JUNGE LEUTE

Schüler leiten Station: "Ein krasser Unterschied!"

lw; 23.04.2024, 16:40 Uhr
Fotos: Lars Weber --- Teamwork: Die Schüler können bei ihrer Arbeit als Stationsleitung auf die Hilfe ihrer erfahrenen Kollegen zählen (v.li.): Negar Shangeh, Projektkoordinator Jonas Sebastian Schütter, Kiara Dillenhöfer, Viktor Karpilenko, Praxisanleiterin Nicole Wurzbacher, Lena Matschey und Vanessa Pauly, Pflegedirektion Bereichsleitung Waldbröl.
JUNGE LEUTE

Schüler leiten Station: "Ein krasser Unterschied!"

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lw; 23.04.2024, 16:40 Uhr
Waldbröl – Für zwei Wochen haben angehende Pflegefachkräfte das Sagen auf einer Station am Waldbröler Krankenhaus – Wichtige Erfahrungen für das Examen und die weitere Laufbahn.

Von Lars Weber

 

Der Schritt von der Ausbildung rein in den Alltag einer Pflegefachkraft hält für den Nachwuchs oft so einige Überraschungen parat. Wie es ist, auf einen Schlag gleich die Verantwortung für eine ganze Station im Krankenhaus zu übernehmen, das durften nun 22 angehende Pflegefachfauen und -männer im letzten Lehrjahr erfahren. Für zwei Wochen haben sie momentan das Sagen auf der Station 4.1, der Kardiologie im Kreiskrankenhaus Waldbröl des Klinikums Oberberg. Nach einem herausfordernden Start sind sich inzwischen alle einig: Von diesem Projekt des Gesundheits- und Bildungszentrums haben alle einen Mehrwert, die Azubis, die Fachkräfte vor Ort und auch die Patienten.

 

„Wir haben schon länger mit dem Gedanken gespielt, Schüler eine Station leiten zu lassen“, erzählt Vanessa Pauly, Pflegedirektion Bereichsleitung Waldbröl. Neu ist dieser Ansatz nicht, es sei aber schon sehr lange her, dass dies am Klinikum Oberberg praktiziert wurde. Mit der Umstellung auf die generalistische Pflegeausbildung 2020 wurde die Idee wieder stärker diskutiert, die Pandemie verhinderte aber eine Umsetzung. Nun passten alle Faktoren. Projektkoordinator Jonas Sebastian Schütter vom Gesundheits- und Bildungszentrum (GBZ) verarbeitet die Ergebnisse des Projekts sogar in seiner Masterarbeit.

 

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Leichtfertig wurde die Aufgabe nicht angegangen. „Es stecken monatelange Vorbereitungen darin“, so Pauly. „Ein bisschen Sorgen habe ich mir im Vorfeld schon noch gemacht“, sagt Schütter. Dass diese Sorgen schnell zerstreut wurden, hat vor allem mit den Schülern und deren Zusammenspiel mit den begleitenden Fachkräften zu tun. Auf drei Schichten teilen sich die Schüler auf. Die Station wurde für die zwei Wochen von 30 auf 22 Betten reduziert, die anderen Betten werden anderorts aufgefangen. Auf jeden Schüler entfallen so fünf bis sechs Patienten.

 

Pro Zimmer gibt es feste Ansprechpartner, die Patienten und die Azubis lernen sich kennen. „So begleiten die Schüler die Patienten und können dort alles selbst machen und sehen“, sagt Pauly. Körperpflege, Ankleidung, Tablettengabe, Ernährung, Verbände anlegen, Infusionsgabe und und und. Die Schüler machen alles selbst, auch Fehler gehören dazu. Damit trotzdem alles gut geht und zu keiner Zeit ein Risiko für die Patienten besteht, sind pro Schicht zwei Pflegefachkräfte mit dabei, außerdem eine freigestellte Praxisanleiterin und Pflegewissenschaftler. Dabei sein dürfen die Schüler aber auch bei Eingriffen wie minimalinvasiven Standimplantationen. „Das ist schon etwas Besonderes für die Schüler.“

 

[Kiara Dillenhöfer misst die Sauerstoffsättigung und den Puls von Lutz Brandau.]

