BLAULICHT
Töchter sexuell missbraucht: Familienvater (47) muss lange in Haft
Waldbröl/Bonn – Ein Waldbröler hat seine drei Töchter über mehr als zehn Jahre missbraucht – Richter sprechen im Urteil von einem „erschütternden Zustand“ der Opfer.
Von Peter Notbohm
Sexueller Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch: Ein Waldbröler (47) ist am Mittwoch am Landgericht Bonn deswegen zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Der Familienvater hatte seine drei Töchter (heute 16, 21, 22) zwischen 2014 und 2024 über zehn Jahre lang mehrfach missbraucht. Verurteilt wurde er wegen insgesamt 70 Fällen. In drei Fällen hatte der Mann sogar Fotos gemacht, die Ermittler auf seinem Laptop fanden.
Er habe bereits viele Missbrauchsopfer vor Gericht gesehen, sagte Richter Wolfgang Schmitz-Justen in seiner rund einstündigen Urteilsbegründung. „Aber wir haben selten ein Kind erlebt, das so unter die Räder gekommen ist. Sie zählt zu denen, die man nicht vergisst“, schilderte der Vorsitzende eindringlich wie die 2. Große Strafkammer das jüngste der drei Opfer im Rahmen der nichtöffentlichen Vernehmung wahrgenommen habe. Das Mädchen trat auch als Nebenklägerin auf.
„Sie saß wie ein Roboter vor uns und bekam trotz aller Hilfen kein Wort heraus.“ Auf die Frage, wie es ihr gehe, habe das Mädchen nur mit einem Zettel reagieren können, auf dem „Kindheit kaputt gemacht“ stand. Bei ihr hatte der Missbrauch im Alter von sechs oder sieben Jahren begonnen und war jahrelang unentdeckt geblieben. Bevor die Taten aufgeflogen sind, wurde sie mindestens einmal die Woche missbraucht.
Erst ein aufmerksamer Lehrer brachte Anfang 2024 den Stein ins Rollen, als er das Mädchen verstört durch die Schule habe taumeln sehen und zu einem Schulpsychiater vermittelte. Schmitz-Justen betonte, dass Schule und Jugendamt vorbildlich reagiert hätten. Anders als die Mutter: Die hatte vor Gericht ausgesagt, dass sie von allem nichts mitbekommen habe.
Schmitz-Justen sprach von einem merkwürdigen und unterkühlten Auftritt, den die Frau bei der Kammer hinterlassen habe: „Wir haben den Eindruck, dass sie sah, dass ihre finanziellen Möglichkeiten durch eine mögliche Inhaftierung ihres Mannes eingegrenzt werden. Anfangs hat sie auf die Jüngste sogar Druck ausgeübt, dass sie mit den Lügen aufhören soll.“ Erst spät habe die Frau einen Kurswechsel vorgenommen und habe sich mittlerweile um die Scheidung bemüht.
Geradezu bizarr klingt in diesem Zusammenhang das Zusammenleben in dem Haus in Waldbröl. Die Kinder lebten auf ihrer eigenen Etage. Die Mutter, die mit Kochen und Serien gucken ausgelastet gewesen sei, habe ein hausinternes Klingelsystem in jedes Kinderzimmer installiert, mit dem sie die Mädchen für Aufgaben ins Erdgeschoss beorderte. „Wir konnten nicht nachweisen, ob der Angeklagte damit etwas zu tun hatte, aber für ihn war das natürlich günstig, da er während der Übergriffe stets vorgewarnt war“, so der Richter. Ebenfalls eigentlich unfassbar: Aufgrund der autoritären und von Gewalt geprägten Erziehung der Mutter sei der Vater eigentlich die Bezugsperson für alle Kinder gewesen.
Auch bei den beiden älteren Schwestern haben die sexuellen Übergriffe tiefe Spuren hinterlassen. In einem Fall hatte der Mann beide Mädchen sogar zeitgleich missbraucht. Er habe den Mädchen gesagt, dass dies etwas vollkommen Normales sei, „was wir aus vielen Missbrauchsfällen so kennen“, so Schmitz-Justen. Gefügig habe er sie mit Geld, Süßigkeiten, Geschenken oder Alkohol gemacht. Ihnen zudem mit Selbstmord gedroht, sollten sie jemals jemanden etwas erzählen. Aus diesem Grund hätten sich die Kinder auch erst sehr spät untereinander anvertraut.
Die älteren Schwestern nutzen die erste Gelegenheit, das elterliche Haus zu verlassen. Eine der beiden hat eine Borderline-Störung entwickelt. Sie kämpft laut der Kammer mit Selbstmordgedanken und befindet sich inzwischen in einer geschlossenen Einrichtung. „Sie war in einer unvorstellbaren Spirale nach unten“, so Schmitz-Justen. Die Frauen befänden sich in einem „erschütternden Zustand“.
Dass der Angeklagte, der die Urteilsverlesung nahezu regungslos verfolgte, trotzdem mit acht Jahren und drei Monaten davonkam (Höchststrafe 15 Jahre), hatte vor allem mit seinem vollumfänglichen Geständnis zu tun, erklärten die Richter. Dadurch habe er seinen Töchtern detaillierte Aussagen erspart, sagte der Vorsitzende: „Das hat ihm viele Jahre Haft erspart. Wir wollten die Mädchen nicht quälen und haben sie deshalb auch nicht zu den Taten selbst befragt.“ Schmitz-Justen erklärte zudem, dass sich die Kammer nicht sicher sei, ob die jüngste der drei Mädchen dazu überhaupt in der Lage gewesen wäre.
Die Staatsanwaltschaft hatte neun Jahre und drei Monate beantragt, die Verteidigung auf sieben Jahre und sechs Monate plädiert. Verteidigung und Staatsanwaltschaft erklärten Rechtsmittelverzicht. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht, da die Nebenklage noch keine Entscheidung treffen wollte. Der Verteidiger des 47-Jährigen sprach im Anschluss von einem guten Urteil für seinen Mandanten und ergänzte, dass sich der Waldbröler in Haft unverzüglich um eine Therapie bemühen werde.
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