen Gemeindehaus Wiehl vor (Beginn: 19 Uhr). Dieses trägt den Titel Paradies mit Widerhaken und somit einen Titel, der angesichts der aktuellen Entwicklungen in Nicaragua nicht passender gewählt sein könnte.
Zum Hintergrund: Allgemeine Informationen zum Ometepe-Projekt
Das Projekt wurde 1993 von Monika und Michael Höhn mit dem Ziel, das Leben der Menschen auf Ometepe zu verbessern, initiiert und wird seit 1995 von einem Kreis ehrenamtlicher Mitarbeiter unterstützt. Seit 2012 wird es als Fachausschuss Ometepe von den Gemeinden des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger mitgetragen. Spenden in Höhe von rund 100.000 können pro Jahr generiert werden. Auf nicaraguanischer Seite hat das Projekt ein Leitungsteam mit Sitz in Santo Domingo, das vor Ort entscheidet, wo die Hilfe am sinnvollsten und notwendigsten ist. Schwerpunkte sind die Arbeitsbereiche Gesundheit und Bildung, die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen und die Unterstützung der Arbeit von Frauen gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch. Dabei setzen die Höhns vor allem auf einen persönlichen Austausch und Kontakte. Fast jährlich reisen sie beispielsweise nach Nicaragua und sind dabei immer in Begleitung von Interessierten, die die Projektarbeit vor Ort so ebenfalls kennenlernen können. Weitere Informationen: www.ometepe-projekt-nicaragua.de.