BERGNEUSTADT

SPD will Pläne für kommunales Ärztehaus in Bergneustadt vorantreiben

pn; 25.06.2024, 12:30 Uhr
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Symbolfoto: Julio César Velásquez Mejía auf Pixabay
BERGNEUSTADT

SPD will Pläne für kommunales Ärztehaus in Bergneustadt vorantreiben

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pn; 25.06.2024, 12:30 Uhr
Bergneustadt – Die Sozialdemokraten haben für die Ratssitzung einen Antrag auf Bildung eines Projektausschusses gestellt – Bereits am Montag gab es eine öffentliche Informationsveranstaltung im Heimatmuseum.

Von Peter Notbohm

 

Wartezeiten auf einen Termin bei Ärzten werden für Patienten immer länger und auch der Weg zum Hausarzt bedeutet inzwischen häufig mehrere Kilometer Fahrt. Immer mehr Praxen schließen, es fehlt an Nachfolgern. Aus den Versorgungsberichten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) geht hervor, dass bis 2035 bundesweit 12.000 Arztsitze frei sein werden, aktuell fehlen bereits 5.100 Hausärzte. Das Problem: jüngere Ärzte bevorzugen das Angestelltenverhältnis, sodass Praxis-Stellen kaum noch nachbesetzt werden können.

 

Besonders betroffen ist Bergneustadt. Die Stadt gehört im KV Nordrhein zum Mittelbereich Gummersbach. Hier gibt es derzeit 19 freie Sitze, die Versorgung liegt dabei bei 85 Prozent, ab 75 Prozent spricht man von einer Unterversorgung. Das Problem in Bergneustadt skizziert Allgemeinmediziner Dr. Claus-Peter Bockhacker (Wiedenest): „Während Marienheide, Reichshof und Wiehl in unserem Bereich überversorgt sind, sind wir in Bergneustadt bald nur noch zu siebt. Jeder Arzt, der sich hier niederlässt, hat eine garantierte 80-Stunden-Woche.“ Während der durchschnittliche Arzt etwa 2.500 Patienten betreue, habe er 5.000 Menschen in seinen Akten. Die Situation ist somit schon jetzt angespannt und wird sich in den kommenden Jahren noch dramatisch verschlechtern.

 

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Doch wie kommt Bergneustadt aus dem Hausarzt-Dilemma heraus? Eine Studie des Instituts für Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen sieht in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) eine Lösung für den Ärztemangel in ländlichen Regionen in Nordrhein-Westfalen. Bundesweit ist die Anzahl der MVZ seit 2014 bereits um 165,5 Prozent auf 12.000 gestiegen, während Einzelpraxen im selben Zeitraum um 7 Prozent abgenommen haben. Die Idee eines MVZ wurde auch bereits von einem Arbeitskreis des Stadtrats diskutiert (OA berichtete). Erst kürzlich gab der Leiter Heiner Grütz (SPD) bekannt, dass er nun die Politik gefordert sehe, gemeinsam entsprechende Weichen zu stellen (OA berichtete).

 

Für die Ratssitzung am Mittwoch haben die Bergneustädter Sozialdemokraten nun selbst einen Vorstoß gemacht und einen Antrag auf Bildung eines Projektausschusses „Medizinisches Versorgungszentrum Bergneustadt“ gestellt. Dieser hätte das Ziel ein kommunales MVZ in Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH zu gründen. „Mit Blick darauf, dass in nächster Zeit viele niedergelassene Ärzte in Bergneustadt in den Ruhestand gehen, meinen wir von der SPD, dass wir dringend ein kommunales Ärztehaus auf den Weg bringen müssen“, begründet der Fraktionsvorsitzende Daniel Grütz. Die Vorteile aus Sicht der SPD: flexible Arbeitszeiten, wirtschaftlicheres Arbeiten, und bessere Koordination verschiedener Bereiche. Ein Ärztehaus wäre vor allem für junge Mediziner attraktiv, da diese als angestellte Ärzte nicht das Investitionsrisiko einer Praxis tragen müssten.

 

Bereits am gestrigen Montag hatte die SPD Bergneustadt interessierte Bürger zu einer Informationsveranstaltung mit dem Titel „Neue Wege in der Gesundheitsversorgung – ein Ärztehaus für Bergneustadt“ eingeladen. Im Heimatmuseum diskutierten etwa 50 Politiker, Ärzte und Bürger für etwa zwei Stunden über mögliche Lösungen. Als Referenten hatte man Unternehmensberaterin Gabriele Dostal eingeladen, die bereits für den Arbeitskreis tätig war. Dazu Dirk Panske, der das Ärztehaus in Hülsenbusch vorstellte, wo die Dorfgemeinschaft erfolgreich eine Genossenschaft gebildet hat (OA berichtete), um Ärzte in den Gummersbacher Stadtteil zu locken. Hierbei handelt es sich allerdings um kein MVZ, sondern um klassisch niedergelassene Ärzte, die in einem genossenschaftlich verwalteten Haus arbeiten. Aus Sicht des Kreises riss zudem der ehemalige Landtagsabgeordnete Dr. Roland Adelmann (SPD) das Thema an.

