LOKALMIX

Protest aus dem Exil

ks; 04.11.2023, 15:00 Uhr
Fotos: privat --- Tamana Paryani hat in den vergangenen Wochen auf dem Hausmannsplatz in Wipperfürth ein Protestcamp aufgeschlagen.
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Protest aus dem Exil

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ks; 04.11.2023, 15:00 Uhr
Oberberg – Tamana Paryani wurde von den Taliban in ein Gefängnis gesperrt – Nun lebt sie in Lindlar und macht auf die Lage der Frauen in Afghanistan aufmerksam.

Das Haar nicht offen tragen zu dürfen, nicht zur Schule oder in die Universität gehen zu können, nicht arbeiten zu dürfen – eine Situation, die für die allermeisten Menschen in der hiesigen Gesellschaft unvorstellbar ist. Doch für afghanische Frauen wurde das nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 zur Realität. Um sich für die Rechte der Frauen in Afghanistan einsetzen zu können, musste Tamana Paryani ihr Heimatland verlassen. Seit einem Jahr lebt die 26-Jährige zusammen mit ihrer Familie im Exil, hat im Oberbergischen ein neues Zuhause gefunden – und kann so den unterdrückten Frauen in ihrer Heimat eine Stimme geben.

 

 

Ende September hat Tamana auf dem Wipperfürther Hausmannsplatz ein Protestcamp aufgeschlagen. Ein Pavillon und ein kleines Zelt boten etwas Schutz, mit Bildern und Plakaten machte sie deutlich, worum es bei ihrer Aktion geht, möchte, dass trotz all der Krisen in der Welt, die Frauen in ihrer Heimat nicht vergessen werden. Tamana spricht von „Gender Apartheid“, von Folter und Vergewaltigung, davon, dass auch junge Frauen zwangsverheiratet werden. „Die Frauen dort können nichts machen. Sie sollen Kinder auf die Welt bringen und sich um den Haushalt kümmern. Sie haben keine Menschenrechte. Das ist doch kein Leben“, sagt sie in fließendem Englisch.

 

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Tamana kommt aus Kabul, hat Politikwissenschaften studiert. Viereinhalb Monate habe sie nach der Machtergreifung der Taliban protestiert, sich gegen die islamistische Terrorgruppe aufgelehnt – bis zum 16. Januar 2022. „Drei Tage später sind die Taliban zu uns nach Hause gekommen. Sie haben mich abgeholt und in ein Gefängnis gesteckt“, erzählt Tamana. Einen Monat sei sie dort gewesen, sei gefoltert worden. Über diese Zeit zu sprechen, fällt der 26-Jährigen sichtlich schwer – nur so viel: „Es war ein Albtraum.“

 

Nach ihrer Freilassung wurde sie von ihrer Familie versteckt, verhielt sich still. Tamanas Pass hatten die Taliban einkassiert, das Land durfte sie nicht verlassen. „Ich hatte damals zwei Möglichkeiten“, sagt Tamana. „Entweder ich schweige weiter. Oder ich verlasse Afghanistan, um so weiter gegen diesen Terror und für die Rechte der Frauen protestieren zu können. Das ist der Grund, weswegen ich im Exil lebe.“

 

 

Im August 2022 verließ Tamana zusammen mit ihren Eltern, ihren Schwestern und ihrem Bruder Afghanistan, überquerte die Grenze nach Pakistan – illegal, das Gesicht bedeckt mit einer Burka. Durch Hilfe von Freunden gelangten sie dort zur Deutschen Botschaft, erhielten Pässe und durften im Oktober in die Bundesrepublik einreisen. Heute lebt die Familie in Lindlar-Frielingsdorf. Tamana möchte Deutsch lernen, besucht dafür seit drei Monaten in Wipperfürth einen Kurs und arbeitet ehrenamtlich bei der Speisekammer Frielingsdorf mit.

 

In einem fremden Land zu leben falle ihr nicht leicht, gibt Tamana offen zu. Doch ihr Ziel verliert die 26-Jährige nicht aus den Augen – geht auch dabei über Grenzen. Mit ihrem Protest auf deutschem Boden hat die junge Frauenrechtlerin am 12. August begonnen, hat dafür einen Tag in Köln verbracht. „Am 1. September bin ich in einen Hungerstreik getreten“, erzählt Tamana. Bis zum 12. September habe sie durchgehalten, musste dann ins Krankenhaus. Anschließend hat sie in Wipperfürth ihr Protestcamp aufgeschlagen. Bis Ende Oktober war sie dort. Weiter soll es am 19. November mit einem Protest in Frankfurt gehen.

 

 

„Frau, Leben, Freiheit“ – ein Slogan, der nach dem Tod der Iranerin Jina Mahsa Amini im September 2022 um die Welt ging. Ein Slogan, der genauso relevant für Tamanas Protest ist. Aktuell lebt die 26-Jährige noch in einer Flüchtlingsunterkunft, hofft aber, schon bald eine Wohnung in Lindlar oder Engelskirchen zu finden. „Ich würde gerne in Deutschland bleiben, weiter studieren“, so Tamana. Und sie möchte ihren Protest fortsetzen, hofft auf gleiche Rechte – unabhängig vom Geschlecht – und auf Frieden in der Welt. „Hoffentlich werden wir das eines Tages erleben.“

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