POLITIK

Prinzip Hoffnung: Nur eine Gesetzesreform kann Bergneustadt vor dem HSK bewahren

pn; 30.11.2023, 14:25 Uhr
Fotos: Michael Kleinjung ---- Bürgermeister Matthias Thul (li.) und sein Kämmerer Bernd Knabe hatte keine guten Nachrichten für Bergneustadts Politik.
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Prinzip Hoffnung: Nur eine Gesetzesreform kann Bergneustadt vor dem HSK bewahren

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pn; 30.11.2023, 14:25 Uhr
Bergneustadt – Haushaltseinbringung im Stadtrat – Trotz einer geplanten Steuererhöhung klafft im Haushaltsplanentwurf ein 3,66 Millionen Euro großes Loch – Rückfall ins Haushaltssicherungskonzept droht.

Von Peter Notbohm

 

Für seine letzte Haushaltseinbringung hatte sich Bergneustadts Kämmerer Bernd Knabe positivere Zahlen gewünscht, die Finanzen der Stadt Bergneustadt bewegen sich für das Haushaltsjahr 2024 aber auf noch dünnerem Eis als schon in diesem Jahr. Der Rückfall in das Haushaltssicherungskonzept droht immer wahrscheinlicher zu werden. Erneut sprach Knabe von einem „nicht genehmigungsfähigen“ Planentwurf. Spätestens 2027 erwartet der Kämmerer, dass die Stadtkasse in den rechtswidrigen Eigenkapitalverzehr rutscht, wenn nicht gegengesteuert wird.

 

Bergneustadts einzige Hoffnung: Die von NRW-Ministerin Ina Scharrenbach geplante Änderung des Haushaltsrechtes in der Gemeindeordnung für Ende Februar 2024. „Gepaart mit notwendigen eigenen Anstrengungen mag es damit gelingen, meinen letzten Haushalt noch einmal in ein genehmigungsfähiges Korsett zu zwingen“, so Knabe. Am Weg der Haushaltskonsolidierung führt aus seiner Sicht kein Weg vorbei. Spielraum für weitere Aufwendungen sei dabei nicht vorhanden.

 

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Auch Bergneustadts Bürgermeister Matthias Thul (Foto) bereiten die Zahlen Sorgen: „Wir werden bei vielen Projekten die Standards senken müssen. So viele Standards können wir aber eigentlich gar nicht mehr abbauen.“ Er appellierte vor allem an Bund und Land, endlich eine Einigung im Umgang mit der Altschuldenübernahme zu finden: „Sie ist längst überfällig.“ Das grundgesetzlich geschützte Selbstverwaltungsrecht sei längst nicht mehr gegeben. Auch die Wohngeld-Novelle des Bundesregierung und der vom Land nahezu nicht refinanzierte Ganztagsausbau der Grundschulen seien Gründe für die dramatische finanzielle Situation. „Wir bauen hier für einen Bedarf aus, den wir nicht haben. Benötigen Personal bei den Trägern, das es nicht gibt, und brauchen dafür Kredite, die wir uns nicht leisten können!“

 

Wütend machen das Stadtoberhaupt zudem Fake-News in den Sozialen Medien, wonach die Stadt Rekordgewinne einfahre und diese nicht im Rahmen von Grundsteuersenkungen an die Bürger weitergeben würde. Vielmehr habe man erwirtschaftete Überschüsse zunächst einmal dafür verwenden müssen, negatives Eigenkapital auszugleichen und im Anschluss mühsam eine allgemeine Rücklage aufzubauen. Diese wird im Übrigen nach den aktuellen Zahlen spätestens 2025 wieder aufgezehrt sein.

 

Ein Defizit von 3,66 Millionen Euro weist das fast 360 Seiten starke Zahlenwerk aus. Dieses wird durch die Allgemeine Ausgleichsrücklage aufgefangen. Die Regelungen des Corona-Isolierungsgesetzes finden in diesem Jahr keine Anwendung mehr, sodass der Bilanzierungstrick der vergangenen Jahre, der auch die Folgen des Ukraine-Krieges für die Kommunen abgefedert hatte, nicht mehr angewandt werden kann. Einkalkulierten Aufwendungen von 57,95 Millionen Euro stehen für 2024 eingeplante Einnahmen von 54,3 Millionen Euro in der Stadtkasse gegenüber. Damit bewahrheiten sich die düsteren Zahlen, die seit Wochen bereits in Bergneustadts Politik herumgeisterten.

