POLITIK

"An vielen Orten bröckelt der Putz"

lw; 04.05.2022, 06:00 Uhr
Fotos Kandidat: Isabella Thiel (Titel) und Nicholas Hellmann; Foto Plenarssaal Düsseldorf: Landtag NRW/Bernd Schälte; Foto Wahlplakat: Lars Weber.
POLITIK

"An vielen Orten bröckelt der Putz"

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lw; 04.05.2022, 06:00 Uhr
Oberberg - Die Landtagskandidaten für den Wahlkreis 23 stellen sich den Fragen von Oberberg-Aktuell - Heute: Thorben Peping von der SPD.

Warum kandidieren Sie für den Landtag?

Ich kandidiere am 15. Mai für den Landtag, weil ich Politik einer anderen Generation machen will. Das bedeutet für mich, transparenter zu arbeiten und langfristiger zu denken. In der Bildung, bei der Unterstützung der Kommunen und im Klimaschutz habe ich konkrete Ziele, von denen ich in fünf Jahren sagen möchte, dass wir sie erreicht haben. Als Landtagsabgeordneter sehe ich meine Aufgabe darin, die Probleme der Oberberger*innen wirklich anzupacken und nicht nur der Überbringer von Fördergeldern zu sein.

 

Welches politische Ziel ist Ihnen das Wichtigste?

Mein wichtigstes Ziel es, dass unser Schulsystem aus Sicht der Kinder verbessert wird. Es muss Kindern die Möglichkeit bieten, sich auszuprobieren und sie dabei auffangen, wenn sie Hilfe brauchen. Auf der anderen Seite muss die Schule als Sprungbrett dienen, dass Talente fördert und mehr Chancengerechtigkeit ermöglicht. Morgens stehen Kinder allerdings oft überlasteten Lehrkräften gegenüber und müssen ausgefallenen Unterricht eigenständig kompensieren. Um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken, müssen wir den Beruf attraktiver machen. Deswegen setze ich mich für mehr Lehramtsstudienplätze und eine gerechtere Bezahlung der Lehrkräfte an allen Schulformen ein. Die Auswirkung der Pandemie und die schrecklichen Kriegsbilder aus der Ukraine werden von Kindern auch in der Schule verarbeitet. Umso wichtiger ist es, dass Lehrkräfte durch mehr Sozialarbeiter*innen unterstützt werden.

 

Zur Person

Alter: 23
Wohnort: Lindlar
Familienstand: ledig
Beruf: Student (Politikwissenschaften & Soziologie)
Hobbys: Lesen, Podcasts, Bouldern und jede Art Ballsport

Bisheriger politischer Werdegang: 2015 Eintritt in die SPD im Alter von 16 Jahren, seit 2020 Vorsitzender der Jusos Oberberg, seit 2020 im Lindlarer Gemeinderat, seit 2021 als sachkundiger Bürger im Jugendhilfeausschuss des Oberbergischen Kreises

Vereinszugehörigkeiten: ver.di, WWF

Mein Lieblingsplatz im Wahlkreis: Der Freiluftaltar in Ommerborn und die Bevertalsperre

 

Welches Thema wurde in den vergangenen fünf Jahren am meisten vernachlässigt?

Die Bildungspolitik der vergangenen Jahre hat unsere Berufsschulen und das Thema Ausbildung sträflich vernachlässigt. Azubis sind die Fachkräfte der Industrie von morgen. In der Pflege fehlt Nachwuchs und der Personalmangel sorgt für untragbare Arbeitsbedingungen. Der Azubimangel im Handwerk lässt Infrastrukturprojekte anstauen. So lange junge Menschen den Satz „Ich mache nur eine Ausbildung“ sagen, werden wir diese Probleme nicht in den Griff bekommen. Eine Ausbildung muss die gleichen Aufstiegschancen wie ein Studium bieten, die Modernisierung von Berufsschulen muss Priorität haben und jeder muss sich Weiterbildungsangebote leisten können. Deswegen braucht es eine neue Landesregierung, die Azubis und Studierende wirklich gleichbehandelt: beim Wohnraum, im ÖPNV und bei der beruflichen Weiterbildung.

 

Die Pandemie hat alle Lebensbereiche getroffen: Wer braucht nun am meisten Hilfe und wie kann das Land unterstützen?

Zwei Jahre Pandemie haben jeden belastet. Am schlimmsten hat es aber diejenigen getroffen, die vorher schon in benachteiligen Lebenssituationen steckten: Familien, die auf zu engem Raum leben. Kinder, die zu Hause nicht ausreichend gefördert werden. Prekär Beschäftigte, die kein Kurzarbeitergeld erhielten und deren Branchen am Abgrund stehen. Obdachlose und Langzeitarbeitslose, die endgültig aus der Gesellschaft verdrängt wurden. Gesundheitlich Vorbelastete, die sich besonders schützen mussten und für die das Gesundheitssystem keine Zeit mehr hatte. Opfer von häuslicher Gewalt, die keine Möglichkeit zur Flucht hatten. Das ist nur eine unvollständige Aufzählung. Sie alle haben einen sozialen Neustart in NRW verdient: Mit einem sozialen Arbeits- und Wohnungsmarkt. Mit einem Schulsystem, das alle Kinder auffängt und einem Gesundheitssystem, das den Menschen und nicht dem Profit dient.

 

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Hilfe suchen auch viele Menschen aus der Ukraine bei uns: Was muss das Land tun, damit die Menschen in den Kommunen gut aufgenommen und integriert werden?

