BERGNEUSTADT
Gewinner und Verlierer: Bürgermeister Thul will Transparenz bei Grundsteuer und Windenergie
Bergneustadt - Am Donnerstagabend findet im Krawinkelsaal ein Bürgerinformationsabend statt - Thul steht vor der schwierigen Aufgabe, zu erklären, warum ein höherer Hebesatz nicht automatisch mehr Geld für die Stadt bedeutet - In Bergneustadt könnten zudem bald riesige Windräder stehen.
Von Peter Notbohm
Die Grundsteuerreform und der Ausbau von Windkrafträdern sind emotionale Themen. Beim einen geht es ans Geld der Immobilienbesitzer, beim anderen stehen Lärm sowie Auswirkungen auf Landschaft und Tierwelt regelmäßig im Fokus der Kritiker. Bergneustadts Bürgermeister Matthias Thul (CDU) will bei beiden Themen nun für mehr Klarheit bei seinen Bürgern sorgen und hat für Donnerstagabend (18 Uhr) im Krawinkelsaal eine Bürgerinformationsveranstaltung angesetzt (OA berichtete).
„Es sind viele Informationen im Umlauf, die eher verwirren als das sie helfen. Ich will für maximale Transparenz sorgen“, sagte das Stadtoberhaupt am Mittwoch in einem vorgelagerten Pressegespräch. Den Stadtrat hat er am Mittwochabend ebenfalls ausführlich informiert. Mit der Informationsveranstaltung erhofft er sich auch Stimmungen aus der Bürgerschaft einzufangen.
Grundsteuerreform: „Es stimmt nicht, dass wir die Steuern erhöhen“
Was Thul in der Diskussion um die Grundsteuerreform massiv stört, sind die vielen Halbwahrheiten, die in der Öffentlichkeit herumgeistern. Zur Erinnerung: Im Jahr 2018 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die bisherigen Regelungen zur Erhebung der Grundsteuer B verfassungswidrig sind. Teilweise basierte die Bemessungsgrundlage auf Werten von 1964, was aus Sicht der Richter in Karlsruhe zu einer ungerechten Besteuerung führte. 2019 brachte die Bundesregierung die Reform auf den Weg, ab dem kommenden Jahr hat sie Auswirkungen auf den Bürger. Jeder Grundstückseigentümer musste in den vergangenen Monaten eine sogenannte Feststellungserklärung abgeben, die die wesentliche Grundlage für das Grundsteuermessbetragsverfahren des Finanzamtes bildet.
[Bürgermeister Matthias Thul (r.) und die neue Kämmerin Janina Hortmann (l.) wollen den Bürger aufklären, was die Grundsteuerreform bedeutet und welche Wege es gibt, Einspruch gegen den neuen Grundsteuermessbetrag einzulegen.]
„Wichtig für den Bürger ist: Was heißt das und welche Auswirkungen hat das? Und: Welche Hebel hat der Einzelne, um seine Belastung noch zu verändern?“, will Thul hier für mehr Klarheit sorgen. Die Krux aus Sicht der Stadtverwaltung: Gerade bei den sogenannten Wohngrundstücken kommt es teils zu drastischen Steigerungen in den Messbeträgen. Etwa 80 Prozent der Eigentümer von Einfamilien- bzw. Zweifamilienhäusern müssen künftig mehr zahlen. In Einzelfällen das bis zu 25-fache.
Profiteure der neuen Berechnung sind Eigentümer von Mietgrundstücken und auch von Gewerbegrundstücken. Hier kommt es teilweise zu erheblichen Senkungen – vereinzelt bis zu 80 Prozent. Allein 70 Prozent der Gewerbegrundstücke seien erheblich günstiger als zuvor bewertet worden, sagt der Bürgermeister. Bei Mietgrundstücken betrifft es etwa 60 Prozent aller Bescheide „Auf all das hat die Stadt keinen Einfluss, sondern läuft über das Finanzamt“, erklärt Thul. Das gilt auch für Beschwerden zu den neuen Grundsteuermessbeträgen.
