Oberberg – Neuer Bedarfsplan für den Rettungsdienst des Kreises im Gesundheitsausschuss vorgestellt – Neue Wachen, neue Fahrzeuge und mehr Personal notwendig.
Von Lars Weber
Der Bedarfsplan für den Rettungsdienst des Oberbergischen Kreises ist gestern bei der Sitzung des Gesundheitsausschusses vorgestellt worden. Und er ist millionenschwer: Neue Rettungswachen, mehr Standorte, eine neue Leitstelle, mehr Fahrzeuge und vor allem Personal seien notwendig, um die Rettung im weitläufigen Kreis zukunftssicher aufzustellen. Seit 2018 arbeitete das Amt für Rettungsdienst und die Leitstelle Hand in Hand an dem Bedarfsplan und es wurden Unmengen an Daten ausgewertet, um den bisher geltenden Plan von 2010 bedarfsgerecht fortzuschreiben beziehungsweise zu ersetzen. Die drei Verhandlungsrunden mit den Verbänden der Krankenkassen seien bereits erfolgreich gewesen. Jetzt muss noch die Politik zustimmen.
Die Zeit drängt bereits. Von 2013 bis 2019 hat sich das Einsatzaufkommen in der Notfallrettung mit Rettungstransportfahrzeugen (RTW) und Notarzteinsatzfahrzeugen (NEF) um 21,38 beziehungsweise 25,02 Prozent gesteigert. Die Zahl der Krankentransporte erhöhten sich im gleichen Zeitraum um 12,5 Prozent, stellte Jörg Ossenbach, Abteilungsleiter des Rettungsdienstes, beim Ausschuss vor. Die Gründe dafür, so Dr. Ralf Mühlenhaus, Amtsleiter für Rettungsdienst, Brand- und Bevölkerungsschutz, sind auch dem Umstand geschuldet, dass viele Bürger den Rettungsdienst auch in „Bagatellsituationen“ rufen, und den Notruf als normale Dienstleistung begreifen. „Die Zahl der tatsächlichen Notfälle sind nicht so sehr gestiegen.“
Entscheidend ist nun, dass die vorgegebene Hilfsfrist von zwölf Minuten in mindestens 90 Prozent der Fälle eingehalten wird. Im gesamten Kreis ist dies aber nur in Gummersbach und in Waldbröl gegeben. In allen anderen Städten und Kommunen werde die Quote- teils sehr knapp - nicht erfüllt, weil Standorte fehlen, schlecht gewählt sind oder mehr Personal und Fahrzeuge notwendig sind. Drei Bereiche fielen Ossenbach und seinem Team besonders ins Auge. Dazu gehört das Gebiet um Dahlerau in Radevormwald, die Ortslagen um die Sülztalstraße in Lindlar (L 284), die zudem einen erheblichen Unfallschwerpunkt bildet, und zudem Gebiete im Osten der Gemeinde Reichshof um das Blockhaus herum.
Lösungen seien in diesen drei Fällen zum Beispiel die Stationierung eines weiteren RTW in Radevormwald sowie eine neue Wache im Norden. In Lindlar sollte ein weiterer RTW bei Hartegasse positioniert werden, ein weiterer in Reichshof-Eckenhagen. Weitere neue Rettungswachen seien auch aufgrund der aktuellen technischen und gesellschaftlichen (Umkleiden, Aufenthaltsräume etc.) Gegebenheiten notwendig in Engelskirchen (Richtung Hardt oder Blumenau), Morsbach-Lichtenberg, Bergneustadt, Hückeswagen und Waldbröl. Erweitert werden müssen Bielstein (RTW im Tagdienst) und der Zentralstandort in Bomig. Die Wache in Gummersbach ist sanierungsbedürftig.
