BLAULICHT

Raubüberfall auf Engelskirchener Ehepaar: Zweiter falscher Hermes-Bote schweigt

pn; 14.11.2022, 17:15 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Seit heute muss sich ein 36-Jähriger (hier mit seinem Verteidiger Dr. Andreas Bensch) vor dem Landgericht Köln wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes verantworten.
BLAULICHT

Raubüberfall auf Engelskirchener Ehepaar: Zweiter falscher Hermes-Bote schweigt

pn; 14.11.2022, 17:15 Uhr
Engelskirchen/Köln – 36-Jähriger muss sich vor dem Landgericht verantworten - Mutmaßlicher Mittäter wiederholt zum Prozessauftakt Vorwürfe gegen deutsche Justiz.

Von Peter Notbohm

 

Ein kurzes Lächeln, ein freundschaftlicher Handshake und ein paar nette Worte – man merkt sofort, dass Anatoli J. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) und Yuri H. sich gut kennen. Während der eine bereits Anfang September vom Kölner Landgericht wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes zu einer zehnjährigen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurde (OA berichtete) und mittlerweile auf sein Revisionsverfahren am Bundesgerichtshof wartet, muss sich Yuri H. erst seit Montagvormittag wegen desselben Vorwurfs vor der 22. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht verantworten.

 

Die Staatsanwaltschaft wirft dem in der ehemaligen Sowjetunion geborenen Mann, der die deutsche Staatsbürgerschaft hat und zuletzt in Riga (Lettland) gemeldet war, vor, gemeinsam mit zwei weiteren Männern am 18. Januar des vergangenen Jahres in Engelskirchen ein Ehepaar (damals 53, 54) auf brutale Art und Weise überfallen zu haben. Hierfür sollen sie sich als Hermes-Boten verkleidet haben. Der 36-Jährige, der heute schwieg und sich erst am zweiten Verhandlungstag zu seiner Person einlassen will, soll damals der Wortführer gewesen sein. Seit seiner Festnahme im März dieses Jahres in Frankfurt befindet er sich in Untersuchungshaft – gegen ihn lagen noch zwei weitere Haftbefehle vor. Die Ermittlungen gegen den mutmaßlichen dritten Täter, einen Mann aus Reichshof, dauern weiterhin an.

 

Die Engelskirchenerin hatte damals tatsächlich ein Paket erwartet und den Männern arglos die Tür geöffnet. Im Hausflur soll es zu einem kurzen Kampf zwischen den Eheleuten und den falschen Hermes-Boten gekommen sein. Nachdem das Ehepaar mit Kabelbindern gefesselt am Boden lag, sollen die Täter ihnen eine Pistole vors Gesicht gehalten und ihnen gedroht haben, sie zu erschießen. Weil sie mit der Beute nicht zufrieden waren, sollen die Männer zudem gedroht haben, der Frau einen Finger abzuschneiden – erst daraufhin wurde das Versteck des Safes preisgegeben.

 

Nachdem dieser ausgeräumt war, übergossen die Täter ihre Opfer mit Wodka und Desinfektionsmittel, um mögliche DNA-Spuren zu vernichten. Auch die Fingernägel wurden gereinigt und der Mund ausgespült. Neben Bargeld verschwanden auch zwei Goldbarren, drei Krügerrand und mehrere Luxus-Uhren. Bei der heutigen Anklageverlesung nannte die Staatsanwältin erneut die ursprünglich angeklagte Beutesumme von 66.800 Euro. Im Verfahren gegen Anatoli J. ging das Gericht bei seinem Urteil am Ende sogar von einem Wert von 116.107 Euro aus.

 

Während das überfallene Ehepaar erst am zweiten Verhandlungstag erneut aussagen soll, vernahm die Kammer unter dem Vorsitz von Jennifer Otten am Montag die beiden Polizeibeamten, die damals die Anzeige aufgenommen hatten, sowie den Spurensicherer der Polizei. Sie wiederholten ihre Angaben, die sie schon im ersten Prozess im Sommer gemacht hatten. Spannender wurde es bei Anatoli J.: Der 49-Jährige wurde aus seiner Zelle vorgeführt und wiederholte zunächst seine Vorwürfe, dass die deutsche Justiz seit 2006 einen staatlich regulierten Drogenhandel in allen Gefängnissen betreibe (OA berichtete). „Die Richterin hat das damals zu Protokoll genommen, aber bis heute wurde nichts unternommen. Die Staatsanwaltschaft darf in diesem Fall überhaupt nicht weitermachen. Die sind nicht sauber“, sagte er.

 

Die Kammer zeigte an diesen Vorwürfen allerdings wenig Interesse und konzentrierte sich bei ihren Nachfragen auf den Raubüberfall.  Er sei unschuldig verurteilt worden, antwortete Anatoli J. Staatsanwaltschaft und Gericht bezeichnete er als „korrupt“ und kündigte an, dies auch noch zu belegen: „Die Polizisten haben schlecht gearbeitet. Ich war nicht beteiligt und auch nicht dort, sondern wahrscheinlich bei meiner Familie.“ Den Angeklagten würde er allerdings kennen. Man habe sich 2014 oder 2015 in der JVA Köln einmal getroffen. „Aber scheinbar geben sie ihm nichts zu essen, ich erkenne ihn kaum wieder“, gab er eine verhöhnende Antwort.

 

Fortgesetzt wird der Prozess am Freitag, insgesamt sind vier Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil soll bereits am 23. November fallen.

 

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