Auch für die Stadt hat dies Folgen, auf die sie mit einem neuen Hebesatz reagieren muss. Um aufkommensneutral zu bleiben und damit weiterhin 5,7 Millionen Euro aus der Grundsteuer einzunehmen. Betrug der Grundsteuer B-Hebesatz für 2024 noch 959 Prozentpunkte, wird die Verwaltung für 2025 einen Wert von 1.248 Prozentpunkten vorschlagen und damit der Empfehlung der NRW-Finanzverwaltung folgen, die die aufkommensneutralen Werte im Sommer veröffentlicht hatte (OA berichtete). Grundstückseigentümer merken dies bereits zu Anfang des Jahres, Mieter werden die Senkungen erst Ende 2025 mit ihrer Nebenkostenabrechnung spüren. Thul betont: „Die Stadt nimmt dadurch keinen Cent mehr ein, es kommt nur zu Belastungsverschiebungen.“
Zwar wurde durch den Gesetzgeber die Möglichkeit der Differenzierung der Hebesätze für Wohngrundstücke und für Nicht-Wohngrundstücke geschaffen. Diese ist allerdings noch nicht rechtssicher, da es widersprüchliche Gutachten gibt. Letztendlich werden Gerichte darüber urteilen müssen. Für die Stadt würde das im schlechtesten Fall Rückzahlungen bedeuten. Im Gespräch wären 1.100 Prozentpunkte für Wohngrundstücke und 1.700 Prozentpunkte für Nicht-Wohngrundstücke, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.
Über eine mögliche Differenzierung muss allerdings der Rat in seiner Sitzung am 4. Dezember entscheiden, wenn die neue Hebesatzung verabschiedet wird. Thul ist zwiegespalten: „Vom Herzen her würden wir differenzieren, weil es fairer ist. Der Kopf sagt aber, dass das Risiko zu groß ist. Ich als Bürgermeister fühle mich vom Gesetzgeber hängen gelassen, weil er keine Rechtssicherheit schafft, das Thema aber auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen wird. Es stimmt einfach nicht, dass wir Steuern erhöhen, wir nehmen dasselbe Geld wie vorher ein.“
Auf der Homepage der Stadt will Thul die ausführlichen Informationen mit vielen Fragen und Antworten zur Grundsteuerreform veröffentlichen, dazu den Bergneustädter Bürgern, die Möglichkeit geben, Fragen einzureichen.
[Grafik: Entwurf Sachlicher Teilplan Erneuerbare Energien --- Am Beulberg könnten mindestens zwei Windräder entstehen. Auf der Sülemicke sind vier Anlagen möglich. Ob es Interessenten für die beiden kleinen Gebiete nördlich von Wiedenest gibt, weiß man im Rathaus derzeit nicht.]
Windenergie: Die neuen Windräder könnten fast viermal so groß sein
Um Aufklärung geht es dem Bürgermeister auch beim Thema Ausbau der Windkraftenergie. Aktuell gibt es in Nähe der Ortschaft Wörde ein 65 Meter hohes Windrad. Gemäß dem neuen Regionalplan, der im kommenden Jahr verabschiedet werden soll, gibt es auf Bergneustadts Stadtgebiet vier Flächen, die für Windenergie geeignet sind. Auf der Sülemicke und am Beulberg. Die Windräder, die hier entstehen sollen, sind mit einer Höhe von 249 Metern geplant und wären nahezu aus dem gesamten Stadtgebiet zu sehen.
Private Projektierer sind bereits an Grundstückseigentümer herangetreten. Im Rathaus hat man eher zufällig davon erfahren, weil vereinzelte Eigentümer sich an die Verwaltung gewandt haben. Auch hier sagt Thul: „Sowohl die Stadt als auch die lokale Politik hat auf diese Windräder keinen Einfluss. Es gibt keine rechtliche Grundlage, dass Kommunen daran etwas ändern können.“ Die Windräder seien vom Bundesgesetzgeber im Sinne der Energiewende gefordert.
Der Bürgermeister betont, dass es sich um ein sehr emotionales Thema handle, „zu dem wir transparent mitteilen wollen, was wir wissen.“ Zudem erhofft er sich ein Stimmungsbild, wie die Bürger zu solchen Anlagen stehen. Für den fachlichen Teil hat man mit Prof. Dr. Peter Heck, dem Direktor des Instituts für angewandtes Stoffstrommangement (IfaS), einen unabhängigen Spezialisten eingeladen, der u.a. Fragen zur Lautstärke und dem Schattenwurf solcher Anlagen beantworten soll.
Er selbst sieht die Windkraftanlagen „sehr skeptisch“, sagt das Stadtoberhaupt. Er setzt auf Gespräche zwischen den Projektierern und der Bürgerschaft. Es gehe dabei auch um Fragen, ob und wie man die Bergneustädter mitnehmen könne. Möglichkeiten wären ein günstigerer Stromtarif oder Entschädigungszahlungen.
KOMMENTARE
1
Dann wird das Wohnen in Bergneustadt richtig teuer. Nichtwohngrundstücke werden vielfach günstiger.
Heiko Neumann, 21.11.2024, 19:12 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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