BLAULICHT
Baby totgeschüttelt? Mutter beteuert Unschuld und belastet ihren Mann schwer
Gummersbach - Am Landgericht Köln begann der Prozess um den Tod eines 14 Wochen alten Kindes - Der Vater wurde bereits verurteilt, nun muss sich auch die Mutter verantworten - Sie ist sich keiner Schuld bewusst.
Von Peter Notbohm
Ursprünglich sollte Markos H. und Nesrin N. (Anm.d.Red.: Namen geändert) schon im vergangenen Mai gemeinsam der Prozess gemacht werden. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Die beiden Eltern sollen ihr gerade einmal 14 Wochen altes Baby am 21. Mai 2022 in der damaligen gemeinsamen Wohnung in Gummersbach zu Tode geschüttelt haben.
Doch das Verfahren verzögert sich. Beide bleiben dem Prozessauftakt fern, werden anschließend polizeilich gesucht (OA berichtete). Während der Vater (35) in seiner neuen Wohnung in Bergneustadt zügig gefunden wird (OA berichtete) und im Juni zu drei Jahren Gefängnis wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen in Tateinheit mit Beihilfe zur Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen verurteilt wird (OA berichtete), bleibt die Mutter zunächst verschwunden.
Angeblich war sie im Ausland abgetaucht, wurde am 23. September aber doch in Biberach (Baden-Württemberg) festgenommen. Seitdem sitzt sie in einer Kölner JVA in Untersuchungshaft. Sie selbst behauptet, immer bei ihren Eltern gewesen zu sein und von dem Verfahren überhaupt nichts mitbekommen zu haben. Nun muss auch sie sich wegen des Todes ihres Kindes am Landgericht Köln vor der 20. Großen Strafkammer um die Vorsitzende Sibylle Grassmann verantworten.
Auch ihr wird Fahrlässigkeit mit Todesfolge vorgeworfen. Sie soll das Kind über zehn Minuten geschüttelt haben, nachdem diesem nach dem Füttern Milch aus Nase und Mund gelaufen war und es nicht mehr reagierte. Das vollkommen unterernährte und bereits an inneren Verletzungen leidende Kind erlitt hierdurch ein Schütteltrauma und einen Gehirnschädelbruch. Vier Tage später verstarb es in einer Kölner Spezialklinik.
Gleich zum Auftakt machte die Kammer einen rechtlichen Hinweis, dass dieselbe Verurteilung wie beim Vater des Babys in Frage komme, wenn man der Mutter das Verursachen der tödlichen Verletzungen nicht nachweisen könne. Das Urteil gegen den Vater ist noch nicht rechtskräftig. Das Verfahren liegt derzeit beim Bundesgerichtshof, nachdem der Mann in Revision gegangen ist.
Seine Noch-Ehefrau (sie hat die Scheidung eingereicht, da er sie betrogen haben soll) hinterließ zum Prozessauftakt einen skurrilen Eindruck. Ihr Augen strahlten, als sie über ihr totes Kind sprach, den Zeugen hörte sie dagegen fast schon desinteressiert zu. Sie habe sich gut um ihren Sohn gekümmert, habe nie Probleme mit ihm erlebt und auch von den Verletzungen habe sie erst im Nachhinein durch ihren Anwalt erfahren. Sie sei eine gute Mutter gewesen, habe ihrem Kind auch regelmäßig zu essen gegeben, es habe aber nie zugenommen, behauptet sie.
„Was in der Anklage steht, kann richtig sein, aber ich habe nichts damit zu tun. Wie hätte ich das feststellen sollen, ich bin keine Ärztin“, sagte sie der erstaunten Richterin, die immer wieder nachhakte. Das Verhältnis zu ihren Kindern beschreibt sie als äußerst gut, auch der Vater habe sich liebevoll gekümmert und den Kindern quasi jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Nachbarn berichten das Gegenteil. Sie beschreiben die Familie vor Gericht als gefühlskalt. Der Vater sei nachts wie ein Vampir durch die Wohnung gerannt. Die Kinder habe man immer wieder weinen hören.
Schwere Vorwürfe erhob auch die Angeklagte gegen ihren Mann. Der sei der Chef der Familie gewesen. In ihrer Kultur sei es üblich, dass der Mann das Sagen habe, meinte die 40-Jährige. So habe der 35-Jährige auch mehrfach weitere Arztbesuche verhindert: „Er hat die Überweisungsscheine zerrissen.“ Zudem sei er enorm eifersüchtig gewesen und habe sie nicht einmal das Treppenhaus putzen lassen und sie kaum einmal alleine einkaufen lassen.
Auch den eigentlichen Vorfall hat sie vollkommen anders erlebt als es die Anklage erzählt: Nur ihr Mann habe das fiebrige Kind geschüttelt. Sie sei sofort zu Nachbarn gelaufen, habe um Hilfe gerufen und sei ohnmächtig geworden, als sie gesehen habe, wie ihr Mann das leblose Kind geschüttelt habe. Das Kind wurde sofort nach Gummersbach ins Krankenhaus gebracht, von dort nach Köln geflogen. Dort wurden auch ältere Verletzungen wegen stumper Gewalt festgestellt. Das Kind soll Tage zuvor die Treppe hinuntergeflogen sein. Anstatt einen Arzt aufzusuchen, sollen die Eltern nur Eiswürfel an den Kopf gehalten haben.
Dass Polizisten im Verfahren gegen ihren Mann ausgesagt haben, dass die Frau ihnen erzählt habe, dass sie das Kind gefüttert und geschüttelt habe (OA berichtete), will sie nicht glauben: „Ich war fünf Minuten lang ohnmächtig. Wie soll ich da mit Polizisten geredet haben?“, fragt sie. Auf weitere Nachfragen gibt sie Erinnerungslücken an.
Ob die Frau ihr eigenes Trauma nur verdrängt, sie die Wahrheit sagt oder ihre Aussagen eiskalte Berechnung sind, weil ihr Mann schon verurteilt wurde? Für diese Frage will sich das Gericht vier Verhandlungstage Zeit nehmen. Das Urteil soll bereits am 16. Januar fallen.
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