BLAULICHT

Erbstreitigkeiten als Motiv für Mord am Großvater?

pn; 09.08.2023, 16:39 Uhr
Foto: Lars Weber --- Ein 22-jähriger Gummersbacher muss sich derzeit am Landgericht Köln wegen Mordes verantworten.
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Erbstreitigkeiten als Motiv für Mord am Großvater?

pn; 09.08.2023, 16:39 Uhr
Gummersbach/Köln - 22-Jähriger Gummersbacher soll Haus seines Großvaters angezündet haben - Angeklagter schweigt weiter - Schwägerin berichtet von Streitigkeiten in der Familie.

Von Peter Notbohm

 

Auch am zweiten Verhandlungstag im Mordprozess gegen Daniel H. (Anm.d.Red.: Name geändert) ist die Verteidigung nicht von ihrer Strategie des Schweigens abgewichen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 22-jährigen Gummersbacher heimtückischen Mord in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung vor (OA berichtete). Er soll seinem Großvater zunächst das Schlafmittel Zopiclon verabreicht haben und nachdem der 83-Jährige geschwächt in seinem Fernsehsessel saß, dessen Wohnung angezündet haben. Der Gummersbacher hatte das Feuer noch bemerkt, sich aber nicht mehr retten können. Obwohl der 22-Jährige seinen Opa später noch aus dem Haus geschleppt haben soll, verstarb dieser einen Tag später an den Folgen der schweren Rauchvergiftung im Krankenhaus. Die Packung des Schlafmittels hatte man anschließend bei dem jungen Mann in der Wohnung gefunden.

 

Zu Beginn des zweiten Prozesstages wurden zunächst Fotos der Wohnung und des vollständig ausgebrannten Wohnzimmers gezeigt. Zusätzlich wurden abfotografierte Aufnahmen der beiden im und am Haus installierten Überwachungskameras öffentlich, auf denen zu sehen war, wie rasend schnell sich das Feuer entwickelt haben muss. Auf dem Zeitstempel der Kamera im Flur war um 12:07 Uhr eine starke Rauchentwicklung aus dem Wohnzimmer zu erkennen. Nachdem eine Minute später zunächst nur noch ein schwarzes Bild durch den Rauch zu erkennen war, schlugen keine 30 Sekunden später Flammen ins Bild.

 

Interessant waren aber auch weitere Aufnahmen, auf denen zu sehen war, dass der 83-Jährige bei der Rückkehr von einem Augenarzt kurz zuvor von seinem Enkel gestützt wurde und wie dieser anschließend mit dem Hund der Familie im Garten spielte. Zwischen diesem Moment und der Rauchentwicklung existiert ein Zeitfenster von vier Minuten. Ebenfalls zu sehen war, dass Daniel H. seinen Großvater um 12:21 Uhr selbst aus dem Hausflur ins Freie zerrte. Der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer Peter Koerfers gab dem Angeklagten anschließend den dringenden Rat, seine Strategie nochmals zu überdenken: „Wenn es hier etwas zu sagen gibt, was am Anklagevorwurf etwas ändern könnte, sollten sie das machen und nicht bis zum Schluss der Beweisaufnahme warten.“

 

Anschließend sagte Nadine H. vor Gericht aus. Die 27-jährige Schwägerin des Angeklagten gehörte zu den ersten Zeugen, die am Brandort eingetroffen waren. Sie hatte nach eigener Aussage noch versucht, in das brennende Haus zu gelangen, um den 83-Jährigen zu retten, war aber an der klemmenden Tür zum Flur gescheitert. „Ich wusste mir irgendwann nicht mehr zu helfen und bin draußen zusammengebrochen“, beschrieb sie die beklemmenden Momente.

 

Noch mehr interessierten die Schwurgerichtskammer allerdings die Tage und Stunden vor dem Brand, das Leben des Großvaters sowie das Verhältnis zum angeklagten Halbbruder ihres Mannes, dem das Haus gehört. Den 83-jährigen Verstorbenen beschrieb Nadine H. als resoluten, rüstigen Rentner, der gerne in alten Zeiten schwelgte und im Garten arbeite. Auch geistig sei er absolut auf der Höhe gewesen: „Hilfe wollte er grundsätzlich nie haben.“ Am Morgen des Brandes habe er beim Frühstück noch topfit und gut gelaunt gewirkt und wie üblich die von ihr vorbereiteten Medikamente gegen eine Lungenentzündung genommen. Das verschriebene Schlafmittel habe sie zwar damals ebenfalls von der Apotheke besorgt, das habe der 83-Jährige aber nie nehmen wollen und die Packung sei deshalb auch nie geöffnet worden.

 

Im Verhalten des Angeklagten komme ihr im Nachhinein manches merkwürdig vor, ergänzte sie. So habe dieser ausgerechnet einen Tag zuvor eine WhatsApp geschrieben, dass der Großvater mit der Zigarette vermehrt in der Hand einschlafen würde. „Schon ein sehr komischer Zufall, auch weil es nie Probleme mit fallenden oder glimmenden Zigaretten gegeben hat“, meinte sie. Auch die Behauptung von Daniel H., dass der 83-Jährige am Tag des Brandes zwei Tabletten vergessen habe zu nehmen, sei ihr seltsam vorgekommen, weil dieser die Pillen immer in einem Wurf eingenommen habe.

 

Auf die Frage, wie sie den Angeklagten beschreiben würde, musste Nadine H. zunächst überlegen: „Er ist aufrichtig und hilfsbereit, aber wenn ich ehrlich bin auch schwer zu beschreiben.“ Auffällig aus ihrer Sicht: Über Brände in der Umgebung habe er immer Bescheid gewusst. Auch bei der Frage nach dem Verhältnis von Daniel H. zu seinem Großvater tat sie sich schwer. Dieses habe nach außen zwar gut gewirkt, „trotzdem hatte ich das Gefühl, dass er ihn gehasst hat“. Auch der Großvater habe dem Enkel nach einem Einbruch in das Haus, bei dem das Ersparte des Rentners gestohlen wurde, eher misstraut, sagte sie.

 

Noch schlimmer sei das Verhältnis der Familie zum Sohn des 83-Jährigen gewesen. Während der Mann von Nadine H. der Lieblingsenkel des Großvaters gewesen sei und ihm deshalb auch das Haus und Grundstück überschrieben worden seien, gebe es zu Stefan H. überhaupt keinen Kontakt mehr, nachdem dieser 2018 nach mehreren Streitigkeiten aus dem Haus geworfen worden war. Er habe damals gedroht, dass es „nicht nur einmal knallen werde“. Kurz darauf sei es auch zu mehreren Anschlägen auf die Autos und das Haus der Familie gekommen, in deren Folge man auch die Überwachungskameras angeschafft habe. Pikantes Detail: Stefan H. habe mittlerweile anwaltlich den Pflichtanteil am Erbe eingefordert.

 

Der Prozess wird fortgesetzt.

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