BERGNEUSTADT

Absage an Bergneustädter Steuerpläne: Jetzt doch das differenzierte Modell

pn; 05.12.2024, 12:10 Uhr
Symbolfoto: Jakub Zerdzicki auf Pexels
BERGNEUSTADT

Absage an Bergneustädter Steuerpläne: Jetzt doch das differenzierte Modell

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pn; 05.12.2024, 12:10 Uhr
Bergneustadt - Nachdem FDP und FWGB in der Ratsssitzung überraschend das Lager wechseln, gibt es in geheimer Abstimmung dann auch noch Abweichler - Bürgermeister Matthias Thul rechnet mit Klagen.

Von Peter Notbohm

 

Das hatte sich nicht angedeutet: Bergneustadts Politik hat sich am Mittwochabend überraschend gegen die Steuerpläne von Bürgermeister Matthias Thul und seiner Kämmerei entschieden. In geheimer Abstimmung stimmten 14 Stadtverordnete für eine einheitliche Hebesatzung mit 1.248 Prozentpunkten bei der Grundsteuer B, 18 Ratsmitglieder sprachen sich dagegen aus. Für Bergneustadt bedeutet das, dass man nun doch differenzierte Hebesätze anwenden wird, um Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern zu entlasten.

 

In der vorangegangenen Debatte hatten überraschend FDP und FWGB erklärt, nun doch für differenzierte Hebesätze zu stimmen. Vertreter beider Parteien hatten in den Ausschüssen bislang das Gegenteil erklärt (OA berichtete). Nur Thul, die CDU und die Grünen bekundeten im Vorfeld, für eine einheitliche Hebesatzung stimmen zu wollen, da eine zu große Rechtsunsicherheit bestehe, ob die Differenzierung durch das NRW-Landesgesetz auch verfassungskonform ist. In der geheimen Wahl (auf Antrag der UWG und die erste der gesamten Legislaturperiode) muss es allerdings Abweichler gegeben haben: CDU, Grüne und der Bürgermeister hätten zusammen 16 Stimmen gehabt. Bei einem Patt hätte der Antrag allerdings auch als abgelehnt gegolten.

 

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Im Anschluss beschloss Bergneustadts Politik zwei neue Hebesatzungen. Der Grund: Sollte es zu Klagen kommen, wird nur die Grundsteuer B-Satzung angegriffen und die Stadt kann zumindest auf die Einnahmen aus Grundsteuer A und Gewerbesteuer zurückgreifen. Die beiden Steuersätze bleiben mit 370 Prozentpunkten (Grundsteuer A) und 475 Prozentpunkten (Gewerbesteuer) unverändert zum Vorjahr.

 

Für die differenzierte Hebesatzung schlug die Verwaltung einen Hebesatz von 1.050 Prozentpunkten für Wohngrundstücke und 2.000 Prozentpunkten für Nicht-Wohngrundstücke vor. Das ist für die Stadtkasse aufkommensneutral. Die Einnahmen aus der Grundsteuer B bleiben damit weiterhin bei 5,7 Millionen Euro, es kommt nur zu Verschiebungen, von denen vor allem Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern profitieren.

 

Aber auch für Mieter wird sich das bemerkbar machen: Sie waren ohnehin schon ein Gewinner der Grundsteuerreform. Eigentümer von Mehrfamilienhäusern müssen nun noch weniger zahlen, was sich zum Ende des Jahres auch bei Mietern in der Nebenkostenrechnung bemerkbar machen wird. Thul sprach hinsichtlich der Spreizung der beiden Hebesätze von der „maximal möglichen Privilegierung von Ein- und Zweifamilienhausbesitzern“. Die erste Satzung wurde einstimmig beschlossen, die Grundsteuer B-Satzung wurde in namentlicher Abstimmung (auf Antrag der CDU) mehrheitlich bei 13 Gegenstimmen von CDU und Bürgermeister verabschiedet.

 

Zuvor hatten die Stadtverordneten fast zwei Stunden über das Für und Wider der differenzierten Hebesätze diskutiert. Thul eröffnete den Tagesordnungspunkt mit den Worten, dass es sich um eine „anspruchsvolle und juristisch komplizierte Angelegenheit“ handle, für die man sich bewusst Zeit nehmen wolle. Auf Nachfrage der SPD betonte er nochmals das Rechtsrisiko, das man im Rathaus sehe: „Wer mit aufschiebender Wirkung klagt, wird zunächst nicht zahlen müssen. […] Es werden Klagen kommen!“

 

Genaue Zahlen, wie viele Menschen von der Mehrbelastung betroffen sind, konnte das Rathaus nicht nennen. „Aber meiner Einschätzung nach werden 30 bis 40 Prozent davon eine Klage in Erwägung ziehen“, so das Stadtoberhaupt. Gleichzeitig warnte er, dass im Falle einer juristischen Niederlage die Verluste spätestens 2026 durch noch massivere Steuererhöhungen wieder reingeholt werden müssten.

 

Daniel Grütz (SPD) warb dafür, dass Wohnen bezahlbar bleiben müsse: „Sozialpolitisch wird den Menschen erzählt, dass sie bauen sollen. Einheitliche Hebesätze hätten eine ungerechte Verteilwirkung, die wir verhindern müssen.“ Christian Hoene (FDP) sprach davon, dass sich seine Partei immer für die geringere Belastung für den Bürger eingesetzt habe und auch die Wohnkosten-Verbändeallianz (Bund der Steuerzahler NRW, Deutscher Mieterbund NRW, Haus & Grund NRW und Verband Wohneigentum NRW) für eine Differenzierung appelliere: „Nicht gut gemach,t hat die Landesregierung dieses Gesetz. Wir sind die Dummen, die eine Entscheidung treffen müssen, die ein erhebliches Geschmäckle hat.“

 

Jens-Holger Pütz (UWG) sprach ebenfalls von einem Totalversagen der großen Politik und warf der CDU vor, ihr Wahlversprechen von Steuersenkungen zu brechen: „Wir sehen das Klagerisiko gering und sollten zocken. Bei der Wahl zwischen Pest und Cholera wählen wir das kleinere Übel.“ Mehmet Pektas (FWGB) sagte, dass ihm die aktualisierten Zahlen aus dem Rathaus wehgetan hätten, weil „man sieht, dass die Umverteilungsbemühungen der Landesregierung, sich total positiv auf Geschäftsgrundstücke aufschlagen“.

 

Deutliche Worte fand Reinhard Schulte (CDU). Der Rat beschließe aus gutem Grund nur die Hebesätze und bringe den Haushalt später ein: „Wir werden ins Haushaltssicherungskonzept rutschen, weil wir kein Gramm Fett mehr auf den Knochen haben.“ Auch seine Partei wolle das Wohnen privilegieren, „aber wir können das daraus resultierende Risiko nicht tragen.“ Axel Krieger (Grüne) bezeichnete sich selbst als risikofreudig, „aber ich kann nicht von mir auf 19.000 Bürger schließen“. Die gesamte Grundsteuerdiskussion sei aus seiner Sicht weder vom Gesetzgeber noch vom Bundesverfassungsgericht geklärt worden.

 

Im Rathaus wird man mit der Entscheidung nun arbeiten müssen. Ob eine Klagewelle auf die Verwaltung zurollt, werden erst die kommenden Monate zeigen.

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