 

Am 15. April startete das Projekt „Schüler leiten eine Station“ mit einem Einführungstag. Aber anschließend war das Wasser sehr kalt, in das die jungen Frauen und Männer geworfen wurden. „Es war schon etwas chaotisch erstmal“, sagt Kiara Dillenhöfer. Die 22-Jährige war zuletzt im Gummersbacher Krankenhaus eingesetzt, die Räumlichkeiten in Waldbröl kannte sie gar nicht. Dafür aber ihre Arbeitskollegen, denn die Schüler kommen allesamt aus einer Oberklasse. Nur in der Praxis waren sie sich bislang kaum über den Weg gelaufen. „Wir haben uns nochmal anders kennengelernt. Wir sind echt ein starkes Team und haben uns gegenseitig unterstützt“, ist Dillenhöfer froh über das gute Miteinander.

 

Das gilt explizit auch für alle Profis, die an dem Projekt teilnehmen, von den Fachpflegekräften bis zum Chefarzt PD Dr. Vedat Tiyerili. „Keiner kannte die Schüler, man musste also zunächst sehen, was man ihnen zutrauen kann“, blickt Schütter zurück auf die ersten paar Tage. „Wir sind auch froh, dass die Fachkräfte da sind“, meint Kiara. Wobei sich die erfahrenen Kollegen inzwischen immer mehr zurücknehmen können und in die Beobachterrolle wechseln konnten, sagt auch die Anleiterin Nicole Wurzbacher. „Ich war positiv überrascht, wie schnell das gut funktioniert hat. Die Azubis gehen sehr verantwortungsbewusst mit den Patienten um.“ Und ist mal wer unsicher oder es läuft nicht, wie es soll, greift sie unterstützend ein, erklärt die Vorgänge, sodass die Schüler es selbst schaffen.

 

[Foto: Klinikum Oberberg --- Die Oberklasse, die an dem Projekt teilnimmt.]

 

Die beiden Wochen seien nicht nur eine hervorragende Vorbereitung auf die Examensprüfungen, die ab Juli/August starten, sondern die angehenden Fachpflegekräfte erhalten wertvolle Erfahrungen, wie der Hase im Alltag wirklich läuft. „Sonst wartet wir eher darauf, dass wir unsere Aufgaben von den Vorgesetzten bekommen, hier sind wir für alles zuständig, das ist ein krasser Unterschied!“ Vor allem die Organisation und die Koordination einer ganzen Station habe sie sehr herausgefordert. Schon allein den Dienstplan zu erstellen, sei nicht einfach. Aber auch die Stationsabläufe zu verinnerlichen, die richtigen Prioritäten zur richtigen Zeit zu setzen, um die Patienten qualitativ hochwertig zu versorgen, hat ihnen viel abverlangt. „Am Ende des Tages sind wir sehr stolz und merken, wie viel Wert wir als Pflegekräfte wirklich haben.“

 

[Viktor Karpilenko arbeitet mit Praxisanleiterin Nicole Wurzbacher an der Dokumentation (oben), Negar Shangeh misst den Blutdruck bei Klaus Frede., der sich bei den Schülern bestens aufgehoben fühlt.]

 

Wer hart arbeitet, darf natürlich auch feiern. Daher passt es ganz gut, dass die Schüler nach ihren zwei Wochen Stationsleitung eine Woche in Berlin bei einer Klassenfahrt durchschnaufen können, bevor es anschließend in den Endspurt Richtung Examen geht. Um 21:45 Uhr am Sonntag, 28. April, endet die letzte Schicht. Um 8 Uhr am Montag geht’s dann geradewegs in die Hauptstadt.

 

Wenn es nach Pauly und Schütter geht, soll das Projekt Schule machen. Pauly kann sich vorstellen, es abwechselnd in Gummersbach und Waldbröl durchzuführen, auch weil der Aufwand sehr hoch ist und die Aktion durch den Personaleinsatz natürlich auch Geld kostet. „Das zeigt“, so Schütter, „den hohen Stellenwert der Ausbildung bei uns“. Und mit Blick auf den Fachkräftemangel schiebt er hinterher: „Wir müssen in der Region ausbilden, um die jungen Menschen hier zu halten.“ Das Projekt zeige schon jetzt, was qualitativ möglich sei, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

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