BLAULICHT
Cannabis: Zwei Gummersbacher wegen Drogenplantage vor Gericht
Gummersbach – Die beiden Männer müssen sich seit Dienstag vor dem Kölner Landgericht verantworten – Hoher Wasserverbrauch ließ Hanfplantage auffliegen – Angeklagte legen Geständnis ab.
Von Peter Notbohm
Eine exorbitant hohe Wasserrechnung sorgte im April 2019 dafür, dass im Gummersbacher Stadtteil Vollmerhausen eine professionelle Cannabis-Plantage aufgeflogen ist. Seit gestern müssen sich deshalb Mehmet K. und Emre B. (Anm.d.Red.: Namen geändert) vor der 25. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts unter dem Vorsitz von Richterin Dr. Isabel Voßgätter verantworten. Der Vorwurf: Handel mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge sowie die Entziehung elektrischer Energie. Konkret sollen die beiden türkischen Männer (36 und 39) in einer angemieteten Doppelgarage in der Nähe des „Subway“ auf 57 Quadratmetern eine Cannabis-Plantage betrieben haben.
Die Polizei fand etwa 700 Pflanzen mit einer Höhe von 1 bis 1,40 Meter Höhe. Das abgeerntete Cannabis hatte ein Gewicht von etwa 42 Kilo, war nach der Trocknung immer noch 13 Kilo schwer und wies einen THC-Gehalt von 4,97 bis 10,9 Prozent auf. Es hatte einengeschätzten Straßenwert von über 45.000 Euro. Zusätzlich wurden ein hochprofessionelles Be- und Entlüftungssystem sowie 46 Hochleistungsleuchten mit 600 Watt sichergestellt. Mindestens 38.000 Kilowattstunden wurden illegal am Stromzähler vorbei entzogen.
In den Fokus der Ermittler war die Plantage geraten, nachdem im Nachbargebäude der Firma Würth statt vier Kubikmeter plötzlich 800 Kubikmeter von den Stadtwerken abgerechnet werden sollten. Ein Wasserrohrbruch konnte ausgeschlossen werden, da das Wasser nicht dauerhaft lief. Der Besitzer der Garage vermutete bereits aufgrund der Umbauten (unter anderem wurde eine zweite Tür vorgebaut), dass in seinem Gebäude etwas Illegales laufen könnte, staunte dennoch nicht schlecht als er die Tür öffnen ließ. Die alarmierte Polizei benötigte mehrere Stunden alles abzuernten.
Die beiden seit Kindertagen befreundeten Gummersbacher, denen man durch den Mietvertrag und Fingerabdrücke auf die Spur kam, legten am Landgericht ein vollumfängliches Geständnis ab. Geldsorgen seien der Grund gewesen, die Plantage aufzubauen. Man habe sich einen Gewinn von mindestens 25.000 Euro erhofft. Zunächst habe man sich im Bekanntenkreis aber knapp 11.000 Euro leihen müssen, um die Setzlinge und das Equipment in den Niederlanden einzukaufen. Per Kurier wurde alles über die Grenze in die Kreisstadt geliefert.
Dass es sich um eine spontane Idee gehandelt habe, auf die man zufällig nach dem Studium mehrere YouTube-Videos und Google-Links gekommen sei, wollte das Schöffengericht dann aber doch nicht glauben und hakte mehrfach nach. Die Richterin hielt ihnen vor, dass die Professionalität der Anlage eine andere Sprache spreche. Die Männer beteuerten allerdings, dass sie sich noch nicht einmal große Gedanken um den Weiterverkauf gemacht hätten - als Straßenhändler habe man definitiv nicht auftreten wollen.
[In dieser Garage war die Plantage 2019 entdeckt worden.]
Interessant war auch die Biografie der beiden Gummersbacher. Während Emre B. bereits mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt stand, handelt es sich bei Mehmet K. um einen Ersttäter. Sein Verteidiger Udo Klemt sprach in diesem Zusammenhang von einem „nicht zu erwartenden Ereignis“. Denn sein Mandant sei über viele Jahre eigentlich „ein Macher“ gewesen. Nachdem er die Schule in der 9. Klasse trotz sehr guter Noten abbrechen musste, um die Familie zu ernähren, weil der Vater dies nicht mehr konnte, hatte er zunächst in Vilich einen Kiosk betrieben, später erfolgreich mehrere Waschstraßen und Pizzerien aufgebaut.
2011 schulte er zum Versicherungskaufmann bei der Signal Iduna Gruppe um und arbeitete sich innerhalb von zwei Jahren bis zum Spitzenreiter in NRW hoch, ehe ihn ein Burnout jäh stoppte. Nach einer Auszeit in der Türkei verließ er das Versicherungsbusiness wieder und baute mit seiner Schwester erneut eine Pizzeria auf, ehe 2016 der nächste Schicksalsschlag folgte: Sein Vater erkrankte an Krebs, an dem er zwei Jahre später auch verstarb. Für die Kosten der Beerdigung und der zahlreichen Trauerfeiern in Deutschland und der Türkei habe er sich hoch verschulden müssen.
Im Januar 2019 habe er schließlich mit seinem Freund Emre B. zusammengesessen und sei auf die Idee gekommen, die angemietete Garage, die eigentlich als Werkstatt für Gastrogeräte gedacht war, in die Plantage umzuwandeln, nachdem seine mittlerweile gegründete Logistikfirma noch Startschwierigkeiten hatte. „Gott sei dank hat das aber ein schnelles Ende gefunden“, so der Angeklagte, der versprach, sämtliche Schäden schnellstmöglich begleichen zu wollen. Das entspricht auch der Strategie seines Anwalts, der auf eine möglichst geringe Strafe hofft, damit die Existenz der Firma K.‘s, die mittlerweile 18 Mitarbeiter beschäftigt, nicht gefährdet wird.
Nachdem am Dienstag mehrere Polizeibeamte und der Vermieter der Garage vernommen wurden, wird der Prozess am kommenden Dienstag fortgesetzt. Dann wird auch das Urteil erwartet. Bis dahin will das Gericht allerdings noch einige Details klären – unter anderem, warum die AggerEnergie eine Vertragsstrafe von 76.471 Euro als Schadenssumme angegeben hat, der abgezapfte Strom aber nach Berechnungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung aber maximal 13.000 Euro gekostet haben dürfte.
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