BLAULICHT

Gummersbacher Mordprozess: „Marihuana, Heroin, Speed - Er hat alles probiert“

pn; 26.07.2024, 15:45 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Einem 21-jährigen Reichshofer (hier mit seinem Verteidiger Dr. Mario Geuenich) wird von der Staatsanwaltschaft der Mord an einem 24-Jährigen vorgeworfen.
BLAULICHT

Gummersbacher Mordprozess: „Marihuana, Heroin, Speed - Er hat alles probiert“

pn; 26.07.2024, 15:45 Uhr
Gummersbach/Köln – Sichtlich aufgewühlt sagte im Mordprozess um einen erstochenen 24-Jährigen heute die Mutter des Angeklagten am Landgericht Köln aus – Der Richter fordert ein Geständnis ihres Sohnes.

Von Peter Notbohm

 

Wie lange bleibt Mario C. (Anm.d.Red.: Name geändert) noch bei seiner Verteidigungsstrategie? Der Reichshofer (21) streitet weiterhin ab, am 29. Februar dieses Jahres einen 24-Jährigen heimtückisch am abgelegenen Bushäuschen des Gummersbacher Busbahnhofes, wo sich die örtliche Trinker- und Drogenszene regelmäßig versammelt, tödlich in den Hals gestochen zu haben (OA berichtete). Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord vor (OA berichtete). Richter Peter Koerfers ließ am Ende des zweiten Verhandlungstages am Freitag mehr als deutlich durchblicken, dass er angesichts der bislang erdrückenden Beweislast sehr wenig von der Strategie der Verteidigung hält und auch vom Auftreten des Angeklagten.

 

Im Prozess am Landgericht Köln hatte zuvor neben zwei Polizisten auch die Mutter (42) von Mario C. ausführlich ausgesagt – im Gegensatz zu ihrem Ex-Mann (60), der von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte. „Eine Mama hat unendliche Liebe und Geduld. Ich werde immer zu ihm stehen, aber trotzdem Angaben machen“, sagte die Frau.

 

Wie weit diese Mutterliebe gehen muss, beweist ein Urteil von Anfang des Jahres: Im Januar hatte das Amtsgericht Waldbröl den 21-Jährigen zu einer sechsmonatigen Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt, nachdem er u.a. im April 2023 seiner damals schwangeren Mutter in den Bauch geschlagen und getreten hatte (OA berichtete). Schon damals hatte die Frau, die zwischenzeitlich auch ein Kontaktverbot erwirkt hatte, geäußert, dass sie nicht unbedingt eine Verurteilung wolle, sondern dass ihrem drogenabhängigen Sohn endlich geholfen wird. Eine der damaligen Auflagen des Gerichts: eine verpflichtende Suchtberatung, die Mario C. laut seiner Mutter aber nie angetreten hat.

 

Ausführlich berichtete die 42-Jährige aus dem Leben ihres Sohnes, bei dem man schon früh ADHS festgestellt habe. Das habe aber nicht medikamentös, sondern durch Erziehung behandeln wollen. Während sie seiner Leidenschaft für Musik viel abgewinnen konnte, habe sie seine Liebe zum Kickboxen nie teilen können: „Als er damit anfing, ist er mir aus dem Ruder gelaufen.“

 

Vorwürfe machte sie sich zudem selbst, dass sie seinen Drogenkonsum nicht unterbunden hat. „Ich wollte nicht spießig sein und habe es zugelassen, dass er an den Wochenenden gekifft hat“, so die Mutter. Zu spät habe sie gemerkt, dass ihr Sohn zunehmend aggressiver wurde, als zu Marihuana auch noch Amphetamine, Heroin, Speed und Tabletten kamen. „Ich glaube, er hat alles probiert.“ Sein Wesen habe dies sehr zum Negativen verändert. So habe sich auch nach und nach sein gesamter Freundeskreis von ihm abgewendet.

 

Ein einschneidendes Erlebnis sei die Silvesternacht 2021 gewesen. Ihr Sohn sei damals mit tiefen Schnittwunden und einer zerschnittenen Jacke nach Hause gekommen. „Er meinte, er hätte Leben gerettet. Mehr hat er mir darüber nie erzählt.“ Ins Krankenhaus oder zur Polizei habe er auch nicht gewollt. Anschließend habe sich Mario C. völlig verändert: Er sei ängstlich geworden, habe einen exzessiven Beschützerinstinkt entwickelt und sich immer verfolgt gefühlt. Dazu passt, dass die Eltern nach seiner Verhaftung beim Aufräumen unzählige Messer in seinem Zimmer gefunden haben.

 

Von Ärger mit dem späteren Opfer habe sie aber nie etwas mitbekommen, betonte die 42-Jährige. Trotzdem hat sie eine Vermutung: Sie berichtete von WhatsApp-Nachrichten des besten Freundes im Nachgang der Tat, wonach ihr Sohn das Opfer „kaltblütig ermordet“ habe. Dabei soll auch ein Handy eine Rolle gespielt haben und „,dass man Geschäfte machen wollte“. Sie warte allerdings bis heute auf eine Rückmeldung dieses Freundes, der am ersten Prozesstag auch nicht vor Gericht erschienen war.

 

Gleichzeitig räumte sie mit der Aussage auf, dass ihr Sohn sich am Morgen nach der Tat freiwillig gestellt habe. Er sei damals mit neuer Frisur und ohne Bart an ihrem Balkon aufgetaucht und sie habe ihn aufgefordert, mit ihr zur Polizei zu fahren, nachdem in der Nacht zuvor das SEK vor ihrer Tür gestanden habe. Ihr eigenes Leben sei seit dem Prozessauftakt wieder vollkommen aus den Fugen geraten. Vorwürfe erhob sie vor allem gegen die Bild-Zeitung und einen oberbergischen Social Media-Account, der die Berichterstattung aufgegriffen hatte. Dadurch sei der Klarname ihres Sohnes öffentlich gemacht worden: „Seitdem ist das alles explodiert.“

 

Richter Koerfers wendete sich zum Ende des zweiten Verhandlungstages indessen mit deutlichen Worten an den Angeklagten. „Ich sehe Sie viel zu viel lächeln. Ist der Ernst der Lage schon bei Ihnen angekommen? Wir sind hier nicht mehr in Waldbröl beim Jugendgericht, sondern vor einem Schwurgericht!“ Die Kammer sehe bislang überhaupt keine entlastenden Momente, so der Vorsitzende weiter. Mit einer neuen Frisur und einer Rasur habe er keinen Zeugen täuschen können.

 

Selbst bei einer Verurteilung wegen Mordes habe er noch ein Leben vor sich. Noch könne der Angeklagte mit einer anderen Verteidigungslinie Pluspunkte sammeln, „aber nicht mehr, wenn man schon in den Brunnen gefallen ist.“ Der Richter weiter: „Wenn es einen Hintergrund zu dieser Tat gibt, sollten sie ihn uns präsentieren. Sie haben ein großes Problem und müssen nun reale Entscheidungen treffen!“

 

Mario C. hat nun drei Wochen Zeit, sich über ein mögliches Geständnis Gedanken zu machen. Der Prozess wird Mitte August fortgesetzt.  

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