 

Dostal warb für die Vorteile eines kommunalen MVZ. Durch die zweigeteilte Leitungsfunktion in einen Ärztlichen Leiter und einen Kaufmännischen Leiter werde der Arzt massiv entlastet, dazu werde die Versorgung gesichert, weil die Arztsitze vor Ort bleiben und der Kommune gehören. Angesprochen wurden außerdem die Gemeinwohlorientierung und die Versorgung aus einer Hand. Im Hinblick auf die Insolvenz des MVZ in Derschlag (OA berichtete) sagte sie, dass hier ein bei Banken ähnliches Schneeballsystem von Akteuren aus dem nicht-vertragsärztlichen Bereich aufgebaut worden sei und diese Fehler bei den Abrechnungen gemacht hätten. Bundesweit läge die MVZ-Insolvenzquote nur bei 0,03 Prozent.

 

Skepsis äußerte Bockhacker im Rahmen der Diskussionsrunde: Solange sich bei den Fallpauschalen und den Studentenzahlen in NRW nichts ändere, werde man kein MVZ aufgebaut bekommen. Unter den aktuellen gesetzlichen Bedingungen werde er niemals einen Arzt anstellen. Bergneustadt müsse aus seiner Sicht vor allem an den weichen Faktoren arbeiten, um optimale Bedingungen zu schaffen: Jobs für den Partner, ein breiteres Schulangebot (Waldorfschule) und attraktiven Wohnraum. „Das Thema sind nicht Immobilien, sondern wie kriegen wir den Kölner nach Bergneustadt.“

 

Zustimmung bekam er von einem in Bergneustadt wohnenden Arzt, der sich derzeit in Marienheide zum Hausarzt umschulen lässt: „Man gewinnt Ärzte nicht durch Verträge, sondern durch gute Rahmenbedingungen.“ Adelmann sah hierbei auch den Bürgermeister gefordert: „In anderen Kommunen laden Bürgermeister einen Arzt ein und organisieren parallel auch ein Programm für den Partner. Dazu müssten Kindergartenplätze garantiert werden. Das muss alles auf einer persönlichen Ebene passieren.“

 

Das Fazit der Diskussionsrunde zog Heiner Grütz: „Es gibt viele Faktoren, die wir nicht beeinflussen können, aber es muss darum gehen, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit wir Ärzte nach Bergneustadt gewinnen.“ Wie die aus Sicht der anderen Parteien aussehen, darauf wird die morgige Ratssitzung einen Fingerzeig geben. Am Montag waren bereits mehrere CDU-Ratsmitglieder vor Ort.

KOMMENTARE

1

Vor einiger Zeit las man, dass Bergneustadt das Extra Gelände kaufen möchte bzw. gar schon gekauft hat.
Hier wäre meiner Meinung nach ein idealer Ort zur Ansiedlung eines solchen Ärztehauses.
Neben der neu zu planenden Rettungswache des Kreises, der direkten Anbindung an die neue Mitte und zusammen mit altersgerechtem Wohnen sehe ich da großes Potenzial für Bergneustadt.

Uwe von Holthausen, 25.06.2024, 13:49 Uhr
2

zu 1: Dem kann ich nur beipflichten. Auf jeden Fall müssen hier die Prioritäten gesetzt werden und ggf. die Aktivitäten beim Projekt "Ehemaliges Schullandheim" hinten anstehen. Die medizinische Versorgung der Bürger muss hier Vorrang haben.

Michael K., 25.06.2024, 15:06 Uhr
3

Zu 1: Dem möchte ich widersprechen. Die Stadt wäre gut beraten gewesen, damals Kaufland die Ansiedlung zu erlauben. Der Schandfleck Bergneustadts wäre schon vor über 5 Jahren verschwunden gewesen. Das Ärztehaus wäre gut in den oberen Etagen des jetzigen Aldis gut aufgehoben.

Tobias Schneider, 25.06.2024, 21:22 Uhr
4

Sehe ich auch so. Man hätte damals Kaufland die Ansiedlung erlauben müssen. Dann hätte Bergneustadt mehr zu bieten. Und jetzt? Es sieht furchtbar aus, Historische Altstadt und man sieht das als erstes. Super Werbung. Das Projekt Ärztehaus macht null Sinn, man sollte sich erstmal damit beschäftigen Ärzte nach Bergneustadt zu holen.

Klaus Müller, 26.06.2024, 06:57 Uhr
5

Macht da die SPD Bergneustadt den gleichen Fehler wie die Genossen in Engelskirchen (Bücherfabrik) ? da hat man sich ja auch bekanntlich verrannt. Nochmal: Der Ärztemangel hat andere Ursachen als fehlende Räume!

Reiner M., 26.06.2024, 23:17 Uhr
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