Die Geflüchteten aus der Ukraine werden in Oberberg bereits mit offenen Armen empfangen und von vielen Menschen ehrenamtlich integriert. Die Aufgabe der Politik muss es sein, dafür zu sorgen, dass es vor Ort nicht an Geld fehlt und alle schnell Zugang zu guten Deutschkursen bekommen. Unter den Geflüchteten sind viele Kinder und deswegen muss das Land NRW die Kommunen bei den Schulen entlasten. Wir brauchen jetzt unverzüglich genug Räume und Lehrkräfte, um alle Kinder aufnehmen und integrieren zu können. Uns erreichen jeden Tag die Bilder, welche zeigen, dass Putins Streitkräfte oft nur verbrannte Erde und Trümmer zurücklassen. Wir können deswegen von niemandem, der nach Deutschland geflüchtet ist erwarten, dass er schnell in sein Heimatland zurückkehren wird. Bund, Land und die Kommunen haben deswegen auch die Aufgabe, allen Geflüchteten zu ermöglichen, bei uns Arbeit zu finden.

 

Was muss im Wahlkreis geschehen, um die Energiewende voranzutreiben?

Um die Energiewende zu meistern, müssen wir uns daran gewöhnen, dass Energieinfrastruktur überall sichtbar sein wird: Windkraftanlagen, Photovoltaik, Energiespeicher und Ladestationen. Das Gelingen der Energiewende steht und fällt mit der Transformation unserer Energieerzeugung. Deswegen müssen wir Tempo machen und Hindernisse für den Ausbau beseitigen. Die starren Abstandsregeln für Windkraftanlagen müssen fallen und dürfen nicht auf die Kommunen abgewälzt werden. Stattdessen braucht es systematische Bürgerbeteiligung und betroffene Anwohner*innen müssen von den Gewinnen der Anlagen finanziell profitieren. Energieeffizientes Bauen muss zum Standard gemacht werden und das bedeutet unter anderem eine Photovoltaikpflicht für alle gewerblichen Neubauten. Bei Wohngebäuden muss auch jedes brauchbare Dach genutzt werden. Entweder durch eine Förderung der Anschaffung oder durch Mietstrommodelle.

 

Was wollen Sie uns damit sagen?

 

Wir wissen alle, dass die ersten Lebensjahre entscheidend dafür sind, welche Chancen ein Kind später hat. Deswegen möchte ich die Kita als Bildungsstandort stärken. Um die Finanzierung zu verbessern, wollen wir weg von den Pauschalen pro Kind und alle Kitas mit einer ausreichenden Grundfinanzierung ausstatten. Damit die Kinder im Mittelpunkt stehen, braucht es mehr Erzieher*innen. Deshalb wollen wir den Beruf und die Ausbildung mit konkreten Maßnahmen attraktiver machen. Die Arbeit mit den Kindern soll Vorrang vor Verwaltungsaufgaben haben und deswegen wollen wir mehr „Kita-Kaufleute“ einstellen, die diese Arbeiten übernehmen. Wir müssen Ausbildungsberufe genauso beliebt wie ein Studium machen: Mit einem günstigeren Azubi-Ticket und Azubi-Wohnheimen. Außerdem wollen wir den ländlichen Raum mit mehr näheren Berufsschulstandorten unterstützen, damit Azubis kurze Wege haben.

 

Wie kann das Leben im ländlichen Raum gestärkt werden?

In Oberberg kann man gut leben, aber ich kämpfe dafür, dass es noch besser wird. Heute sind die Wege zur nächsten Arztpraxis länger als noch vor 20 Jahren. Damit das besser wird, fordere ich eine Ausweitung der Landarztprogramme. Außerdem setze mich dafür ein, dass keine Krankenhäuser geschlossen werden. Bei den zahlreichen abgelegenen Ortschaften im Bergischen Land wird das Auto auch in Zukunft unentbehrlich sein. In einem Gesamtkonzept für NRW muss mehr Güterverkehr auf die Schienen verlegt werden. Das macht sich auch bei uns bemerkbar, wenn die Staus auf den Autobahnen kürzer werden. Ich setze mich aber dafür ein, dass der ÖPNV auf dem Land attraktiver wird. Dazu muss die Landesregierung genug Geld bereitstellen, um alte Bus- und Bahnstrecken zu reaktivieren und elektrifizieren. Damit der ÖPNV mehr genutzt wird, möchte ich allen Schüler*innen ein kostenloses Ticket verschaffen.

 

Welches Wahlkreisthema möchten Sie in Düsseldorf nach vorne bringen?

Ein Problem, das alle oberbergischen Kommunen eint, sind die maroden Kommunalfinanzen. An vielen Orten bröckelt der Putz oder es muss bei Spielplätzen und Freizeitmöglichkeiten gespart werden. Als Landtagsabgeordneter in Düsseldorf möchte ich mich dafür einsetzen, dass sich das ändert. Zurzeit können sich die Städte und Gemeinden keine großen Investitionen leisten. Für jedes Projekt braucht es ein passendes Förderprogramm, welches den Kommunen Freiheiten nimmt und vor bürokratische Hürden stellt. Ich möchte dafür sorgen, dass den Kommunen mehr vertraut wird. Deswegen setze ich mich dafür ein, dass die Gemeindefinanzierung in NRW neu geordnet wird und den Kommunen mehr Geld zur eigenen Verfügung bereitgestellt wird.

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