BLAULICHT

Flossen nach der Reichshofer Bluttat 20.000 Euro Schweigegeld?

pn; 21.05.2025, 16:25 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Ein 28-Jähriger aus Bulgarien und ein 25-jähriger Gummersbacher - hier mit ihren Rechtsanwälten Sarah Hemmes, Andreas Muthmann und Anna Winand - müssen sich vor dem Landgericht Bonn wegen versuchten Mordes verantworten.
BLAULICHT

Flossen nach der Reichshofer Bluttat 20.000 Euro Schweigegeld?

pn; 21.05.2025, 16:25 Uhr
Reichshof – Im Prozess wegen versuchten Mordes hat am Mittwoch das Opfer ausgesagt – Einer der Angeklagten bat vor Gericht um Entschuldigung.

Von Peter Notbohm

 

Es ist ein ungeheuerlicher Verdacht: Hassan P., das Opfer des lebensgefährlichen Messerangriffs in Reichshof-Brüchermühle (OA berichtete), könnte von der Familie eines der Angeklagten 20.000 Euro Schweigegeld versprochen bekommen haben, wenn es vor Gericht zugunsten von Saad J. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert), einem der beiden Angeklagten, aussagt.

 

Der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff bohrte am Dienstag, am dritten Verhandlungstag am Landgericht Bonn, aufgrund der im Raum stehenden Vorwürfe jedenfalls minutenlang beim 36-jährigen Reichshofer nach, warum seine gerichtliche Aussage derart von seiner polizeilichen Version abwich, biss dabei aber auf Granit. Als „total komisch“ und „ein bisschen schräg“, bezeichnete der Vorsitzende die Aussagen des Opfers.

 

Denn nach der neuen Version könnte sich der Mordvorwurf gegen den Gummersbacher Saad J. in Luft auflösen. Insgesamt 17-mal soll Esat I. (28), ein in Bulgarien lebender Syrer, in der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober des vergangenen Jahres auf den 36-Jährigen mit einem Taschenmesser mit einer acht Zentimeter langen Klinge eingestochen haben. Saad J. soll ihn dabei festgehalten haben.

 

Ein Stich verletzte Hassan P.  am Hals, verfehlte die Hauptschlagader dabei nur um einen Zentimeter. Ein weiterer Stich am Rücken durchdrang die Lunge, in die knapp anderthalb Liter Blut liefen. Nur eine Notoperation rettete den Mann. Rechtsmedizinerin Prof. Dr. Sibylle Banaschak, die am Dienstag ebenfalls aussagte, sprach von einer „akut lebensgefährlichen Verletzung“.

 

Hassan P. berichtete nun vor Gericht allerdings eine deutlich abweichende Version der Geschehnisse. Demnach sei er von der Nachtschicht nach Hause gekommen. Vor seinem Haus habe er die beiden Angeklagten gesehen und aus Sorge vor Einbrechern gefragt, wer sie seien. Die Situation sei von Anfang an angespannt gewesen. Esat I. habe dann in seine Tasche gegriffen, „weshalb ich schon Schlimmes vermutet habe“, so das Opfer. Gegenüber der Polizei hatte Hassan P. noch ausgesagt, dass er glaubte, der Mann würde nur einen Haustürschlüssel herausholen.

 

Saad J. habe ihn zunächst am Arm gepackt, ihn habe er aber schnell wegstoßen können. Anschließend habe er von dem Gummersbacher noch einen Schlag gegen das linke Auge versetzt bekommen, weshalb er kaum noch etwas gesehen habe. Mehr habe der zweite Angeklagte dann aber nicht mehr getan, so das Opfer: „Er rief ‚ich weiß, wer du bist‘ und ist dann in zwei Meter Entfernung stehen geblieben“. Der Konflikt verlagerte sich vom Parkplatz der Häuser in Richtung einer der beiden Eingangstüren. Die Messerstiche und weiteren Schläge seien anschließend nur noch durch Esat I. erfolgt.

 

Bei der Polizei hatte das noch ganz anders geklungen, wie am Dienstag auch zwei Beamte der Kriminalpolizei Köln bestätigten, die das Opfer im Krankenhaus mehrfach befragt hatten. Auch der Nachbar, der Hassan P. zu Hilfe geeilt war und erste Hilfe geleistet hatte, hatte am zweiten Verhandlungstag ausgesagt, dass er drei Personen beisammenstehen gesehen habe, als er mit einem Baseballschläger in der Hand in Richtung der Messerstecherei gelaufen sei.

 

Hassan P. beteuerte indessen, dass seine Version vor Gericht die Wahrheit sei: „Im Krankenhaus war ich sauer, stand unter Medikamenten und war fix und fertig!“ Mehrfach wiederholte er auf die bohrenden Fragen des Richters, dass „ich niemandem schaden will, der es nicht verdient hat“. Gott habe ihn am Leben gehalten, damit er die Wahrheit erzähle. Der Richter sprach von einer Riesensauerei: „Sie haben es geschafft, eine Anklage wegen versuchten Mordes zu erwirken und dass jemand seit mehreren Monaten in U-Haft sitzt und erzählen nun, das war doch viel weniger.“

 

Der Nebenklagevertreter sprach indessen von einem großen Kommunikationsmissverständnis. Seine Kollegin habe nicht von Bestechungsgeld gesprochen, sondern von dem Mindestbetrag an Schmerzensgeld, dass ihrem Mandanten im Rahmen des Adhäsionsverfahrens zustehen würde – in diesem Fall wohl mindestens 10.000 Euro. Auch das kommentierte der Richter eher bissig als „ungewöhnlich“ und startete noch einen letzten Versuch in Richtung des Opfers: „Wurden sie bedroht?“ Als Antwort bekam er ein weiteres Nein.

 

Hassan P. berichtete auch über die Folgen der brutalen Attacke. Er befinde sich in ambulanter Therapie wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, müsse zudem regelmäßig Medikamente wegen der Flashbacks nehmen und um schlafen zu können. Zudem vermutet er, dass sein Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde, weil er fünf Monate lang arbeitsunfähig geschrieben war.

 

Esat I. nutzte die Gelegenheit vor Gericht, um sich bei ihm zu entschuldigen. Die Plädoyers sind für Donnerstag angesetzt. Das Urteil soll am Montag fallen.

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