BLAULICHT
Erst flogen Stöcke, dann Schläge und Tritte
Waldbröl – Bestehende Haftstrafe für 20-Jährigen wird verlängert – Er musste sich mit einem Kumpel wegen gefährlicher Körperverletzung am Amtsgericht Waldbröl verantworten.
Von Lars Weber
Seine Brüder wurden erst vor wenigen Wochen für lange Zeit hinter Gitter gebracht. Heute musste sich nun der 20-jährige Iraker Baran J. wegen gefährlicher Körperverletzung und dem Besitz von Drogen vor dem Jugendschöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Carsten Becker verantworten. Die Frage war dabei nicht, ob er in die JVA muss – denn er wurde bereits mit Handschellen in den Gerichtssaal gebracht. Da er die Bewährungsauflagen nicht erfüllt hatte, sitzt er für eine andere Sache schon sechs Monate in Heinsberg ein. Die Frage war also: Kommen auf die bestehende Strafe noch ein paar Monate drauf? Diese Frage wurde am Ende des Prozesses mit „Ja“ beantwortet. Und auch Baran J.s Kumpel, der 21-jährige Alex R., der ebenso wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt war und auf der Anklagebank saß, wurde schuldig gesprochen.
Beschuldigt wurden die jungen Männer aus Waldbröl, am 5. September vergangenen Jahres gemeinsam mit einem Bruder von Baran J. einen 20-Jährigen zusammengeschlagen zu haben. Dabei sollen die drei dem mutmaßlichen Opfer und dessen Freundin auf der Kaiserstraße gefolgt sein und sie mit kleinen Stöckchen beworfen haben. Nach der Provokation kam es irgendwann zum direkten Disput, in dessen Verlauf Baran J.‘s Bruder dem 20-Jährigen eine Backpfeife verpasst haben soll. Daraus sei schnell mehr geworden und die Angeklagten sollen selbst auch geschlagen und getreten haben, teils auch auf den am Boden liegenden Waldbröler. Dieser trug diverse Hämatome und auch eine Prellung am Brustkorb davon.
Baran J. gab an, dass er noch wisse, wie er von einem Stock kleine Ästchen abgebrochen und in die Richtung des Pärchens geworfen habe. Irgendwann habe der 20-Jährige sie dann angeschrien und es wurde handgreiflich. Dabei hätte er seinem Bruder gesagt, dass sie gehen sollten. Dunkel erinnerte er sich dennoch an einen Tritt, den er abgegeben habe, das Opfer habe jedoch sein Bein festgehalten. An weitere Tritte oder Schläge konnte er sich nicht erinnern. Er sei zu der Zeit alkoholisiert und auf Drogen gewesen, unter anderem Cannabis, Tilidin und Kokain. Den Besitz von Kokain, das die Polizei zu einem späteren Zeitpunkt bei ihm gefunden hatte, gab er zu. Immerhin: Kurz nach dem Vorfall habe er das Opfer in Waldbröl getroffen und sich entschuldigt.
Eine andere Sicht auf den Vorfall hatte Alex R., der im Laufe der Verhandlung einen eher unaufgeräumten Eindruck hinterließ und oft Einwürfe machte, wo er gar nicht gefragt war. Der 21-Jährige war der Überzeugung, dass das Opfer zuerst geschubst und geschlagen habe, nachdem Beleidigungen mit Barans Bruder getauscht worden waren. Er selbst habe dem Opfer, das er von der Schule kennt, aufhelfen wollen. Dabei habe er einen Schlag verpasst bekommen, den er erwidert habe. Dann sei er weggelaufen.
Das mutmaßliche Opfer erzählte ruhig und detailreich von dem Tag. Er sei zuvor Eis essen gewesen mit seiner Freundin, als sie auf die drei jungen Männer trafen. Diese seien ihnen gefolgt. Nach den Würfen mit den Ästchen habe er sie dreimal höflich drum gebeten, dies zu unterlassen. „Sie haben sich aber nur darüber lustig gemacht.“ Die Stöcke sind vom Himmel gefallen, sollen sie gesagt haben. Der Bruder von Baran J. habe ein Getränk in seine Richtung schütten wollen, daran habe er ihn gehindert, dann folgte der Schlag in sein Gesicht. Ein Tritt von Baran J. habe er noch auffangen können, dann aber die Balance verloren. Auf dem Boden seien Schläge und Tritte auf ihn eingeprasselt, er habe sich nur noch geschützt. Wer genau geschlagen und getreten habe, konnte er nicht sagen. Mit seinen Verletzungen war er am nächsten Tag beim Arzt.
Sehr ähnlich erzählte seine Freundin von dem Tag. Dabei kamen ihr die Tränen. Sie und ihr Freund leiden bis heute vor allem unter psychischen Problemen. Sie verlassen nicht gerne das Haus. „Wenn ich größere Gruppen sehe, werde ich panisch“, so die 18-Jährige. Die Entschuldigung von Baran J. bestätigte ihr Freund, wobei er kurz darauf noch von anderen jungen Männern bedroht worden sei, die Anzeige zurückzunehmen. Daraufhin meldete sich Baran J. nochmals zu Wort im Gericht. Er entschuldigte sich ein weiteres Mal und versicherte dem jungen Waldbröler, dass er keine Angst zu haben brauche.
Nicht nur Baran J. war schon polizeilich auffällig, auch Alex R. hat eine Vorstrafe. 2021 ging es schonmal um eine gemeinschaftliche Körperverletzung. Der Bericht der Jugendgerichtshilfe für beide Angeklagten und der Führungsbericht aus dem Gefängnis für den Iraker waren – den Umständen entsprechend – positiv. Es wurde empfohlen, bei beiden Jugendstrafrecht anzuwenden.
Weder die beiden Verteidiger der Angeklagten und schon gar nicht die Staatsanwaltschaft zogen die Beteiligung der beiden Männer an der Tat in Zweifel, vor allem aufgrund der detaillierten Aussagen des Pärchens. Wenn auch der Rechtsanwalt von Baran J. darauf hinwies, das bis zuletzt unklar gewesen sei, ob sein Mandant wirklich auf den am Boden liegenden Waldbröler eingetreten habe. Für den 20-Jährigen forderte er – unter Einbeziehung der bestehenden Strafe von einem Jahr und zehn Monaten – nur eine geringe Verlängerung der Haft. Die Rechtsanwältin von Alex R. beantragte eine Verwarnung und Sozialarbeit. Die Staatsanwaltschaft wollte Baran J. für zwei Jahre und vier Monate hinter Gitter schicken, Alex R. könnte mit einer Bewährungsstrafe von acht Monaten davonkommen.
Richter Becker und seine Schöffen sprachen beide Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung schuldig, bei Baran J. kam noch der Besitz von Drogen obendrauf. Das Gericht hielt eine Jugendstrafe über sechs Monate auf Bewährung und 80 Sozialstunden für Alex R. für angemessen. Die bestehende Strafe für Baran J. wurde indes um vier Monate auf zwei Jahre und zwei Monate verlängert. Das Urteil für Baran J. ist rechtskräftig, es wurde Rechtsmittelverzicht erklärt. Aufgrund seiner guten Führung stehen die Chancen für den 20-Jährigen gut, dadurch schnell in den offenen Vollzug zu kommen.
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