BLAULICHT

Lange Haftstrafe nach brutalem Überfall auf Engelskirchener Ehepaar

pn; 08.09.2022, 16:55 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Mehr als 15 Jahren verbrachte der 49-jährige Russe bereits in Haft. Nach dem Urteil des Kölner Landgerichts werden einige dazukommen.
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Lange Haftstrafe nach brutalem Überfall auf Engelskirchener Ehepaar

pn; 08.09.2022, 16:55 Uhr
Engelskirchen/Köln – Urteil am Kölner Landgericht - 49-Jähriger zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt - Sicherungsverwahrung angeordnet – Richterin spricht von eingeschliffener Neigung schwere Raubtaten zu begehen.

Von Peter Notbohm

 

Das Kölner Landgericht hat einen 49-Jährigen wegen besonders schweren Raubes zu einer Gefängnisstraße von zehn Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Die Kammer um die Vorsitzende Bettina Schattow sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte gemeinsam mit zwei weiteren Männern am 18. Januar des vergangenen Jahres ein Ehepaar aus Engelskirchen als Hermes-Boten verkleidet brutal überfallen und ausgeraubt hatte. Neben der Haftstrafe wurde auch die Einziehung von 116.107 Euro angeordnet – so hoch schätzt das Gericht die damalige Beute.

 

Täter verfolgt Urteil nahezu regungslos

 

Mit starrem, meist leerem Blick und fast ohne jede Regung verfolgte Anatoli J. (Anm.d.Red.: Name geändert) die fast 50-minütige Urteilsbegründung. Nur einmal blätterte er kurz in seinen Unterlagen, die er für sein letztes Wort vor der Verkündung des Urteils niedergeschrieben hatte. Es waren gesalzene Worte, die er von der Richterin zu hören bekam: Die Kammer habe nicht den geringsten Zweifel an der Schuld des gebürtigen Russen gehabt, betonte die Vorsitzende. „Der Angeklagte ist eine Gefahr für die Allgemeinheit“, führte sie weiter aus, „bei ihm ist ein antisozialer Lebensstil fest verankert und er hat eine eingeschliffene Neigung schwere Raubtaten zu begehen.“

 

Dabei handle der Russe nicht emotional, sondern seine Taten seien nur Zweck zum Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Dabei schrecke er aber auch nicht vor physischer Gewalt zurück. Erschreckend sei zudem die hohe Rückfälligkeit: Gerade einmal 50 Tage seien vergangen, seit der Mann eine langjährige Haftstrafe wegen Überfällen auf eine Sparkasse und zwei Tankstellen abgesessen hatte, ehe er erneut zugeschlagen habe.

 

Detailliert gab die Richterin noch einmal den Tathergang vom 18. Januar wieder, beschrieb dabei auch die Todesangst, unter der das überfallene Ehepaar damals gelitten hatte. Die drei Täter waren mit hoher Brutalität vorgegangen, hatten ihren Opfern eine Pistole vors Gesicht gehalten, um deren Gegenwehr im Keim zu ersticken und zudem gedroht, ihnen Finger abzuschneiden, wenn sie nicht verraten, wo der Tresor versteckt sei. Der Angeklage sei zwar nicht der Wortführer gewesen, habe aber sehr gezielt agiert.

 

DNA-Spuren überführten Angeklagten

 

Dabei entkräftete die Kammer auch die zahlreichen Versuche der Verteidigung und des Angeklagten, Zweifel an der Schuld des 49-Jährigen zu säen. Weder seien bei der Abnahme der DNA-Spuren unter den Fingernägeln der Opfer Fehler durch die Ermittler gemacht worden, worauf vor allem die Verteidigung gepocht und ein Beweisverwertungsverbot gefordert hatte. Noch glaube das Gericht an die Möglichkeit einer sogenannten Sekundärübertragung. Dafür seien zu viele DNA-Spuren gefunden worden. Eine Gutachterin hatte ausgesagt, dass die Chance auf einen Fehler bei 30 Milliarden zu 1 liege.

 

Auch den Einwurf des Angeklagten, dass sich sein Handy nie in Engelskirchen befunden habe, ließ Schattow nicht gelten und bezeichnete diesen Umstand als bedeutungslos: „Für uns ist das eine Schutzbehauptung, die überhaupt nichts belegt.“ Dass der Angeklagte während der Verhandlung lange geschwiegen und teilweise gelogen habe, müsse die Kammer zwar dulden, dafür, dass er das überfallene Ehepaar und deren Versicherungsmakler des Versicherungsbetruges bezichtigt hatte, werde er aber wahrscheinlich bald noch Post von der Staatsanwaltschaft bekommen.

 

Einen Rat hatte die Richterin für den Angeklagten aber auch noch: „In zehn Jahren wird geprüft, ob sie in Sicherungsverwahrung gehen müssen. Ich kann ihnen nur sagen: Setzen sie sich mit ihren Taten auseinander und suchen sie sich sozialpsychologische Hilfe. Ein reines Absitzen der Haftstrafe wird nicht ausreichen.“

 

Angeklagter beharrt in letztem Wort auf seiner Unschuld

 

Vor dem Urteil hatte zunächst noch der zweite Verteidiger von Anatoli J. sein Plädoyer gehalten: Wie sein Kollege am Dienstag hatte auch er einen Freispruch aufgrund begründeter Zweifel gefordert. Die Staatsanwaltschaft hatte am Montag für eine Haftstrafe von elf Jahren und sechs Monaten mit anschließender Sicherungsverwahrung plädiert. Auch der Angeklagte hatte in seinem letzten Wort noch einmal ausführlich die Gelegenheit genutzt, sich zu verteidigen und zu erklären, dass er unschuldig sei. Dabei versuchte er zahlreiche Zweifel an der Beweisführung zu schüren. „Ich will ihnen eine Geschichte erzählen“, leitete er seine Ausführungen ein, wie seine DNA-Spuren an den Tatort gekommen sein könnten. Mehr als eine Geschichte war es aus Sicht des Gerichts am Ende auch nicht.

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Unmittelbar nach der richterlichen Begründung suchte der Angeklagte bereits das Gespräch mit seinen beiden Verteidigern. 

 

Das Verfahren gegen den mutmaßlichen Wortführer bei dem Überfall, der derzeit noch in einem Gefängnis in Hessen in Untersuchungshaft sitzt, beginnt am 14. November vor dem Kölner Landgericht. Hier wird das Urteil für den 23. November erwartet.

 

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