Zusätzlich zu den aktuell 14 RTW-Fahrzeugen und sechs NEF-Fahrzeugen seien insgesamt elf neue RTW und zwei weitere NEF nötig. Darin inbegriffen sind drei Fahrzeuge für den RTW-A, das Rettungsfahrzeug für den Akutfall, der nun auch im Oberbergischen Kreis Einzug erhält. Diese seien zeitunkritischer einzusetzen (zum Beispiel Sekundärverlegungen, Intensivtransporte) und sollen in Gummersbach, Waldbröl und Hückeswagen stationiert werden.
Personell haben diese Pläne natürlich auch Auswirkungen. Die Zahl der Mitarbeiter für die RTW müsste fast verdoppelt werden, von aktuell 129,2 Stellen auf 204,1. Der Notfallsanitäter- und Rettungssanitäterbedarf – der Kreis bildet an der AGEWIS auch selbst aus - ist enorm. Aber auch Notärzte (plus fünf, insgesamt 30) und zusätzliches Personal für Krankenwagen (plus sechs, insgesamt rund 60) und NEF (plus sieben, insgesamt 35) werde benötigt. Von aktuell elf Notfallsanitäter-Azubis im Jahr müsse die Zahl auf 25 aufgestockt werden. Insgesamt, inklusive Verwaltung und Administration, seien rund 368 Vollzeitstellen für den Rettungsdienst nötig.
Auch die Leitstelle stand auf dem Prüfstand, wie Abteilungsleiter Julian Seeger sagte. „Wir sind sozusagen der Durchlauferhitzer.“ Alle Anrufe für die Rettung laufen bei ihnen ein. Dementsprechend macht sich die Steigerung der Einsatzzahlen auch auf der Leitstelle bemerkbar. Die Berechnungen zeigten, dass 23.900 Jahresstunden bei den besetzten Einsatzleitplätzen vorzuhalten sind. Aktuell sind es 21.674. Dies führt zu mehr Stellen in der Disposition, aber auch in anderen Bereichen der Leitstelle, sei es die Verwaltung oder die Systemadministration. Damit nicht genug: „Zwischen den technischen Anforderungen und der baulichen Situation klafft inzwischen eine große Lücke“, so Seeger. 300 Quadratmeter bietet die Leitstelle. „Wir brauchen aber eigentlich 1.300.“ Das heißt: Der Neubau einer Leitstelle sollte angegangen werden.
Locker im mittleren zweistelligen Millionenbereich liegt die Umsetzung des Bedarfsplans, der über Krankenkassen und die Gebühreneinnahmen des Kreises finanziert werden soll. Über die neue Gebührensatzung für den Rettungsdienst werde bald verhandelt. Die Verwaltung beabsichtigt, mit der Umsetzung des Rettungsbedarfsplanes im Jahr 2021 und 2022 sukzessive zu beginnen, soweit die notwendigen haushalts-rechtlichen Voraussetzungen dargestellt werden können. Außerdem muss die Politik natürlich zustimmen. Beim Gesundheitsausschuss gestern gab es aus den Fraktionen viel Lob für die Arbeit des Amts. Da der Bedarfsplan aber erst kurz vor der Sitzung vorlag, wollten sie ihn zunächst fraktionsintern beraten, bevor spätestens beim Kreistag vor der Sommerpause darüber abgestimmt wird.
KOMMENTARE
1
Investitionen in den Rettungsdienst sind immer gut.
Auch wenn es etwas verwundert, dass die relativ neue Wache in Bielstein jetzt schon erweitert werden muss.
2
Ich kann das alles nicht nachvollziehen. Für mich klingt das ziemlich übertrieben. Der Bedarfsplan und die genannte Investitionssumme sollten m.E. umgehend extern geprüft werden.
MELATI, 20.05.2021, 20:18 Uhr3
Übertrieben? Will ich kaum glauben.
Aufgrund der Fläche ist es nunmal so, dass das Einhalten von Hilfsfristen problematisch ist und Wachen an Standorten erfordert, die dann ggf. nur geringe Einsatzzahlen haben werden. Und dann kommen noch insg. steigende Einsatzzahlen dazu.
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