BLAULICHT
„Was ist am 24. Dezember passiert? Nichts, außer Weihnachten!“
Waldbröl – 53-jähriger Waldbröler musste sich am Amtsgericht Waldbröl wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten – Vorwürfe entpuppen sich als Lügengeschichte, mit der der Angeklagte erpresst werden sollte.
Von Peter Notbohm
Weihnachten sollte die Zeit der Besinnung sein. Für Maxim C. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) bedeutete das vergangene Weihnachtsfest allerdings einen Besuch der Polizei und nun, zehn Monate später, auch ein Gerichtsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung am Amtsgericht Waldbröl. Die Staatsanwaltschaft warf dem 53-jährigen Waldbröler vor, am Mittag von Heiligabend seinen Mitbewohner Alexander H. in einer Waldbröler Unterkunft für Wohnungslose mit einem Jagdmesser im Gesicht und an der linken Hand verletzt zu haben. In der Nacht zuvor soll es Streit zwischen den beiden Männern gegeben haben, weil Alexander H. mehrfach gegen 2 Uhr in der Früh gegen die Tür von Maxim C. getreten haben soll.
Von den Vorwürfen blieb am Ende des Verfahrens allerdings nichts übrig. Einzelrichterin Laura Lax beendete den Prozess mit seinem Freispruch für den 53-Jährigen. Verteidiger Sebastian Tillmann brachte es in seinem Schlussplädoyer auf den Punkt: „Was ist am 24. Dezember passiert? Nichts, außer Weihnachten!“ Denn: Die Vorwürfe des mutmaßlichen Opfers entpuppten sich letztlich als Lügengeschichte, mit der er seinen Mitbewohner hatte erpressen wollen. Dass Alexander H. am Mittwoch nicht vor Gericht erschien, wirkte da wenig verwunderlich.
Maxim C. stritt die Vorwürfe von Anfang an ab. Er sei vollkommen überrascht gewesen, als die Polizei plötzlich vor seiner Tür gestanden habe, um ihn zu verhören und um nach einem Jagdmesser zu suchen. „Mehr als normale Küchenmesser besitze ich aber nicht“, sagte der 53-Jährige. Auch die Tat könne er nicht begangen haben, da sein Mitbewohner im Dachgeschoss lebe und er ohne Hilfe aus Krankheitsgründen keine Treppen mehr laufen könne. Seine Lungenleistung liege nur noch bei 25 Prozent, weswegen er zahlreiche Medikamente nehmen müsse.
Stattdessen berichtete der Waldbröler dem Gericht, dass Alexander H. in der Nacht vor der angeblichen Tat wild gegen seine Tür gehämmert hätte: „Er hatte wohl seinen Schlüssel verloren und wusste nicht, wo er schlafen soll. Ich habe ihn aber nicht reingelassen, weil ich Besuch hatte.“ Nur wenige Tage nach dem mutmaßlichen Vorfall soll Alexander H. ihn aus einer Entgiftungsklinik angerufen haben. Der Inhalt des Telefonats: „Entweder Knast oder du gibst mir 300 Euro.“ Noch ein paar Tage später, kurz nach dem Jahreswechsel, habe es in der Küche des Wohnheims einen weiteren Erpressungsversuch gegeben. Wieder soll es geheißen haben: „Zahl mir 300 Euro und ich ziehe die Anzeige zurück.“ Der 53-Jährige wiegelte ab. „Ich kenne ihn nicht einmal richtig. Ich wollte nie etwas mit ihm zu tun haben. Er war alkohol- und drogenabhängig.“
Auch die Aussage eines weiteren Mitbewohners, ein 48-jähriger Waldbröler, der die beiden Männer nach der Messerattacke angeblich getrennt haben soll, brachte das Gericht nur wenig weiter. Er erinnere sich aufgrund seiner Methadonabhängigkeit an überhaupt nichts mehr, hieß es von ihm. Was er allerdings sehr genau wusste: „Wir sind nie zusammen zu Alexander H. gegangen. Die beiden mögen sich nicht.“
Hilfreicher war die Aussage der 26-jährigen Polizistin, die den Fall aufgenommen hatte. Sie berichtete, dass die Ausführungen von Alexander H. schon damals sehr wahllos auf sie gewirkt hätten und auch die Verletzungen an Gesicht und Hand nicht frisch aussahen. Zudem habe die Atmosphäre in dem Wohnhaus überraschend entspannt gewirkt. „Der Geschädigte konnte nicht einmal das Messer richtig beschreiben. Wir sind mit einem komischen Gefühl dort weggefahren.“ Auch, weil Alexander H. noch einen Alkoholtest machen musste. Der Wert: 1,4 Promille.
Spätestens nach diesen Aussagen war für Staatsanwaltschaft und Gericht klar: Die Vorwürfe sind haltlos. Rechtsanwalt Tillmann brachte es auf den Punkt: „Man sieht, wie wichtig gute Polizeiarbeit ist. Hätte die Beamtin einen persönlichen Vermerk über ihre Eindrücke in der Akte gemacht, hätten wir hier wohl nicht sitzen müssen.“ Für Alexander H. dürfte der Prozess aber noch ein Nachspiel haben: Ihm droht nun ein eigenes Verfahren wegen falscher Verdächtigung und dem Vortäuschen einer Straftat.
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