LOKALMIX

Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Zu Risiken und Nebenwirkungen…

ks, lw; 08.03.2022, 16:26 Uhr
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Symbolfoto: Gerd Altmann auf Pixabay
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Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Zu Risiken und Nebenwirkungen…

ks, lw; 08.03.2022, 16:26 Uhr
Oberberg – Umsetzung des Gesetzes naht - Kreis rechnet mit bis zu 2.000 Einzelfallentscheidungen – Arbeitgeber werben weiter für Impfung.

Von Katharina Schmitz und Lars Weber

 

Der 15. März rückt immer näher und damit für Beschäftigte des Gesundheitswesens die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht. Mitarbeiter, die bis dahin keinen entsprechenden Impf- beziehungsweise Genesenennachweis oder ein Attest über das Vorliegen einer Kontraindikation vorlegen, dürfen zwar zunächst in den Einrichtungen tätig bleiben – doch müssen die Arbeitgeber das Gesundheitsamt über fehlende oder gar falsche Nachweise informieren. Damit verbunden sind mögliche Beschäftigungs- oder Zutrittsverbote, die für die Einrichtungen in der ohnehin angespannten Personalsituation folgenreich sein könnten. Zu den Risiken und Nebenwirkungen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hat sich OA umgehört bei Arbeitnehmervertretern, Arbeitgebern, der Agentur für Arbeit und beim Kreis.

 

Das sagen das Klinikum Oberberg und die AWO

 

Im Klinikum Oberberg liege die Impfquote laut Sprecherin Angela Altz derzeit bei 94 Prozent. Den wenigen noch ungeimpften Beschäftigten würden gezielt Gespräche und Beratungen angeboten sowie auf bestehende Impfangebote hingewiesen werden. Für einige Mitarbeiter käme eine Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff Nuvaxovid der Firma Novavax infrage. „Es liegen Anmeldungen vor, um sich damit immunisieren zu lassen“, so Altz.

 

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Auch in den beiden AWO-Seniorenzentren im Kreis erfülle ein Großteil der Mitarbeiter den vollständigen Impfschutz oder Genesenen-Status. Auch hier werden Hoffnungen in das neue Vakzin gesetzt, teilt Eva Kring, Referentin für Öffentlichkeits- und Verbandsarbeit bei der AWO Rhein-Oberberg, mit – auch wenn die Nachfrage noch verhalten gewesen sei. Manche Mitarbeiter hätten sich nach weiteren Informationen von Einrichtungsleitungen und Geschäftsführung aber doch dafür entschieden. „Wir sind zuversichtlich und wünschen uns, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzt“, so Kring.

 

Kündigungen im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht seien weder beim Klinikum Oberberg noch bei der AWO Rhein-Oberberg bekannt. Beide Arbeitgeber erwarteten kurzfristig auch keine negativen Auswirkungen in der Versorgung. „Wenn jedoch für alle betreffenden Mitarbeitenden, auch wenn es sich dabei nur um einen relativ geringen Anteil handelt, gleichzeitig ein Betretungs- und damit ein Beschäftigungsverbot angeordnet würde, würde das eine Herausforderung für den Arbeitsalltag in den Pflegeeinrichtungen bedeuten und wir müssten in diesem Fall kurzfristig Lösungen finden“, so Kring.

 

Das sagt die Gewerkschaft

 

Die Anzahl der im Kreis von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffenen ver.di-Mitglieder schätzt Gewerkschaftssekretär Volker Wenner grob auf 700 bis maximal 1.000 Personen: „Hintergrund ist, dass wir bei unseren Mitgliedern nur den Arbeitgeber erfassen und daher nicht wissen, ob sie in impfpflichtigen Einrichtungen arbeiten.“ Auch über den Impfstatus ihrer Mitglieder habe die ver.di keine Erkenntnisse. Eine Prognose über mögliche Personalausfälle lasse sich damit nicht seriös formulieren. Zwar gäbe es erste Erfahrungswerte von Einrichtungen, die bereits vor der einrichtungsbezogenen Impfpflicht entsprechende Regelungen eingeführt haben, die für eher geringe Auswirkungen sprechen. Dies seien aber nur Einzelfälle gewesen, aus denen kein Trend abzuleiten sei.

