BLAULICHT

Ellenlange Anklage: „Was machen wir mit dem armen Teufel?“

pn; 10.10.2024, 17:00 Uhr
Archivfoto: Peter Notbohm.
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Ellenlange Anklage: „Was machen wir mit dem armen Teufel?“

pn; 10.10.2024, 17:00 Uhr
Gummersbach – 26-Jähriger finanziert seine Heroinsucht mit Diebstählen – Nun muss er ins Gefängnis und will eine Drogentherapie machen.

Von Peter Notbohm

 

Es gibt vermutlich kaum ein Geschäft in der Gummersbacher Innenstadt, in dem Sened B. (Anm.d.Red.: Name geändert) nicht Hausverbot hat. Der 26-Jährige ist heroinabhängig und hat seine Sucht mit Diebstählen finanziert. Nun muss er vorerst hinter Gitter. Das Amtsgericht Gummersbach verurteilte den Mann aus Reichshof, der zuletzt in einer Gummersbacher Notunterkunft gelebt hat, wegen besonders schweren Diebstahls in 21 Fällen (davon ein Versuch) sowie wegen versuchten Diebstahls und zwei Fällen von Sachbeschädigung sowie wegen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte zu einer Haftstrafe von zwei Jahren. Zudem wurde eine Wertersatzeinziehung in Höhe von fast 2.000 Euro angeordnet, um die Schäden wiedergutzumachen.

 

„Sie sind nicht fit genug, um allein klarzukommen und haben selbst gesagt, dass sie ihre Abhängigkeit loswerden wollen“, wendete sich Richter Ulrich Neef in seinem Urteil an den 26-Jährigen. Ursprünglich hatte dem Schöffengericht ein mehrtägiger Mammutprozess mit bis zu 60 Zeugen bevorgestanden. Jedoch räumte Sened B. alle Vorwürfe ein, sodass die Verteidigung eine Verständigung ins Spiel brachte, „um den Prozess deutlich zu verschlanken“.

 

Sein Mandant habe lange Zeit ein reguläres Leben in Deutschland geführt, sei dann aber in die Heroinsucht abgedriftet und habe anschließend im Rahmen der Beschaffungskriminalität wenig Skrupel gezeigt. Rechtsanwalt Martin Mörsdorf sprach von einer beeindruckenden Anzahl an Vorwürfen, ihm stelle sich jedoch die Frage: „Was machen wir mit dem armen Teufel?“.

 

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft füllte mehrere Akten. Die Diebstähle zwischen dem 5. Juni des vergangenen Jahres und dem 12. Januar 2024 waren weitgehend nach demselben Muster abgelaufen. Meist betrat Sened B. ein Geschäft in Gummersbach, klaute Alkohol, Handys, Brillen, Kleidung oder Schuhe und flüchtete anschließend Hals über Kopf. Mal wurde er erwischt, mal wurde er nur von Überwachungskameras aufgenommen. Selbst einen Winkelschleifer hatte er versucht unter seinem T-Shirt zu verstecken, die Beule verriet ihn aber sofort.

 

Besonders perfide: An Neujahr klaute er gemeinsam mit einem Bekannten einem Obdachlosen am Kölner Neumarkt sein gerade erst abgehobenes Bürgergeld aus den Taschen. Auch einen Ladendetektiv hat er am 20. August 2023 mit einem Messer bedroht, zudem Ordnungsamtsmitarbeiter im Rahmen einer Brandschutzkontrolle in der Gummersbacher Notunterkunft mit einem Glasbaustein attackiert. Sein Glück: Die Beamten wurden während des Gerangels kaum verletzt. Im Rahmen der Verständigung wurden zudem kleinere Delikte im Hinblick auf die zu erwartende Gesamtstrafe eingestellt.

 

In seinem Urteil stellte das Schöffengericht fest, dass Sened B. die Taten aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat. Da die Strafe nicht mehr als zwei Jahre beträgt, kann gemäß Paragraf 35 BtMG die Vollstreckung der Strafe zurückgestellt werden, wenn sich der 26-Jährige in eine Drogentherapie begibt. Er muss sich nun um einen Therapieplatz kümmern. Das wird er aus dem Gefängnis machen müssen. Denn: Aktuell sitzt der 26-Jährige eine sechsmonatige Haftstrafe des Amtsgerichts Waldbröl ab, das ihn ebenfalls wegen gewerbsmäßigen Diebstahls im Mai verurteilt hatte.

 

Das Urteil aus Gummersbach ist noch nicht rechtskräftig.

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