BERGNEUSTADT

Differenzierte Hebesätze: „Das Herz sagt ja, der Kopf sagt nein“

pn; 28.11.2024, 11:35 Uhr
Symbolfoto: Jakub Zerdzicki auf Pexels
BERGNEUSTADT

Differenzierte Hebesätze: „Das Herz sagt ja, der Kopf sagt nein“

  • 0
pn; 28.11.2024, 11:35 Uhr
Bergneustadt – Bergneustadts Politik wird sich voraussichtlich gegen differenzierte Hebesätze bei der Grundsteuer entscheiden – Nur SPD und UWG wollen das Klagerisiko eingehen.

Von Peter Notbohm

 

Die Zahlen die Bergneustadts Bürgermeister Matthias Thul vergangene Woche öffentlich gemacht hat, waren für viele Bergneustädter Bürger ein Schock (OA berichtete und OA berichtete). Nicht nur, dass viele Eigentümer von Ein- und Zwei-Familienhäusern durch die Grundsteuerreform der Bundesregierung künftig erheblich mehr belastet werden, gleichzeitig muss die Stadt auch den Hebesatz der Grundsteuer B massiv anheben, um einen aufkommensneutralen Haushalt gewährleisten zu können. Die von der NRW-Finanzverwaltung errechneten 1.248 Prozentpunkte (bislang: 959) stehen für die Grundsteuer B derzeit im Raum.

 

Um die Auswirkungen der Grundsteuerreform, von der vor allem das Gewerbe und Mietshäuser profitieren, abzufedern, hat die Landesregierung die Möglichkeit der Differenzierung geschaffen. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Städtetags NRW hält das Landesmodell allerdings für hochriskant und anfällig für Klagen, sodass viele Kommunen auf eine Differenzierung verzichten wollen. Bergneustadts Verwaltung schlägt für den Fall der Differenzierung einen Hebesatz von 1.050 Prozentpunkten für Wohngrundstücke und von 2.000 Prozentpunkten für Nicht-Wohngrundstücke vor.

 

WERBUNG

Am Mittwochabend hat sich nun auch Bergneustadts Politik im Haupt- und Finanzausschuss erstmals öffentlich positioniert. Das Ergebnis: Alle Parteien würden gerne differenzierte Hebesätze beschließen, die Mehrheit hält das Risiko von Klagen allerdings für zu hoch. Nur SPD und UWG sprachen sich für eine Differenzierung aus (5 zu 10 Stimmen), von der Mieter sogar noch mehr profitieren würden. Entscheiden wird kommende Woche aber erst der Stadtrat.

 

Zunächst erneuerte Thul seine Bedenken, dass auf die Stadt vermutlich eine Klagewelle warten würde: „Damit würden wir das Risiko eines hohen Einnahmeausfallrisikos eingehen.“ Für die Stadtkasse würde das ausbleibende Gelder bedeuten. Die fehlenden Mittel für Gehälter und Pflichtaufgaben müssten über Kredite finanziert werden, deren Zinsen anschließend ebenfalls wieder reingeholt werden müssten – sollte die Stadt im Haushaltssicherungskonzept landen sogar innerhalb von drei Jahren.

 

„Dann müssten wir in einem ganz anderen Ausmaß an der Steuerschraube drehen. Daher sagt das Herz zur Differenzierung ja, der Kopf sagt wegen des Risikos aber nein“, so Thul. Andere Kommunen, die sich für eine Differenzierung entscheiden, hätte ganz andere finanzielle Rahmenbedingungen. „Dem Bürger am Ende erklären zu müssen, warum uns 5,7 Millionen Euro fehlen, davor habe ich tatsächlich Angst.“ Auch von Kämmerin Janina Hortmann bekam er Unterstützung: „Das Bundesgesetz sagt, dass der Hebesatz einheitlich sein muss und steht damit im Widerspruch zum Landesgesetz. Das wird zwangsläufig zu Gerichtsverfahren führen.“