 

Um überhaupt auf diese Zahlen zu kommen, plant Knabe (Foto) damit, den Grundsteuer-B-Hebesatz wieder auf sein altes Niveau von 959 Prozentpunkten anzuheben. Die Stadt hätte hierdurch Mehreinnahmen in Höhe von 400.000 Euro. Eigentlich sollte die Politik bereits am Mittwochabend darüber entscheiden, der Beschluss wurde auf Antrag der SPD aber mehrheitlich (1 Gegenstimme und 1 Enthaltung der Grünen) auf einen späteren Zeitpunkt, vermutlich eine Sondersitzung im Januar, verschoben. „Ohne Beratungen in den Ausschüssen wäre das sonst ein Freifahrtschein für Steuererhöhungen“, sagte Daniel Grütz (SPD). Unangetastet bleiben soll der Hebesatz der Grundsteuer A (370 Prozent). Ebenfalls unverändert: Der Hebesatz zur Gewerbesteuer mit 475 Prozent.

 

Besonders teuer werden für Bergneustadt die letzten Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst: Gegenüber 2023 plant Knabe mit Mehrausgaben in Höhe von 735.000 Euro auf 7,8 Millionen Euro – ein Plus von rund elf Prozent. Während der Versorgungsaufwand nahezu unverändert bleibt, steht bei den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen nach der Energiepreisexplosion im vergangenen Jahr die nächste Teuerung an: Zwar sind die Kosten für Gas und Strom um 400.000 Euro niedriger angesetzt, die allgemeine Kostenentwicklung sorgt dennoch dafür, dass der Kämmerer mit einer Steigerung um 400.000 Euro auf 12,2 Millionen Euro rechnet. Wenig verwunderlich: Größter Kostenfaktor bleibt die Kreisumlage, auch wenn diese aufgrund der Jugendamtsumlage 2021 sogar um 370.000 Euro auf 22,3 Millionen Euro sinkt. Mittelfristig erwartet man in Bergneustadt aber die „gewohnt hohen Anstiege“.

 

Das geplante Investitionsvolumen liegt für 2024 bei 16,6 Millionen Euro. Hierfür müssen Kredite in Höhe von 9,7 Millionen Euro aufgenommen werden. Für den Feuerschutz sind 1,2 Millionen Euro notwendig. Durch den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab dem Schuljahr 2026/27 sind an den Standorten Hackenberg und Wiedenest rund 9,3 Millionen Euro fällig, wovon im kommenden Jahr 835.000 Euro eingeplant sind. Fördergelder für beide Projekte wird es nur in Höhe von 800.000 Euro geben. „Hier zahlt nicht derjenige die Musik, der sie bestellt“, kommentierte Thul diese Zahlen. Weitere 530.000 Euro sind für Ersatz- und Ergänzungsanschaffungen bei der digitalen Medienausstattung der Schulen vorgesehen.

 

[Auf Bergneustadts Politik kommt eine anspruchsvolle Haushaltsdebatte zu.]

 

Die Fortsetzung des ISEK Altstadt/Innenstadt ist mit 4 Millionen Euro veranschlagt. Teuer werden auch die Kanalsanierungen im Stadtgebiet. Allein 1,5 der 3,7 Millionen Euro entfallen auf den Ortsteil Dreiort. Noch nicht im Haushaltsentwurf enthalten sind die Kosten für den Bau eines Übergangsheims mit 62 Plätzen auf dem Areal der inzwischen abgerissenen Obdachlosenunterkunft Silberg. Hier werden die Planungskosten erst 2027 mit 160.000 Euro veranschlagt.
 

Kämmerer Knabe blickt pessimistisch in die Zukunft: „Die zum Ausgleich des verbleibenden Defizits notwendige Entnahme aus der Allgemeinen Rücklage wäre aktuell so hoch, dass eine Genehmigungsfähigkeit nicht mehr vorliegt." Verabschiedet werden soll der Haushalt eigentlich am 31. Januar. Dieser Termin wird aber wohl nicht zu halten sein. In Bergneustadt wird man den Beschluss des NRW-Landtages abwarten müssen.

 

Eckdaten des Haushalts

 

Erträge (In Klammern: Vergleich zum Vorjahr)

 

Insgesamt: 54.297.426 Euro

 

Darin unter anderem enthalten:

 

Gewerbesteuer: 8.000.000 Euro (+200.000 Euro)
Grundsteuern: 5.754.310 Euro (+393.850 Euro)

Gemeindeanteil an der Einkommensteuer: 8.068.200 Euro (-619.700 Euro)

Zuweisungen des Landes: 12.536.000 Euro (+115.000 Euro)

Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer: 1.302.030 Euro (-59.070 Euro)

 

Aufwendungen

 

Insgesamt: 57.953.235 Euro

 

Darin unter anderem enthalten:

 

Kreisumlage: 22.297.800 Euro (-368.090 Euro)

Personal- und Versorgung: 9.243.080 Euro (+739.820 Euro)

Gewerbesteuerumlage: 589.000 Euro (+14.000 Euro)

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