BLAULICHT
Demenzkranken (82) betrogen: Mutter und Tochter verstricken sich vor Gericht in Widersprüche
Nümbrecht – 44-jährige Bergneustädterin wird am Amtsgericht Waldbröl zu einer Bewährungsstrafe verurteilt – 82-Jährigen um 4.000 Euro geprellt.
Von Peter Notbohm
Alles nur ein großes Missverständnis oder doch ein besonders verwerfliches Handeln? Mit dieser Frage musste sich am Mittwoch am Amtsgericht Waldbröl Einzelrichterin Laura Lax im Verfahren gegen Anna H. (Anm.d.Red.: Name geändert) beschäftigen. Der Bergneustädterin (44) wurden von der Staatsanwaltschaft zwei Fälle von Betrug vorgeworfen.
Besonders perfide: Die Frau soll sich ein Opfer ausgewählt haben, das besonderen Schutz benötigt. Demenzkranke und psychisch erkrankte Menschen bekommen gerichtlich einen Betreuer zur Seite gestellt und sind auf Hilfe von Pflegern angewiesen. So auch ein 82-jähriger Nümbrechter, den Anna H., eine seiner Pflegerinnen, um mindestens 4.000 Euro geprellt haben soll.
Darlehensvertrag unter falschem Namen aufgesetzt
Am 5. Juni des vergangenen Jahres soll sie mit ihm einen Darlehensvertrag über 2.500 Euro abgeschlossen haben, dabei einen falschen Namen und eine falsche Adresse verwendet haben. Drei Wochen später, am 30. Juni, sollen noch einmal 1.500 Euro geflossen sein. Diesmal aber nicht in bar, sondern auf das Konto ihrer Tochter, die ihr das Geld direkt ausgezahlt haben soll. Der Grund: Die Angeklagte hat ein Pfändungsschutzkonto und wäre an das überwiesene Geld nicht herangekommen.
Anna H., die ohne Verteidiger bei Gericht erschien, hatte dagegen eine ganz andere Erklärung für die „Geldgeschenke“. Sie habe ein sehr enges, fast schon freundschaftliches Verhältnis zu dem Rentner gepflegt, den sie als äußerst stur beschrieb. U.a. habe sie in ihrer Freizeit sein Auto in die Werkstatt gebracht. Umso überraschter sei sie gewesen, als der 82-Jährige sich von ihr am 5. Juni zur Bank habe fahren lassen, um 7.000 Euro abzuheben. Davon habe er ihr 2.500 Euro schenken wollen. „Er hat mir das in einem Briefumschlag hingelegt und gesagt ‚Nimm das‘.
Anfangs habe sie sich noch gewehrt, es dann aber doch als Leihe angenommen. Den Vertrag habe sie mit dem Dementen unter falschen Namen aufgesetzt, damit sie keinen Ärger mit den anderen Pflegerinnen bekäme, sollten die davon Wind bekommen. Nach drei Tagen habe sie aber doch ein schlechtes Gewissen bekommen und ihm das Geld zurückgegeben. „Es war nie meine Absicht, ihn zu betrügen. Es war zwar ein Geschenk, aber wenn das Gericht es will, werde ich das Geld zurückzahlen.“ Von den 7.000 Euro fehlt bis heute jede Spur.
82-Jähriger ging davon aus, das Geld für einen Grabstein zu leihen
Die Version des Rentners gegenüber seiner Betreuerin klang ein wenig anders. Eine nette Frau habe ihn um ein Darlehen für einen Grabstein gebeten, berichtete die Betreuerin vor Gericht: „Bei einer schönen Frau kann er nicht widerstehen, hat er mir erzählt.“ Damals sei der Demenzkranke häufig durcheinander gewesen. Das habe sich inzwischen deutlich verbessert. Die Frau soll wenige Tage später sogar noch einmal angekommen sein und sich weitere 3.000 Euro geliehen haben – dies war allerdings nicht Teil der Anklageschrift.
Dafür die 1.500 Euro, die der 82-Jährige der Angeklagten am 30. Juni überwiesen haben soll. Diesmal habe sie das Geschenk angenommen, sagte Anna H. Das Geld habe sie sich direkt von ihrer Tochter auszahlen lassen. Dass es zu dieser Transaktion ebenfalls einen Darlehensvertrag gibt, begründete die Angeklagte damit, dass die Bank nach Intervention der Betreuerin des Dementen zwei Wochen später das Geld zurückgefordert habe. Sie habe deshalb nachträglich einen Vertrag aufgesetzt, um die Mitarbeiter der Bank beruhigt zu bekommen. „Ja, das war vielleicht blöd“, gab die Bergneustädterin zu.
Blöd gelaufen ist aus ihrer Sicht allerdings auch die Aussage ihrer Tochter, die sich vor Gericht in leichte Widersprüche verstrickte. Hatte die junge Frau bei der Polizei nämlich noch ausgesagt, dass man einen Darlehensvertrag aufgesetzt habe und sie außerdem 500 Euro habe behalten dürfen, berief sie sich vor Gericht auf Erinnerungslücken und meinte nun, dass ihre Mutter ihr höchstens ein wenig geliehen habe. „Ich dachte damals, das hat alles seine Richtigkeit.“ Sauer sei sie auf ihre Mutter geworden, als sich plötzlich die Polizei eingeschaltet habe.
„Abenteuerlich, nicht nachvollziehbar und lebensfremd“
Für den Staatsanwalt war die Sache damit klar. Er sprach von „abenteuerlichen, nicht nachvollziehbaren und lebensfremden“ Ausreden der Angeklagten: „Hier sollte eine Spur verwischt werden.“ Da die 44-Jährige bereits einmal wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, forderte er eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten.
Dieser Forderung kam Richterin Laura Lax nach. Als Auflage machte sie der Angeklagten zudem, die 4.000 Euro zurückzuzahlen. Sie sprach von einer besonders verwerflichen Tat, da Anna H. nicht nur einen Demenzkranken gleich zweimal innerhalb kürzester Zeit ausgenutzt habe, sondern auch ihre Tochter in die Sache hineingezogen habe. „Dass sie Skrupel gehabt haben wollen, ist nicht nachvollziehbar und eine Schutzbehauptung“, so die Richterin. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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