BLAULICHT

„Das gestohlene Kalb war schnell wieder bei seiner Familie“

ls; 11.04.2025, 06:00 Uhr
BLAULICHT

„Das gestohlene Kalb war schnell wieder bei seiner Familie“

ls; 11.04.2025, 06:00 Uhr
Waldbröl – Eine 37-Jährige musste sich gestern vor dem Amtsgericht wegen mehrerer Diebstähle und Beleidigung verantworten.

Von Leif Schmittgen

 

Natalie S. (Anm. d. Red.: Name geändert) hat offensichtlich bislang kein einfaches Leben hinter sich. Nach Wohnungsverlust vor etwa zwei Jahren lebte sie zwischenzeitlich auf der Straße, nachdem ihr, so berichtete sie vor dem Waldbröler Amtsgericht, wegen Eigenbedarfs des Vermieters die Morsbacher Wohnung gekündigt wurde. Ebenda wurde die 37-Jährige 2024 binnen kurzer Zeit so oft straffällig, dass das Gericht im Februar kurzerhand Haftbefehl wegen Fluchtgefahr erließ und die Frau seither im Köln-Ossendorf auf ihren Strafprozess wartete. Die Staatsanwaltschaft warf ihr etliche Diebstähle und Beleidigung vor. Unter anderem soll die Obdachlose ein Kalb von einem Morsbacher Bauernhof gestohlen haben und das Tier im Kellerraum eines Mehrfamilienhauses eingesperrt haben. 

 

Warum? Das konnte das Gericht gestern nicht klären. Wohl aber, aus welcher Motivation heraus sie viele weitere Straftaten in den vergangenen Jahren begangen hat. „Wir haben einen ganzen Strauß von Diebstählen, warum passiert das?“, fragte Richterin Christina Knauer. S. zeigte sich auskunftsfreudig: Nach dem Hauptschulabschluss brach sie eine Ausbildung zur Friseurin ab, lebte einige Jahre in Hamburg und kehrte nach der Trennung von ihrem Freund in die oberbergische Heimat zurück. Meistens habe sie Lebensmittel und Kleidung zur Existenzsicherung geklaut.

 

Die Angeklagte räumte schließlich beinahe alle Vorwürfe ein. Einzig an die Beleidigung eines Ordnungsamtsmitarbeiters könne sie sich wegen Volltrunkenheit nicht mehr erinnern. Für das Urteil, so einigten sich Verteilung und Staatsanwaltschaft vorab, spielte der Vorwurf aber sowieso keine Rolle mehr.

 

Mehrere Damenschuhe soll S. aus dem Schrank im Treppenhaus eines offenstehen Mehrfamilienhauses gestohlen haben. Der juristische Haken: Zwei Paare waren so hochwertig, dass der Verdacht bestand, S. hätte diese weiterverkaufen wollen, um sich so ihren Lebensunterhalt aufzubessern. Das Strafmaß bei gewerblichem Diebstahl liegt deutlich höher. In Einzelhandelsgeschäften zog Natalie S. ihre eigenen Schuhe aus, um sie gegen neue aus dem Ladenregal zu tauschen oder sie bediente sich an der Auslage mit Pulli und Jogginghose, ohne zu bezahlen. 

 

In einem anderen Fall hatte sie zwei Decken aus einer Mosbacher Kirche gestohlen, offenbar um sich nachts zu wärmen. „Das ist dilettantisch und ein typisches Verhalten von Drogen- und Alkoholabhängigen“, befand die Richterin. Die Frage nach Suchtproblemen verneinte die Angeklagte aber vehement. Vielmehr befinde sie sich auf einem guten Weg, würde innerhalb Kölns gerne vom Gefängnis in ein Frauenhaus umziehen, einen Platz dort habe sie bereits sicher.

 

Auch aufgrund der günstigen Sozialprognose bat der Verteidiger darum, eine von der Staatsanwaltschaft geforderte Bewährungsstrafe von zehn Monaten in eine Geldstrafe umzuwandeln. Richterin Christina Knauer folgte dem Antrag und setzte die Bewährungszeit auf drei Jahre aus. „Sie müssen in dieser Zeit straffrei bleiben und ich bin mir sicher, dass das funktioniert. Das volle Tamtam hier vor Gericht und der Gefängnisaufenthalt hat hoffentlich gewirkt“, so die Richterin. 

 

Die 37-Jährige ist zwar mehrfach einschlägig vorbestraft, vor dem Kadi aber hatte sie bislang noch nie Platz nehmen müssen. Ihren Umzug innerhalb der Domstadt kann sie nun planen, der Haftbefehl wurde sogleich aufgehoben. Außerhalb der Rechtsprechung klärte Knauer die Öffentlichkeit noch über eine offengebliebene Frage auf: „Das gestohlene Kalb war schnell wieder bei seiner Familie."

WERBUNG
MoDiMiDoFrSaSo
311234567891011121314151617181920212223242526272829301234567891011
MoDiMiDoFrSaSo
311234567891011121314151617181920212223242526272829301234567891011