BERGNEUSTADT
Dem Bürgermeister auf die Finger geklopft
Bergneustadt – Die Ratsvertreter rügten gestern Abend das Verhalten von Wilfried Holberg, wegen versäumter Fristen bei der Abrechnung von Straßenbeiträgen und forderten weitere Konsequenzen – Abwahl scheint vom Tisch zu sein.
Von Leif Schmittgen
Die versäumte Frist bei der Abrechnung der Straßenbaubeiträge an der Wiedeneststraße hat in den vergangenen Wochen für erhitzte Gemüter in der Bergneustädter Politik und Bürgerschaft gesorgt. Dementsprechend voll war es gestern auch im Zuschauerraum des Krawinkelsaals. Letztlich rügten die Ratsmitglieder mehrheitlich das Verhalten von Bürgermeister Wilfried Holberg, im Zusammenhang mit der fristgerechten Abrechnung der Beiträge. Dabei ärgerte man sich, dass trotz frühen Hinweises von Seiten des Rechnungs- und Prüfungsausschusses im Jahr 2017 nichts unternommen wurde, den Fehler rechtzeitig auszubügeln.
Der Verantwortliche in diesem Fall: Wilfried Holberg. Die Fraktionen, ausgenommen die UWG, hatten sich auf einen gemeinsamen Antrag - der von CDU-Fraktionschef Reinhard Schulte (Foto) vorgetragen wurde - geeinigt, in dem nicht der Fehler im Kern bemängelt wurde, sondern der Umgang mit dem Problem an sich. In dem Antrag wird unter anderem der Personalmangel bei der Stadt, zu wenige Mitarbeiter-Fortbildungen, fehlende Fristenbücher und mangelnde Transparenz der Verwaltung bei Nachfragen aus der Politik aufgeführt. Bei letzterem geht es konkret um juristische Gutachten, die zwar inhaltlich vom Stadtoberhaupt vorgetragen - aber aus Sicht der Politik eben nicht, wie gefordert, im Original weitergereicht wurden. Aufgrund dessen wurde die damalige Antwort der Verwaltung von den Fraktionen als „falsch“ bewertet.
Doch welche Folgen hat die gestern Abend nun auch offiziell ausgesprochene Rüge für den Bürgermeister? Rechtlich keine - und das war für Jens-Holger Pütz von der UWG offensichtlich zu wenig. „Mehr als Du, Du, Du! Mach das nicht nochmal“, käme bei der Rüge sowieso nicht heraus, begründete der Fraktionschef die Enthaltung seiner Partei bei dem Antrag und meinte Holberg hätte sofort nach Bekanntwerden seinen Rücktritt erklären sollen. Thomas Stamm (SPD) unterstütze zwar den gemeinsamen Antrag, merkte aber an, dass es immerhin um 750.000 € gehe. Dass diese Summe auf 50 Jahre im städtischen Haushalt verteilt werde, sei lediglich eine „Verniedlichung“ des Problems. FDP (Christian Hoene) und Grüne (Axel Krieger) forderten ebenfalls weitergehende Konsequenzen beim Personal des Rathauses, entsprechende Stellen müssten „kompetent“ besetzt werden.
[Wilfried Holberg hatte ausführlich Stellung zu den Anschuldigungen genommen.]
Unabhängig davon behielten sich alle Partien die Einleitung eines Abwahlverfahrens als nächsten Schritt vor, sollte das derzeit gestörte Vertrauensverhältnis zum Bürgermeister sich nicht schnell bessern. Das könne laut Antrag - durch zum Beispiel Einführung eines Fristenbuches, aber vor allem mehr Offenheit des Bürgermeisters – wiederhergestellt werden. Jene Offenheit beteuerte Wilfried Holberg in seiner zuvor gehaltenen Ansprache an den Rat und die anwesenden Bürger: „Im Verwaltungsvorstand ist immer der schonungslos offene Umgang mit dem Problem erwogen worden“. Ehrlichkeit habe der Bürgermeister schon vor seinem Amtsantritt versprochen und so habe er auch in diesem Fall gehandelt. Bei der Abrechnung der Straßenbeiträge sei es zu einem Missverständnis beim Ablauf der Frist gekommen, da die letzte Rechnung eines Unternehmes noch nicht vorgelegen habe und man annahm, dass diese als Beginn der Verjährung zur Abrechnung zu betrachten sei.
