LOKALMIX

Briefmarken: Geballte Schätze der Lokalgeschichte

ls; 30.05.2024, 10:00 Uhr
Fotos: Leif Schmittgen --- Dr. Gero Karthaus hat viel Spannendes zu berichten.
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Briefmarken: Geballte Schätze der Lokalgeschichte

ls; 30.05.2024, 10:00 Uhr
Engelskirchen – Bürgermeister Dr. Gero Karthaus öffnet für OA seine Briefmarkenalben und gewährt Einblick in ein zeitintensives, aber spannendes Hobby.

Von Leif Schmittgen

 

Es ist nicht der Wert des sogenannten Posthornsatzes, der in den 1950er-Jahren von der damaligen Bundespost als Briefmarkenserie herausgegeben wurde, den Engelskirchens Bürgermeister Dr. Gero Karthaus für das Briefmarkensammeln begeistert. Im Gegenteil. Die Kostbarkeit jener Marken nämlich sei in den vergangenen Jahren erheblich gesunken, weiß der Experte. „Es gibt einfach sehr viele komplette Sätze. Die sind nicht mehr so gefragt “, erklärt Karthaus die einfachen kaufmännischen Regeln von „Angebot und Nachfrage“, die eben auch für das Hobby gelten, das ihn seit seiner Jugend beschäftigt. „Als ich jung war, hatte fast jeder mindestens ein Album mit Briefmarken“, erinnert sich der heute 63-Jährige. „Das Interesse ist stark zurückgegangen“, weiß Karthaus. Heutzutage gibt es in Deutschland schätzungsweise noch ein bis drei Millionen Philatelisten. Karthaus ist einer dieser Liebhaber und öffnet für Oberberg-Aktuell einige seiner Alben.

 

[Fehldrucke steigern oft den Wert einer Serie.]

 

Es sind sowieso nicht die finanziellen Werte, die das Sammeln zu seinem Hobby machen. Etliche Alben prall gefüllt mit Briefmarken beziehungsweise Postwertzeichen nennt Karthaus sein Eigen. Einige Briefe stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, zu jener Zeit würde die Briefmarke gerade erst erfunden. Auf einigen Werken ist deshalb handschriftlich oder gestempelt das bezahlte Porto vermerkt. An einem Exemplar erklärt Karthaus das Prozedere um anno 1850: „Die rote Farbe steht für bezahlte Porto, die Blaue dagegen, dass der Brief unfrei bis zum Empfänger gesendet wird."


Nicht nur das Alter des präsentierten Briefumschlags fasziniert - auch die gehörige Portion Lokalkolorit. Denn sämtlicher Postverkehr in dem vorgestellten Album stammt aus der Region und lässt den Betrachter abseits der Sammlerbegeisterung tief in die lokale Historie eintauchen. Rund 200 Jahre belegbare Ründerother Postgeschichte befindet sich in seinem Fundus. Denn oftmals befinden sich in den Umschlägen auch noch die dazugehörigen Briefe. Schriftverkehr zwischen den Familien Dörrenberg und Krupp belegen die Geschäftsbeziehungen der Stahlproduzenten.

 

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Ein Stempel belegt, dass in Ründeroth einmal eine französische Zollstation existierte, andere, jüngere Dokumente zeigen wiederum die Sammelleidenschaft der Familie Jäger, seinerzeit Inhaber der örtlichen Papierfabrik. „1945 hat jemand aus dem Kreise der Geschäftsführung sogar eigene Marken in Umlauf gebracht“, weiß Karthaus. Warum, das ist allerdings nicht zweifelsfrei geklärt. Hier hat der Sammler aber eine Vermutung. Regionale Briefmarken, die wirklich im Umlauf waren, sind wertvoll. Jedenfalls haben es jene Wertzeichen in den Briefmarkenkatalog geschafft und gelten deswegen als offiziell. „Da kannte sich jemand aus und wollte wohl eine Wertanlage schaffen“, sagt er schmunzelnd.

 

 

Anhand der Stempel kann der Experte unterscheiden, ob es sich um einen „Gefälligkeitsstempel“ des regionalen Postbeamten oder eben um eine reale Entwertung handelt. Briefe wurden beispielsweise oftmals erst in Zügen während des Transports entwertet, dann ist der Umlauf bewiesen. „Der Mythos, dass eine ungestempelte Marke zwangsläufig wertvoller ist, stimmt also nicht pauschal“, so Karthaus. Wertsteigernd sind auch Fehldrucke, auf denen Buchstaben fehlen, weil die Tinte ausgegangen war. Serien, bei denen wegen eines Defekts Marken auf dem Kopf stehen, oder ein fehlender Zacken am Rand lassen die Papiere schnell im Wert steigen. Beispiele präsentiert Karthaus prompt.

 

 

Der Bürgermeister gibt auf Anfrage auch gerne Expertisen, musste dabei aber schon manche Menschen enttäuschen, die sich zum Beispiel durch eine DDR-Markensammlung Reichtümer erhofft hatten. Er ist selbst schon Fälschungen aufgesessen. „Alles, was im Internet angeboten wird, bedarf besonderer Überprüfung“, weiß Karthaus. Meist verlässt er sich auf die Angebote der Auktionshäuser. Dort gebe es eine Echtheitsgarantie, auch wenn die Preise meist höher als auf Kleinanzeigenportalen sind.

 

 

Bis in die Gegenwart reicht die Sammelleidenschaft des Bürgermeisters, nach 1960 allerdings sinke der Geldwert. Ideelle Schätze wie den Poststempel des „Christkind-Postamts“ in seiner Heimatgemeinde sammelt er akribisch. Zu seinen wertvollsten Schätzen gehören Exemplare aus der Zeit von 1871 (Gründung des Deutschen Reiches) bis etwa 1875. „Damals hat das noch niemand als Wertanlage gesehen“, berichtet er von nur sehr wenigen erhaltenen Exemplaren aus dieser Epoche.

 

Der promovierte Biologe und Politiker begründet sein Hobby mit drei Charaktereigenschaften. Er ist begeisterter Heimatkundler, liebt die Natur und schwärmt für Bücher, die es auch zwecks der Expertisen zu wälzen gilt. Und der Faktor Zeit? Der spielt eine große Rolle bei diesem aufwendigen Hobby. „Oftmals sitze ich abends noch ein bis zwei Stunden vor meinen Alben“, berichtet Karthaus. Mehr Raum bleibe ihm nicht. Nach dem Ende seiner Berufstätigkeit im kommenden Jahr (Karthaus tritt nicht zur Wiederwahl als Bürgermeister an) wird er sich verstärkt seinen Briefmarken widmen.

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