BLAULICHT

Geschädigte und Entlastungszeugin in Personalunion

lw; 23.01.2023, 16:56 Uhr
BLAULICHT

Geschädigte und Entlastungszeugin in Personalunion

lw; 23.01.2023, 16:56 Uhr
Waldbröl – 68-Jähriger musste sich vor Amtsgericht verantworten – Er soll von seiner langjährigen Lebensgefährtin unter Androhung von Gewalt Geld gefordert haben.

Von Lars Weber

 

Ohne Dolmetscherin ging es heute nicht am Amtsgericht Waldbröl. Sowohl der Angeklagte Boris K. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) als auch die Geschädigte Katharina O. konnten nur bruchstückhaft Deutsch und fühlten sich bei ihrer Aussage in ihrer Muttersprache Russisch wohler. Leicht ist es dem Schöffengericht um den Vorsitzenden Richter Carsten Becker aber trotzdem nicht gefallen, eindeutige Aussagen von diesen beiden Hauptbeteiligten zu bekommen. Dabei wogen die Anschuldigungen gegen den 68-Jährigen aus Nümbrecht schwer. Er stand im Verdacht, sich der räuberischen Erpressung schuldig gemacht zu haben. Zu den Verständigungsproblemen passten nicht nur diverse Widersprüche, sondern auch das Urteil.

 

Am 3. August des vergangenen Jahres soll Boris K. von seiner ehemaligen Lebensgefährtin Katharina O. 5.000 bis 6.000 Euro gefordert haben. In der Wohnung in Nümbrecht, die sie zu diesem Zeitpunkt beide noch bewohnt hatten, soll der 68-Jährige die Frau gegen eine Tür gedrückt und eine Hand um ihren Hals gedrückt haben. Dabei habe er laut Anklage der Staatsanwaltschaft damit gedroht, die 72-Jährige und ihre Tochter umzubringen, wenn sie ihm nicht das Geld gebe. Die Frau ging anschließend zur Filiale einer Bank, wo die Mitarbeiterin die schlechte Verfassung der Geschädigten bemerkte und die Polizei rief.

 

Über seine Rechtsanwältin ließ Boris K. mitteilen, dass er mit der 72-Jährigen zehn Jahre zusammen gewesen sei. Vor etwa vier bis fünf Jahren habe er ihr bei einer Reise nach Russland 100.000 Rubel geliehen. Später seien nochmal 2.000 Euro hinzugekommen. Beide Male habe sie das Geld für ihre Söhne benötigt. Im vergangenen Jahr, die beiden waren schon kein Paar mehr, habe er für eine weitere Reise in sein Heimatland Geld benötigt, weshalb er sich an sie gewandt habe. An dem entsprechenden Abend habe er nach langer Abstinenz eine halbe Flasche Wodka getrunken. Im Streit habe er sie angeschrien – mehr sei nicht geschehen. Über die geliehenen 2.000 Euro hatte Katharina O. wenige Wochen nach dem Vorfall auch einen Schuldschein geschrieben, der dem Gericht vorlag.

 

Bei der Aussage von der Geschädigten brauchte Richter Becker lange, um der Zeugin eine detaillierte Schilderung der Geschehnisse zu entlocken. Sie habe ihm schon verziehen, er sei ja betrunken gewesen. Bei dem Streit habe er nur die Hand gehoben, er hätte sie aber niemals geschlagen, gewürgt oder bedroht. Die Aussage weicht weit von dem ab, was sie damals bei der Polizei ausgesagt und eidesstattlich versichert habe, wurde Richter Becker ernst. „Eine falsche eidesstattliche Versicherung wäre eine Straftat.“ Etwas aufgebrachter erzählte die Rentnerin daraufhin, dass er sie schon am Hals gehalten habe. „Zugedrückt habe er aber nicht.“ Die nachfolgende Diskussion um die infrage stehenden Geldbeträge, ob es jetzt um 2.000, 5.000, 6.000 oder noch andere Summen ging, blieb ohne belastbares Ergebnis. Während der gesamten Aussage seiner ehemaligen Partnerin starrte Boris K. nur den Boden des Gerichtssaals an.

 

Die beiden weiteren Zeuginnen, eine Polizeibeamtin und die Bankangestellte, die dank ihrer Russischkenntnisse schon am Tattag als Dolmetscherin der Polizei zur Verfügung stand, schilderten den Zustand der 72-Jährigen an diesem 3. August. „Sie hatte Angst“, sagte die Bankangestellte. Bei der Beschreibung der Vorgänge in der Wohnung habe sie gestisch ein Würgen angezeigt. Auch die restlichen Aussagen waren nahe an dem, was die Staatsanwaltschaft dem 68-Jährigen zu Last legte.

 

Am Ende blieb dieser aber nichts anderes übrig, als einen Freispruch zu fordern. „Wir können keine räuberische Erpressung nachweisen. Dass etwas vorgefallen ist, ist sicher. Unklar ist, was es genau war.“ Dem schlossen sich die Verteidigung und schließlich auch Richter Becker an. „Es gibt keinen Beweis für eine Straftat“, sagte er. Die widersprüchlichen Aussagen der Geschädigten ließen ihn aber zweifelnd zurück.

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