BLAULICHT

Fast zwei Jahre Haft für mickrige Beute

pn; 26.11.2021, 17:30 Uhr
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Fast zwei Jahre Haft für mickrige Beute

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pn; 26.11.2021, 17:30 Uhr
Gummersbach/Engelskirchen – Ein 23-jähriger Mann aus Engelskirchen wurde am Amtsgericht Gummersbach wegen Einbruchs, Raubes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Von Peter Notbohm

 

Es klingt nach einem nahezu lächerlichen Geldbetrag. 204 Euro sind der Grund, weshalb Akeem J. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) für ein Jahr und elf Monate hinter Gitter muss. So viel hatten er und Maik K. gemeinsam bei einem Einbruch und einem Raub im Juli des vergangenen Jahres in Engelskirchen-Ründeroth erbeutet. Dabei hatten sie einen 23-jährigen Bekannten brutal zusammengeschlagen und getreten. Während der 36-jährige Maik K. bereits im August wegen der Taten verurteilt worden war – seine Berufung am Kölner Landgericht läuft noch – musste sich der 23-jährige Akeem J. heute vor dem Gummersbacher Amtsgericht verantworten.

 

Neben einem Einbruch in eine Ründerother Pizzeria am 27. Juli 2020 warf ihm die Staatsanwaltschaft zudem vor, einen Tag später den gemeinsamen Bekannten Semmi A. zunächst an den Aggerstrand gelockt und dort ausgeraubt zu haben. Die mickrige Beute: Ein Handy, das später für 30 Euro verkauft wurde, Kopfhörer und ein Portemonnaie mit 14 Euro Inhalt. Das Opfer hatte bei dem Überfall einen Schneidezahn verloren, zudem Verletzungen am Gesicht, an der Brust und im Nackenbereich davongetragen.

 

Während er den Einbruch in die Pizzeria, wo die Männer 160 Euro und zwei Flaschen Jägermeister entwendet hatten, sofort zugab, berief sich der Angeklagte für den Raub auf Erinnerungslücken. „Ich habe mich mit ihm geschlagen, aber weiß nicht einmal mehr den Grund“, teilte er dem Schöffengericht über seine französische Dolmetscherin mit. Er sei betrunken gewesen, ergänzte er später im Verfahren. Gestohlen habe er dem Opfer aber nichts, nur Maik K. habe dessen Taschen durchsucht. Am nächsten Tag habe er die weggeworfenen Sachen sogar gesucht, um sie Semmi A. zurückzugeben. Warum er bei seiner polizeilichen Vernehmung im September des vergangenen Jahres noch erklärt habe, dass er selbst das gestohlene Handy weiterverkauft habe, wollte er nicht beantworten. Das Protokoll dieser Vernehmung stimme nicht, meinte er - die Befragung damals war noch ohne Dolmetscher durchgeführt worden.

 

Auch Semmi A. wusste nicht, warum ausgerechnet er als Opfer ausgesucht worden war. Man habe vorher noch gemütlich beisammen gesessen, Bier miteinander getrunken und noch nie Streit gehabt. Gegen 23 Uhr hätten die beiden Männer aber während eines Spaziergangs an der Agger unvermittelt auf ihn eingeschlagen und ihm seine Sachen gestohlen, zudem sei sein Haustürschlüssel in den Fluss geworfen worden. Geistesgegenwärtig habe er den beiden Tätern zumindest eine falsche PIN für seine Bankkarte genannt – diese musste später nach drei Fehlversuchen entsperrt werden. Erst nachdem ein weiterer Bekannter und eine Frau mit einer Taschenlampe auftauchten, seien die beiden Schläger geflohen.

 

Von den Verletzungen habe er sich zwar erholt, seinen Schneidezahn vermisse er aber, sagte Semmi A. Der Angeklagte hab ihm damals zudem einen Tag später versprochen, ein neues Handy zu kaufen – das sei aber nie geschehen. Vor Gericht nutzte Akeem J. immerhin die Gelegenheit, sich zu entschuldigen. „Als ich damals sein Gesicht gesehen habe, tat es mir von Herzen leid. Ich habe nur noch gehofft, dass er mir verzeiht. Wir waren alle besoffen“, so der Mann aus Guinea. Auch den Einbruch am Tag zuvor habe er im betrunkenen Zustand begangen.

 

Während die Staatsanwaltschaft im Anschluss eine Bewährungsstrafe in Höhe von einem Jahr und acht Monaten forderte, legte die Verteidigung die Höhe der Strafe in das Ermessen des Gerichts, forderte aber ebenfalls maximal eine Bewährungsstrafe. Durch die erlittene Untersuchungshaft sei sein Mandant bereits stark beeindruckt, argumentierte der Rechtsanwalt. Das sah das Schöffengericht um Richter Ulrich Neef anders und verurteilte Akkem J. wegen Einbruchsdiebstahl und Raubes mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Strafe von einem Jahr und elf Monaten – ohne Bewährung.

 

Das Gesetz verlange ab einer einjährigen Haftstrafe ganz besondere Voraussetzungen in der Person oder der Tat, begründete der Vorsitzende: „Die sind hier nicht gegeben.“ Unter anderem habe das Gericht dem Verurteilten nicht geglaubt, dass er dem Opfer nichts gestohlen habe. Gegen das Urteil kann der 23-Jährige noch in Berufung oder Revision gehen.

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