BLAULICHT

Überfall auf Rewe-Märkte: Angeklagter will Opfern Schmerzensgeld zahlen

pn; 05.09.2024, 15:00 Uhr
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Foto: Peter Notbohm ---- Ein 45-jähriger Wipperfürther (hier mit seiner Anwältin (li.) und seiner Dolmetscherin muss sich am Landgericht Köln wegen zweifachen schweren Raubs verantworten.
BLAULICHT

Überfall auf Rewe-Märkte: Angeklagter will Opfern Schmerzensgeld zahlen

pn; 05.09.2024, 15:00 Uhr
Marienheide – Wipperfürther räumt Raubüberfall auf hessischen Markt ein – Die bedrohten Frauen will er entschädigen – Forensiker soll Videoaufnahmen vom Überfall in Marienheide analysieren.

Von Peter Notbohm

 

Hat Murat D. (Anm.d.Red.: Name geändert) am 12. September des vergangenen Jahres die Rewe-Filiale in Marienheide-Schemmen brutal überfallen oder nicht? (OA berichtete) Auch am dritten Verhandlungstag des Verfahrens am Landgericht Köln stritt der 45-jährige Wipperfürther die Tat weiterhin ab. Eingeräumt hat er über seine Verteidigerin allerdings den Raubüberfall auf den Rewe-Markt in Eringshausen (Hessen), nahe Wetzlar, am 18. Dezember des vergangenen Jahres. Zudem will er dem Gericht den bislang unbekannten Mittäter verraten.

 

Dem vorangegangen war ein einstündiges Rechtsgespräch zwischen der 18. Großen Strafkammer, der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidigung. Das Ergebnis: Bei einem vollständigen Geständnis und dem Nennen des Mittäters kommt es zu einem Deal. Als Strafobergrenze wäre eine Maximalstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten festgesetzt worden. Das nun abgelegte Teilgeständnis erfüllt diese Voraussetzungen allerdings nicht, wie der Vorsitzende Volker Köhler anmerkte: „Wenn Sie sich überlegen, vielleicht etwas zur ersten Tat sagen, würden wir darauf zurückkommen. Wir wollen Sie aber zu nichts zwingen, halten aber alle Möglichkeiten offen.“

 

Ob der Wipperfürther auch auf den Videoaufnahmen in Marienheide zu sehen ist, soll nun ein Sachverständiger klären. Insbesondere die Frage, ob der Angeklagte, der unter starken Rückenschmerzen leidet, überhaupt zu den Bewegungen auf dem Video fähig ist. Dies zweifelt die Verteidigung an. An beiden Tatorten waren allerdings DNA-Spuren gefunden worden, die auf den 45-Jährigen hindeuten.

 

In den Raubüberfall in Eringshausen sei ihr Mandant mithineingezogen worden, erklärte Verteidigerin Iris Stuff. Sie sprach von einer „nicht von langer Hand geplanten Sache“: „Er saß in einem Auto, als ihm mitgeteilt wurde, dass der Plan bestünde. Er kam sich ausgenutzt vor und fühlte sich von der Spontanität der Situation überrumpelt.“ Ihr Mandant habe selbst keine Worte für das Geschehene und es tue ihm leid, dass er die Angestellten in Angst und Schrecken versetzt habe.

 

Der Tatbeitrag des Wipperfürthers sei allerdings gering gewesen, betonte Stuff: Er habe die beiden Frauen nur gefesselt und nie aktiv bedroht. Als Grund für die Tat nannte die Rechtsanwältin die Drogensucht des 45-Jährigen, der damals anderthalb Gramm Kokain täglich konsumiert und auch regelmäßig Alkohol getrunken habe. Das Teilgeständnis wird sich in jedem Fall strafmildernd auswirken.

 

Dass Opfer von Raubüberfällen die Taten völlig unterschiedlich verarbeiten, zeigten anschließend die Aussagen der vier Angestellten aus den beiden Rewe-Märkten. Richter Köhler zollte allen Frauen zunächst einmal seinen Respekt wie „tough und umsichtig“ sie auf den Aufnahmen der Überwachungskameras gewirkt hätten. Wirklich verarbeitet haben die Frauen die Vorfälle allerdings bis heute nicht.

 

Eine 44-jährige Mitarbeiterin aus dem Markt in Marienheide berichtete, dass beide Täter mit ihren Pistolen sehr hektisch gewirkt hätten und sie keinerlei Widerstand geleistet hätten. Erst zuhause habe sie realisiert, was alles hätte passieren können. Sie sei nach der Tat zwei Monate krankgeschrieben gewesen und könne heute noch nicht ruhig schlafen. Seitdem habe sie erst zweimal wieder in der Spätschicht gearbeitet: „Je näher es auf 22 Uhr zuging, wurde es sehr kritisch bei mir.“

 

Ähnlich äußerte sich ihre 39-jährige Kollegin: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass das Profis waren. Einer von ihnen sprach mit türkischem oder albanischem Akzent.“ Auch sie sei sechs Wochen krankgeschrieben gewesen und habe sich selbst in der belebten Gummersbacher Innenstadt verfolgt gefühlt. Den Restart im Job bezeichnete sie als „heftig“: „Alle haben mich angesprochen, dabei wollte ich damit abschließen.“

 

Die beiden Mitarbeiterinnen aus dem hessischen Rewe-Markt identifizierten Murat D. vor Gericht eindeutig. Er hatte im Gegensatz zu seinem Mittäter keine Maske getragen und war 15 Minuten vor der Tat in der Filiale sogar noch einkaufen – gefilmt von den Überwachungskameras. Auch die 47-jährige Mitarbeiterin sagte, dass sie das Geschehen nicht verarbeitet, sondern eher verdrängt habe. Sie sei bereits nach einer Woche wieder arbeiten gegangen: „Es hat mir nichts gebracht, daheim zu sitzen. Ich musste gucken, wie ich das schaffe und habe es einfach gemacht.“

 

Noch traumatisiert ist eine 19-jährige Schülerin, die in dem Markt als Aushilfe arbeitet. Sie brach während ihrer Schilderungen vor Gericht immer wieder in Tränen aus und akzeptierte im Gegensatz zu ihrer Kollegin auch die Entschuldigung des Angeklagten nicht, der eine Pistole auf sie gerichtet habe. „Ich war auch während der Tat am Weinen und es wurde nicht aufgehört“, sagte sie. Zudem ergänzte sie, dass einer der Männer türkisch gesprochen habe.

 

Murat D. versprach beiden Frauen ein Schmerzensgeld als Wiedergutmachung zu zahlen. Dafür will er sich 10.000 Euro bei seinem Bruder leihen, mit denen er das geraubte Geld (6.363,67 Euro) zurückzahlen und die Frauen entschädigen wolle.

 

Der Prozess wird fortgesetzt

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