 

Daniel Grütz (SPD) sprach von einer unangenehmen Situation und einem schlechten Landesgesetz, „aus dem wir das Beste machen müssen“. Er sieht die Verantwortlichkeit in Düsseldorf und nicht bei den Kommunen. „Wenn die Landesregierung uns das Differenzieren erlaubt, ist es schwer, dem Bürger zu erklären, warum wir es nicht tun sollten.“ Die Belastungsverschiebung sei „dermaßen krass“, dass man sich unbedingt dafür entscheiden sollte: „Wir sprechen häufig von der Kaufkraft vor Ort. Unsere Bürger trifft das noch härter als in anderen Kommunen.“

 

Jens-Holger Pütz (UWG) nannte die Grundsteuerreform schlecht gemacht und äußerst unausgewogen. Er schätzt das Risiko einer Klage als sehr gering ein: „Wir sind pro Bürger. Die Reform stellte gerade Ein-Familienhausbesitzer schlechter, während Mieter, Vermieter und Gewerbe profitieren. Das ist absolut unfair.“

 

Aus den anderen Parteien kam ein einhelliger Tenor: Es gebe eine emotionale und eine rationale Meinung, wie Mehmet Pektas (FWGB) es ausdrückte. Seine Partei, CDU, FDP und Grüne sprachen sich für eine Differenzierung aus – allerdings erst sobald diese rechtssicher und verfassungsgemäß ist. Christian Hoene (FDP) nannte die Grundsteuerreform eine Katastrophe: „Man kann der Landesregierung nur danken, dass wir einen Umweg gehen müssen und sehen es nicht ein, dass wir das als Kommune ausbaden müssen. Dem Bürger ist das nur äußerst schwierig zu vermitteln.“

 

Axel Krieger (Grüne) meinte, er könne das Pokern der SPD verstehen und halte die Sicht der Sozialdemokraten auch nicht für falsch, „aber gezockt hat Bergneustadt schon einmal und musste viele Federn lassen.“ Reinhard Schulte (CDU) ergänzte im Hinblick auf die Reform: „Gut gemeint, ist nicht immer gut gemacht.“ Das finanzielle Risiko für die Stadt ist ihm zu groß: „Sobald es rechtssicher möglich ist, das Wohnen zu privilegieren, müssen wir es tun. Aber derzeit ist der mögliche Schaden, der uns entstehen kann, so groß, dass die Folgen von Klagen zu massiven Kürzungen aus dem laufenden Haushalt führen würden. Die Landesregierung wird uns das Geld dafür nicht geben. Wir das tragen das finanzielle Risiko.“

KOMMENTARE

0 von 800 Zeichen
Jeder Nutzer dieser Kommentar-Funktion darf seine Meinung frei äußern, solange er niemanden beleidigt oder beschimpft. Sachlichkeit ist das Gebot. Wenn Sie auf Meinungen treffen, die Ihren Ansichten nicht entsprechen, sehen Sie von persönlichen Angriffen ab. Die Einstellung folgender Inhalte ist nicht zulässig: Inhalte, die vorsätzlich unsachlich oder unwahr sind, Urheberrechte oder sonstige Rechte Dritter verletzen oder verletzen könnten, pornographische, sittenwidrige oder sonstige anstößige Elemente sowie Beschimpfungen, Beleidigungen, die illegale und ethisch-moralisch problematische Inhalte enthalten, Jugendliche gefährden, beeinträchtigen oder nachhaltig schädigen könnten, strafbarer oder verleumderischer Art sind, verfassungsfeindlich oder extremistisch sind oder von verbotenen Gruppierungen stammen.
Links zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
WERBUNG
MoDiMiDoFrSaSo
2829301234567891011121314151617181920212223242526272829303112345678
MoDiMiDoFrSaSo
2829301234567891011121314151617181920212223242526272829303112345678