BLAULICHT

In Unterhose aus dem Polizeigewahrsam geflohen

pn; 22.01.2025, 15:34 Uhr
Symbolfoto: Peter Notbohm.
BLAULICHT

In Unterhose aus dem Polizeigewahrsam geflohen

pn; 22.01.2025, 15:34 Uhr
Gummersbach – 24-jähriger Junkie muss sich wegen schwerer räuberischer Erpressung und Körperverletzung am Landgericht Köln verantworten – Er soll einen 19-Jährigen im Stadtgarten mit Pfefferspray bedroht haben.

Von Peter Notbohm

 

Sie habe in ihrer 30-jährigen Laufbahn bereits einiges erlebt, an Said N. (Anm.d.Red.: Name geändert) könne sie sich aber noch sehr genau erinnern, sagte am Mittwoch eine Polizistin (46) am Landgericht Köln aus. Dort muss sich der junge Mann aus Moers (24) seit vergangener Woche wegen schwerer räuberischer Erpressung und Körperverletzung verantworten.

 

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am 20. Juli des vergangenen Jahres auf dem Steinmüllergelände in Gummersbach einen 19-Jährigen mit einer Dose Pfefferspray bedroht zu haben, um sein Handy, sein Portemonnaie mit zehn Euro Bargeld sowie seine EC-Karten zu rauben. Beide Männer hatten sich demnach erst am Tattag am sogenannten Trinkerbüdchen am Gummersbacher Busbahnhof kennengelernt. Das Pfefferspray soll nicht zum Einsatz gekommen sein, am ersten Prozesstag hatte das Opfer ausgesagt, dass ihm Said N. aber einmal ins Gesicht geschlagen habe.

 

Noch am selben Tag war der 24-Jährige festgenommen worden und hatte die Nacht in einer Polizeizelle verbringen müssen, nachdem er erst elf Tage zuvor eine längere Haftstrafe abgesessen hatte. Soll er sich am Abend noch äußerst aggressiv verhalten haben, sei es im Laufe der Nacht und am nächsten Tag zu keinen weiteren Vorfällen gekommen.

 

„Die Kollegen sagten, er sei über Nacht total friedlich gewesen und alles wirkte total entspannt“, berichtete die Polizistin, dass sie dem Beschuldigten vor der Fahrt zum Haftrichter noch eine Zigarette angeboten und das Gespräch gesucht habe. „Ich dachte, der ist wieder runter, er tat mir auch leid“, berichtete die Polizistin weiter. Als das Gespräch allerdings auf mögliche Hilfe und die Klinik in Marienheide gelenkt wurde, sei die Stimmung schlagartig gekippt.

 

„Was dann passierte, habe ich in 30 Jahren noch nicht erlebt“, so die Polizistin. Said N. habe sich seine weite Jogginghose runtergerissen, sei über den Hof der Polizeiwache gerannt und über den knapp 2,5 Meter hohen Zaun getürmt. Sie habe dem Mann noch hinterhergebrüllt, der habe aber wie im Wahn gewirkt. Erst 45 Minuten später habe man ihn – in Unterhose - auf dem Steinmüllergelände wiedergefunden.

 

Auch auf der Fahrt zum Amtsrichter nach Bergisch Gladbach sei Said N. auffällig gewesen. Er habe die beiden Beamten auf der rund einstündigen Fahrt immer wieder bedroht und ihnen Gewaltfantasien erzählt. Dazu habe er versucht zu treten und immer wieder an die Dienstwaffe ihres Kollegen zu kommen.

 

„Das war irre und richtiger Psychoterror. Wir hatten das Gefühl, dass er es drauf anlegt, dass wir auf ihn schießen. Als wir ihn am Amtsgericht abgegeben haben, brauchten wir erst einmal 15 Minuten, um selbst runterzukommen“, so die Polizistin. Der Einsatz sei auch polizeiintern aufgearbeitet worden. Seitdem würden auch Zivilwagen mit Spuckhauben und Fußfesseln ausgestattet, berichtete die Beamtin.

 

Said N. verfolgte die Schilderungen mit gesenktem Kopf, den Vorfall mit dem Pfefferspray hatte er bereits am ersten Prozesstag eingeräumt, allerdings ausgesagt, dass er die Dose dem 19-Jährigen nie ins Gesicht gehalten habe. Er saß bereits zweimal in Haft wegen räuberischer Erpressung, Wohnungseinbruchsdiebstahls, Körperverletzung sowie Besitzes von Betäubungsmitteln.

 

Gegenüber der psychiatrischen Gutachterin Dr. Valenka M. Dorsch soll er geäußert haben, dass er nach seiner Haftentlassung mit seinen 380 Euro Übergangsgeld zunächst nach Krefeld und anschließend nach Hildesheim gefahren sei und dort jeweils sofort die örtliche Drogenszene aufgesucht habe. Als er pleite war, soll er nach Gummersbach gefahren sein, weil er das Trinkerbüdchen aus seiner kurzen Zeit in der Klinik in Marienheide kannte.  Ihr gegenüber habe er auch mehrfach den Wunsch nach einer Therapie geäußert.

 

Die Fachärztin sprach im Rahmen ihres Gutachtens vom Fall eines Systemsprengers, der schon in Kindheitstagen aufgrund seiner dysfunktionalen Verhaltensweisen seine Eltern überfordert habe. Bereits mit zwölf Jahren habe Said N. erstmals Marihuana geraucht und sei nur wenig später auf Amphetamine als Hauptdroge umgestiegen.

 

Neben einer schweren Sucht diagnostizierte sie bei ihm eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, dissozialen und schizoiden Anteilen. Der fortgesetzte Drogenkonsum habe bei ihm zu einem Bruch der Persönlichkeitsentwicklung geführt. Die Tat am Steinmüllergelände habe der 24-Jährige im Rausch ausgeführt, sodass seine Schuldfähigkeit aus ihrer Sicht zumindest beeinträchtigt war. Sie empfahl dringend die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, um Said N. von weiteren Taten abzuhalten.

 

Genau das forderte auch die Staatsanwaltschaft, die zudem eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten beantragte. Keinen konkreten Antrag gab es von der Verteidigung: Rechtsanwalt Maximilian Eßer plädierte lediglich auf eine geringere Strafe sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Das Urteil verkündet die 25. Große Strafkammer am kommenden Mittwoch.

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