 

Betroffene Berufe

 

Der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterliegen laut Landesministerium alle Personen, die in einer der in §20a des Infektionsschutzgesetzes genannten Einrichtungen tätig sind – ungeachtet der Art ihrer Tätigkeit oder ihres Beschäftigungsverhältnisses. Zu den genannten Einrichtungen gehören unter anderem Krankenhäuser und Tageskliniken, Pflegeheime sowie Arztpraxen und Praxen sonstiger Heilberufe. Die Agentur für Arbeit weist in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hin, dass die Impfpflicht also neben dem medizinischen Personal auch beispielsweise Hausmeister, technisches Personal, Gärtner, Putzkräfte, Diätassistenten, Physiotherapeuten, Apotheker oder auch Friseure in den Einrichtungen betrifft.

 

Das sagt der Kreis

 

Das Gesundheitsamt wird unter anderem dafür zuständig sein, Bußgelder und Betretungsverbote auszusprechen. Dazu werden die Einrichtungen aufgefordert sein, dem Kreis die entsprechenden Informationen zu den betroffenen Personen zukommen zu lassen. Zunächst werde es den Hinweis geben, sich impfen zu lassen, dann werden Fristen gesetzt, beschreibt Kreisdirektor Klaus Grootens das Vorgehen.

 

Bei nicht erfolgtem Nachweis werde anschließend über Bußgelder und vor allem Betretungs- und Tätigkeitsverbote entschieden. „Das werden Einzelverfahren sein“, so Kreisdirektor Klaus Grootens. Mitarbeiter und Arbeitgeber dürfen sich dabei einlassen. Vieles soll auf digitalem Weg passieren. Faktoren bei der Entscheidung seien unter anderem die Begründungen der Menschen, warum sie sich gegen eine Impfung entschieden haben, vor allem aber auch ihre Position im Betrieb. Sprich: Wenn die Versorgung in einer Einrichtung entscheidend von dieser Person abhängt, kann das Gesundheitsamt sich auch dazu entscheiden, kein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot (zunächst bis zum Jahresende befristet) auszusprechen.

 

Der Kreis rechnet mit 1.000 bis 2.000 Einzelfallentscheidungen, für die eine eigene Arbeitsgruppe mit Kreismitarbeitern im zweistelligen Umfang eingerichtet wurde. Das Personal muss aus anderen Bereichen abgezogen werden. „Das ist ein gewaltiger Aufwand“, sagt Grootens über die Umsetzung. Ab dem 15. März können Einrichtungen Mitarbeiter melden. Mit direkten Folgen ist aber noch nicht zu rechnen. Bis Mitte Juni werde zunächst gesichtet, so will es das Land. Ob bis dahin auch noch keine Bußgelder verhängt werden, war zum Zeitpunkt des Gesprächs noch unklar.

 

Das sagt die Agentur für Arbeit

 

Tatsächlich sei in den vergangenen Wochen – vor allem im Januar und Februar –im Oberbergischen Kreis eine höhere Zahl von Arbeitssuchenden aus dem Bereich „Gesundheits- und Sozialwesen“ zu verzeichnen, heißt es von der Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach. Allerdings werden die Gründe für die Meldungen nicht statistisch erhoben. Es ist also unklar, ob überhaupt ein Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht besteht. „Viele Betroffene sind gegebenenfalls psychisch oder physisch nicht mehr in der Lage, die Tätigkeit auszuüben." Oder sonstige persönliche Gründe hätten zur Entscheidung geführt. Zusätzlich spielen laut Arbeitsagentur vermutlich auch Aufrufe in den sozialen Netzwerken eine Rolle, sich als eine Art Zeichen oder Protest arbeitssuchend zu melden.

 

Der monatliche Zugang an Stellen im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen habe sich gegenüber 2019 nicht sehr stark verändert. „Auffällig ist eher, dass der Bestand an offenen Stellen in diesem Bereich von Februar 2019 zu Februar 2022 um knapp 34 Prozent zugenommen hat.“ Die ausgeschriebenen Stellen – im Februar waren es in dem Bereich 325 im Kreis - können also nicht im benötigten Umfang besetzt werden. Die Agentur für Arbeit geht davon aus, dass der Arbeitsmarkt weiterhin von einer hohen Nachfrage und einer langen Laufzeit der Stellen geprägt sein wird. „Wie stark der Einfluss der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hieran sein wird, ist schwer einschätzbar. Gemessen an der Gesamt-Branchenentwicklung wird dieser aber wohl eher gering sein.“

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