[UWG-Chef Jens-Holger Pütz (re.) hatte sich dem gemeinsamen Antrag nicht angeschlossen und weiterreichende Konsequenzen gefordert.]
Wie es nun weitergeht in Bergneustadt, hängt wohl auch vom Ausgang des Kontrollverfahrens des Oberbergischen Kreises als übergeordnete Behörde ab, das Ergebnis wird zeitnah in der Feste erwartet. Ob, unabhängig von der Meinung des Kreises, ein Abwahlverfahren in Gang gesetzt wird, ist allerdings sehr fraglich. Wie Holbergs allgemeiner Vertreter, Matthias Thul, erläuterte, sei das nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Nach geltender Rechtslage ist eine Neuwahl des Bürgermeisters Neuwahl bis zum Wahltermin 2020 ausgeschlossen.
[Das Bürgerinteresse an der gestrigen Ratssitzung war größer als gewohnt.]
Mehr als die Hälfe der Ratsmitglieder müsste – fraktionsunabhängig - die Abwahl beantragen, welche mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln beschlossen wird: Letztlich würden dann die Bürger ihre Stimme abgeben. Dann müsste eine Mehrheit von wenigstens 25 Prozent der Wahlberechtigten für die Amtsniederlegung stimmen.
KOMMENTARE
1
Das ist aber auch echt ein Skandal und letztendlich trägt niemand durch nichts wirklich Verantwortung, wie eigentlich fast immer und überall in der Politik und in der Wirtschaft. Der Fall Bergneustadt hat es immerhin ins TV geschafft als Hammer der Woche: https://www.zdf.de/politik/laenderspiegel/hammer-bergneustadt-versaeumt-abrechnungsfrist-100.html
T. Neumann, 19.09.2019, 22:51 Uhr2
Das ist ein Witz.
Besser sollte der Kollege von der CDU eine eigeme Comedy-Show bekommen.
Habem selten so viel Müll gehört.
3
Du, Du, Du Herr Bürgermeister Holberg! Mehr wird am Ende wie üblich nicht sein! Er hat sofort gesagt das er die volle Verantwortung dafür übernimmt, doch was macht er, bzw. wie wirkt sich das aus? Gar nicht! Alles bleibt wie es ist! Kein Rücktritt, keine Gehaltskürzung, einfach NICHTS wird am Ende sein!
Falk, 20.09.2019, 07:27 Uhr4
Immerhin hat es der schon immer sehr Medienaffine Bürgermeister mit der großartigen Aktion bis ins Fernsehen geschafft. Ist doch toll! Bergneustadt und er werden so noch ganz berühmt! Man sollte ihm dankbar sein und ein Denkmahl setzen, statt ihn zu schelten!
Rolf Gerhards, 20.09.2019, 09:11 Uhr5
Vielleicht fängt unser Bürgermeister ja bald bei der Firma Gizeh an.
6
Das ist ein Skandal und eine Schande! Gerade bei einer Stadt die jeden Cent braucht wird wegen Inkompetenz und Arroganz eine solch hohe Summe „verloren“. Und dann hat niemand das Rückrat Konsequenzen zu ziehen. Stattdessen eine erbärmliche Alibi-Entschuldigung. Peinlicher gehts nicht. Dieser Fall zeigt deutlich, dass eine persönliche Haftung für die Verantwortlichen in solch krassen Versagensfällen her muss. In der Wirtschaft und beim Privatmann hat sowas schließlich auch persönliche Folgen.
Andreas Berg, 21.09.2019, 00:33 Uhr7
Diese Bürgermeister ist ein Paradebeispiel für Verantwortungslosigkeit. Doch der eigentlich Skandal ist, dass die Ratsmitglieder dabei tatenlos zuschauen.
8
Wenn der Bürgermeister schon großspurig davon schwafelt die "volle Verantwortung" dafür übernehmen zu wollen, so hätte er als erste verantwortliche Konsequenz dem Rat die Vertrauensfrage stellen u. darüber abstimmen lassen müssen. So ist das Ganze nicht mehr als eine blamable, jämmer- und lächerliche Posse, die noch dazu vor jeglicher, persönlicher Verantwortungslosigkeit des Herrn Bürgermeisters nur so strotzt! Schämen Sie sich Herr Holberg!
Günter Thier, 05.10.2019, 19:25 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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