BLAULICHT

Angeklagter im Glück: Hochzeitsfrisur wichtiger als Zeugenaussage

pn; 28.05.2024, 07:00 Uhr
Symbolfoto: olcay ertem auf Pixabay --- Die Hochzeit ist für viele Frauen der wichtigste Tag im Leben. Da muss alles stimmen, wie nun eine Zeugin vor dem Amtsgericht Gummersbach mit ihrem Fernbleiben dokumentierte.
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Angeklagter im Glück: Hochzeitsfrisur wichtiger als Zeugenaussage

pn; 28.05.2024, 07:00 Uhr
Gummersbach – Die Staatsanwaltschaft stellt ein Verfahren gegen einen 31-jährigen Gummersbacher wegen mutmaßlichen räuberischen Diebstahls ein, nachdem eine Braut den Gang zum Friseur bevorzugt hatte – Verurteilt wird der Mann trotzdem.

Von Peter Notbohm

 

Nicht nur das Hochzeitskleid hat für Frauen eine außerordentlich hohe Bedeutung, auch beim Make-Up und der Hochzeitsfriseur soll nach Möglichkeit alles perfekt sein. Da gilt es dann manchmal auch Prioritäten zu setzen. Das hat nun eine Zeugin am Amtsgericht Gummersbach getan. Statt ihrer Bürgerpflicht nachzukommen und der Ladung zum Verfahren gegen Matteo C. (Anm.d.Red.: Name geändert), der sich wegen räuberischen Diebstahls in einem Fall und wegen besonders schweren Diebstahls in zwei Fällen verantworten musste, zu folgen, ging sie zum Haar-Stylisten.

 

Der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts Ulrich Neef staunte nicht schlecht, als er die Frau am Handy erreichte und sie ihm mitteilte, dass ihr gerade das Haar onduliert (Anm.d.Red.: die Haare werden mit einer Brennschere gewellt) werde. Die Knallhart-Ansage der Braut in spe: Sie heiratet am nächsten Tag und könne deshalb auf keinen Fall erscheinen. Im Unrecht sah sie sich deshalb nicht, schließlich habe sie sich doch telefonisch bei der Wache gemeldet und ihr Nicht-Erscheinen angekündigt. Davon wusste der Richter allerdings nichts.

 

Für den 31-jährigen Angeklagten aus Gummersbach erwies sich das Fernbleiben der Zeugin als kleiner Glücksfall. Nach längeren Beratungen zwischen Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft einigte man sich darauf, das Verfahren wegen räuberischen Diebstahls mit Blick auf die beiden verbleibenden Vorwürfe unter Berücksichtigung der Wertung im Eröffnungsbeschluss vorläufig einzustellen. Einem weiteren Prozesstermin sollte damit aus dem Weg gegangen werden. Mit ihrer Aussage hätte die Zeugin klären müssen, ob sich der Angeklagte nur von ihr losgerissen oder ob er sie auch aktiv weggeschubst hatte. Verletzt worden war sie laut polizeilicher Vernehmung damals nicht.

 

Verurteilt wurde Matteo C. am Ende trotzdem: zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe wegen gewerbsmäßigen Diebstahls. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 31-Jährige im vergangenen Jahr in mehreren Supermärkten im Gummersbacher Stadtgebiet Alkohol und Energy-Dosen gestohlen hatte. Die Taten hatte der Mann allesamt eingeräumt, lediglich das Schubsen der Lidl-Angestellten bestritt er.

 

Seine Beute: 40 Jack Daniel Cola-Dosen (Wert 130 Euro) im Kaufland, 27 Red Bull-Dosen und 2 Schnapsflaschen Mümmelmann (Wert 60 Euro) bei Aldi sowie Alkohol im Wert von rund 170 Euro in einer Lidl-Filiale. In allen Fällen wurde er beobachtet, konnte aber teilweise fliehen. Das Diebesgut habe er weiterverkaufen wollen, um sich seine Heroinsucht zu finanzieren, wie sein Verteidiger Stephan Kuhl erklärte: „Es handelt sich um klassische Beschaffungskriminalität.“

 

Doch nicht nur das Fernbleiben der Zeugin machte sich für Matteo C. positiv bemerkbar, auch sein mittlerweile eingeschlagener Lebensweg sorgte für Lob vom Gericht. Der 31-Jährige hat sich Anfang 2024 eigeninitiativ in eine zweiwöchige Entgiftung in Marienheide begeben und anschließend eine Langzeittherapie begonnen. Nach Abschluss dieser ist eine Adaptionsbehandlung geplant, um mittelfristig wieder in seinem Beruf Fuß zu fassen. Zudem plant er Gummersbach zu verlassen, um alle früheren Kontakte in die hiesige Drogenszene abzubrechen.

 

Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt, angeordnet wurde zudem, dass Matteo C. seine Therapie fortsetzen und die Finger von Alkohol und Drogen lassen muss. Zudem muss er halbjährlich eine Haaranalyse abgeben. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Ob auf die säumige Zeugin ein finanzielles Nachspiel wartet, ist nicht bekannt. Nach ZPO können verursachte Kosten und auch ein Ordnungsgeld auferlegt werden. Zu dem Prozess geladen waren übrigens auch sechs weitere Zeugen: Sie konnten aufgrund des Geständnisses des Angeklagten allerdings alle unverrichteter Dinge nach wenigen Minuten wieder gehen.

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