BLAULICHT
Haftstrafen gefordert: Fanden Fahrrad-Diebstähle unter den Augen der Polizei statt?
Oberberg – Die Staatsanwaltschaft fordert für zwei der vier Angeklagten mehrjährige Haftstrafen – Mehrere Vorwürfe eingestellt – Verteidiger kritisieren Ermittlungsarbeit der Polizei.
Von Peter Notbohm
Im Prozess um den Diebstahl hochwertiger Fahrräder und E-Bikes im Oberbergischen, im Ruhrgebiet und in Rheinland-Pfalz hat die Staatsanwaltschaft am Freitag vor der 26. Großen Strafkammer am Landgericht Köln mehrjährige Haftstrafen für die beiden Haupttäter, zwei 23-jährige Ukrainer, gefordert. Die beiden Männer sollen wegen schweren Bandendiebstahls in 17 bzw. in zehn Fällen sowie wegen Beihilfe zum Diebstahl in zwei besonders schweren Fällen sowie wegen Beihilfe wegen schwerem Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen (einmal blieb es beim Versuch) für vier bzw. drei Jahre hinter Gitter. Zudem forderte die Staatsanwaltschaft eine Wertersatzeinziehung in Höhe von rund 200.000 Euro sowie von rund 125.000 Euro. Außerdem soll einer der beiden Angeklagten seinen Audi Q7 nicht mehr zurückerhalten.
Für den 19-jährigen Heranwachsenden, ebenfalls aus der Ukraine, soll das Jugendstrafrecht angewandt werden. Bei ihm sieht die Staatsanwaltschaft vier Fälle des schweren Bandendiebstahls nachgewiesen. Die Richter sollen deshalb seine Schuld feststellen, die Verhängung einer Jugendstrafe aber zur Bewährung aussetzen. Als Auflagen verlangt die Staatsanwaltschaft 80 Sozialstunden, sowie die verpflichtende Teilnahme an einem Deutschkurs. 4.350 Euro, die bei ihm im Zuge der Ermittlungen beschlagnahmt wurden, soll er nicht zurückerhalten, zudem ein Wertersatz von etwa 12.500 Euro eingezogen werden.
Für die ukrainische Freundin (22) von einem der beiden Haupttäter forderte die Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in einem Fall eine Geldstrafe in Höhe von 1.200 Euro. Dass die 22-Jährige Teil der Bande gewesen sei, habe man ihr zwar nicht nachweisen können, sagte der Staatsanwalt, Chatverläufe hätten aber gezeigt, dass die Frau zumindest von den Taten gewusst hätte und in einem Fall auch mit einem der Opfer der Diebstähle über eBay-Kleinanzeigen kommuniziert habe.
Die drei Männer hatten während des Prozesses mehrere Taten zugegeben. Mehrere Vorwürfe waren aber bereits am Montag eingestellt worden, nachdem offensichtlich war, dass die Diebstähle nicht von ihnen begangen worden sein können, von den Ermittlern der Bande aber zugeordnet worden waren. Die Staatsanwaltschaft bewertete die Geständnisse trotzdem von eher geringer Qualität, da die Angeklagten die Taten nur eingeräumt hätten und keine weiteren Angaben zu unbekannt gebliebenen Mittätern und Hintermännern gemacht hätten.
Spätestens im Januar dieses Jahres hätten sich die Männer zu einer Bande zusammengeschlossen, um ihren Lebensunterhalt mit den Diebstählen zu finanzieren. Über eBay-Kleinanzeigen sollen ab dem November 2023 Verkäufer ausgespäht und unter Vortäuschung eines vermeintlichen Kaufinteresses Besichtigungstermine vereinbart worden sein, um dabei die Örtlichkeiten auszukundschaften. Im April dieses Jahres endete die Einbruchsserie mit der Verhaftung der drei Männer.
Die Verteidigung machte in ihren Plädoyers vor allem den Ermittlern schwere Vorwürfe. „Man hätte schon im November eingreifen können, dann wäre es nie zu dieser Serie gekommen. Stattdessen hat man zugeguckt und es laufen lassen“, sagte eine Rechtsanwältin. Ein Verteidiger ergänzte: „Irgendwann ging die Polizei davon aus, dass es eine Bande gibt und trotzdem gab es unter den Augen der Polizei weitere Taten. Das muss man den Geschädigten erklären.“ Zudem habe man mit den Geständnissen das Verfahren erheblich verkürzt. „Wir hätten das Verfahren sonst bis in den nächsten Sommer ziehen können“, so eine Anwältin.
Auch mit der Qualifikation als Bande durch die Staatsanwaltschaft hatten alle Verteidiger Bauchschmerzen. Kritik gab es zudem an der Anklageschrift. „Gegen meinen Mandanten standen elf Fälle im Raum, am Ende sind es nur noch vier. Das ist der Qualität der Anklageschrift geschuldet“, sagte einer der Verteidiger. Für die beiden Haupttäter forderten sie eine milde Strafe bzw. eine maximal zweijährige Bewährungsstrafe. Zudem müssten umgehend die Haftbefehle außer Kraft gesetzt werden, da ihre Mandanten in der aktuellen Situation niemals in die Ukraine flüchten würden, da sie dort wohl sofort zum Kriegsdienst eingezogen werden würden.
Der Verteidiger des Heranwachsenden plädierte auf eine Verwarnung oder einen Arrest für seinen Mandanten in Verbindung mit den von der Staatsanwaltschaft geforderten Auflagen. Die Verteidiger der 22-Jährigen forderten einen Freispruch. Das Urteil soll am 3. Dezember fallen.
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