BLAULICHT

Schweigen und viele Erinnerungslücken

pn; 24.02.2023, 10:20 Uhr
BLAULICHT

Schweigen und viele Erinnerungslücken

pn; 24.02.2023, 10:20 Uhr
Waldbröl – Zwei Männer müssen sich vor dem Waldbröler Amtsgericht wegen räuberischer Erpressung verantworten – Hintergrund soll ein Streit zwischen Waldbröler Spielotheken sein – Mitarbeiter angeblich mit dem Tode bedroht.

Von Peter Notbohm

 

Im Sommer 2021 wird ein Mitarbeiter einer Waldbröler Spielothek mehrfach bedroht. Wenn er nicht sofort aufhöre, in der Spielhalle zu arbeiten, werde man ihn erschießen, der Laden werde niedergebrannt und seine Familie befinde sich dann ebenfalls in Gefahr. Um dieser Drohung Nachdruck zu verleihen, soll Ahmed L. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert), ein 47-jähriger Reichshofer, gemeinsam mit zwei Bodyguards, einen 51-jährigen Waldbröler auf einem Sofa fixiert und ihn kurzzeitig gewürgt haben. Auch ein Zuckerstreuer soll in die Schanktheke geflogen sein. Der Schaden: Gläser im Wert von 200 Euro.

 

Soweit die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in Richtung des Reichshofers und eines 32-jährigen Gummersbachers, die sich nun vor dem Amtsgericht Waldbröl wegen des Vorwurfs der räuberischen Erpressung verantworten mussten. Wirklich aufklären, was sich am 31. Juli 2021 in der Waldbröler Spielothek abgespielt hat, konnte Einzelrichter Maximilian Holthausen allerdings nicht. Das mutmaßliche Opfer und ein Zeuge beriefen sich weitgehend auf Erinnerungslücken und konnten (oder wollten) ihre polizeilichen Aussagen von damals nicht wiederholen. Die beiden Verfahren endeten daher mit einer Einstellung und einem Freispruch.

 

Streit zwischen Waldbröler Spielotheken als möglicher Hintergrund

 

Hintergrund soll dem Vernehmen nach, ein Streit zwischen Waldbröler Spielotheken sein, die sich gegenseitig die Kundschaft abgraben. Ahmed L. gab zwar zu, dass es in den Räumlichkeiten zum Streit gekommen sei. Man habe sich mehrere Beleidigungen in türkischer Sprache zugerufen, dabei sei es aber nie zu Bedrohungen, Handgreiflichkeiten oder Aufforderungen gekommen, betonte der 47-jährige Angeklagte. Lediglich der Zuckerstreuer sei geflogen, das habe man aber längst aus der Welt geschafft: „Ich habe alles bezahlt und wir haben das unter uns geklärt. Mehr will ich nicht sagen.“

 

Gänzlich schwieg Mohammed T., einer der beiden mutmaßlichen Bodyguards des Reichshofers. Über seinen Verteidiger ließ er erklären, dass er am 31. Juli zwar anwesend gewesen sei, sich aber überhaupt nicht an den Streitigkeiten beteiligt habe. „Ganz im Gegenteil! Er fragte sogar, was das soll, als der Zuckerstreuer flog. Er kann auch nichts dafür, dass er ein bisschen böse guckt und Sport treibt“, sagte der Rechtsanwalt beim Blick auf seinen breit gebauten, voll tätowierten Mandanten.

 

Zeugen berufen sich auf Erinnerungslücken

 

Auch die anschließende Vernehmung des mutmaßlichen Opfers gestaltete sich wenig ergiebig. Er sei dort nie angestellt gewesen, habe lediglich für zwei Tage bei Renovierungsarbeiten ausgeholfen, gab der 51-Jährige an. An den Tattag habe er kaum noch Erinnerungen, es habe nur ein bisschen Theater gegeben. Wirklich zusammen passten seine Aussagen allerdings nicht: Zunächst sprach er von einem „normalen Gespräch“, nur Sekunden später gab er an, sich „ein bisschen bedroht“ gefühlt zu haben. Auf die Frage des Richters, ob es irgendwann zu körperlicher Gewalt gekommen sei, antwortete er nur noch an, sich nicht mehr zu erinnern, da er auch fast vier Monate in einer Psychiatrie verbracht habe. Die Frage des Verteidigers, ob er überhaupt Interesse habe, dass sein Mandant bestraft werde, verweigerte er völlig: „Das ist Sache des Gerichts.“

 

Auch ein 27-jähriger Waldbröler, der damals zufällig zugegen war und an einem Automaten gespielt hatte, konnte sich nur noch daran erinnern, dass das mutmaßliche Opfer am Kragen gepackt worden war. Es habe ein kurzes Handgemenge gegeben, man habe in türkischer Sprache gestritten und anschließend sei eine Flasche in die Vitrine geflogen. „Ich habe mich dann aber wieder umgedreht, weil ich mich nicht bedroht gefühlt habe und auch kein türkisch verstehe“, sagte er aus.

 

Gegenüber der Polizei noch völlig andere Geschichte erzählt

 

Das hatte sich in seiner Zeugenaussage vor Ort noch vollkommen anders angehört, wie ein Polizeibeamter berichtete: „Er uns damals mitgeteilt, dass es ein rivalisierendes Verhältnis und geschäftliche Probleme zwischen beiden Läden geben soll. Gleichzeitig hat er uns aber auch klargemacht, dass er nichts damit zu tun haben will.“ Aufzeichnungen der Überwachungskamera halfen ebenfalls nur wenig weiter: Sie zeigten lediglich, wie drei Männer, darunter die beiden Angeklagten, den Laden betraten und drei Minuten später wieder verließen. Auch eine zweite Polizistin konnte lediglich wiedergeben, dass das mutmaßliche Opfer damals noch von einer körperlichen Attacke und Drohungen gesprochen hatte.

 

Zu wenig für Staatsanwaltschaft und Gericht. Weder habe man nachweisen können, wer dem 51-Jährigen überhaupt ins Gesicht gegriffen hat, noch wisse man, was gesprochen wurde, hieß es von Richter Holthausen. Es gebe nicht einmal Beweise dafür, dass die beiden Angeklagten die Spielothek vor dem 31. Juli wirklich jemals betreten haben. Das sah die Staatsanwaltschaft ähnlich und beantragte für Mohammed T. einen Freispruch aufgrund „zu dünner Beweislage“. Das Verfahren gegen Ahmed L. wurde dagegen eingestellt. Einzige Auflage: Er muss das zerstörte Glas ersetzen. „Am Ende bleibt ein Geschmäckle, aber wir haben zu viele Zweifel für eine Verurteilung“, so der Richter.

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