WIEHL
Desinfektionsmittel statt Fassbier
Wiehl – Bei der Erzquell Brauerei liegt die Fassabfüllung brach, Umsatzrückgang von 40 Prozent - In Kooperation möchte man Apotheken und Arztpraxen unter die Arme greifen.
Von Leif Schmittgen
Tina Haas, Mitglied der Geschäftsführung der Erzquell Brauerei, ist bis zum heutigen Tag stolz auf die neue Fass-Abfüllanlage, die erst im Februar in Betrieb genommen wurde (OA berichtete). „Leider hat sie aber noch nicht viel Bier gesehen“, bedauert sie. Denn das Geschäft mit der Fassabfüllung tendiert derzeit gen Null. Gastronomen kämpfen um die Existenz, die Getränkelieferungen bleiben aus. Auch im Großhandel gibt es keine Abnehmer für Fassbier. Normalerweise findet diese Abfüllung einmal pro Woche statt. „Der Produktionstag wurde ersatzlos gestrichen“, berichtet die Juniorchefin. Normalerweise macht dieser Bereich 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus.
Stattdessen konzentriert man sich in Bielstein auf die Befüllung von Flaschenbier. Hier verzeichnet das Unternehmen in den vergangenen Wochen eine deutliche Steigerung der Abnehmer. „Zum einen ist das auf die geschlossene Gastronomie zurückzuführen. Ich habe aber auch den Eindruck, dass die Kundschaft in Krisenzeiten vermehrt regionale Produkte kauft“, vermutet Haas. Auch deswegen läuft die Produktion personell im Normalbetrieb weiter. Eng werden könnte es allerdings beim Leergut: Da viele Flaschen im Umlauf sind, bittet Tina Haas die Verbraucher, keine leeren Kisten zu Hause zu horten, sondern diese direkt nach dem Verzehr des Bieres wieder abzugeben.
Auch wenn die Fassabfüllung brachliegt, ist in der Produktion das gesamte Personal im Tagesbetrieb zugegen. „Der Schichtplan wurde nur leicht angepasst, sodass wir immer eine Ersatzmannschaft in der Hinterhand haben“, berichtet Haas. Kurzarbeit hat man laut Haas nur in einigen Abteilungen wie dem Vertrieb angezeigt. Das Wichtigste für Haas: „Alle sind gesund." Dass bisher keine coronabedingten Ausfälle zu beklagen sind, sei vermutlich auf die umfangreichen Präventionsmaßnahmen, die man bereits vor Wochen eingeführt hatte, zurückzuführen. „Wir arbeiten sowieso mit Desinfektionsmitteln im Betrieb. Deswegen hatten wir keine Probleme, die Standards entsprechend anzupassen“, beschreibt die Geschäftsführerin nur eine der eingeleiteten Maßnahmen in der Brauerei. Der Abstand von mindestens anderthalb Metern kann problemlos eingehalten werden.
Beim Thema Sauberkeit geht man jetzt sogar in die Offensive: Völlig selbstlos ist man bei der Erzquell-Brauerei in die Eigenproduktion von Desinfektionsmitteln eingestiegen. „Mit unserer Anlage schaffen wir einen Alkoholgehalt von ungefähr 50 Prozent“, berichtet Tina Haas. Um ein wirksames Mittel - das vorrangig an Apotheken und Arztpraxen im Oberbergischen ausgegeben werden soll - herzustellen, braucht man allerdings mindestens 80-prozentiges Ethanol. „Wir suchen weitere Kooperationspartner, die unser Produkt weiterverarbeiten“, sagt Haas. Verdienen möchte man daran nicht, die Herstellung soll der Unterstützung der Region bei zu der erwartenden Knappheit mit Desinfektionsmitteln dienen.
Wie es betriebsinternintern weitergeht, vermag die Geschäftsführerin nicht zu sagen. Von der vom Land NRW in Aussicht gestellten Stundung der Biersteuer möchte man bei der Erzquell-Brauerei derzeit noch keinen Gebrauch machen. Umsatzrückgänge erwartet Haas aber auch wegen der nahezu komplett ausgefallenen Fest- und Veranstaltungssaison. Um gebeutelte Gastronomen zu unterstützen, hat man deren Serviceangebote auf einer Webseite gebündelt.
KOMMENTARE
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Hoffentlich wirkt sich diese gute Aktion auch auf die dortige Kurzarbeit, zurück zur Vollbeschäftigung, aus ...!?
Ein Mitarbeiter, 07.04.2020, 15:21 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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