BLAULICHT

Jahrelang geht es ohne Straftaten – dann kommt eine Frau um die Ecke

lw; 11.07.2024, 16:50 Uhr
Archivfoto: OA.
BLAULICHT

Jahrelang geht es ohne Straftaten – dann kommt eine Frau um die Ecke

lw; 11.07.2024, 16:50 Uhr
Gummersbach – Einem 43-jährigen Gummersbacher wurde Einbruchdiebstahl in mehr als 15 Fällen vorgeworfen – Urteil nächste Woche.

Von Lars Weber

 

Gut 20 Jahre gelang es Tim P. (Anm.d.Red.: Name geändert), nicht mehr wegen Diebstahls vor Gericht zu landen. Und das trotz stetigen Drogenkonsums, den er sich mit diversen Jobs, vor allem als Bauhelfer, finanzierte. Doch plötzlich riss die Serie. Heute hat sich der 43-Jährige aus Gummersbach wegen diverser Einbruchsdiebstahldelikte vor dem Schöffengericht um den Vorsitzenden Richter Ulrich Neef verantworten müssen. Für seinen Verteidiger Udo Klemt ist die Sache klar: die Freundin des Angeklagten hat ihn wieder auf den unrechten Pfad und in die U-Haft geführt. Die Frage ist nun: Muss Tim P. im Gefängnis bleiben - oder reicht eine Bewährungsstrafe mit strengen Auflagen?

Es dauerte eine Weile, bis die Staatsanwaltschaft die Anklage verlesen hatte. Alle vorgeworfenen Taten sollen sich in Gummersbach und Bergneustadt zugetragen haben, mit Ausnahme eines Tankbetrugs an der Raststätte Aggertal Nord. Bei den ersten beiden Strafsachen soll der Angeklagte noch Begleitung von einem Mittäter gehabt haben. Sowohl Mitte Juli als auch Ende September 2023 soll dabei jeweils ein Auto gestohlen worden sein. Einmal sei der Ersatzschlüssel des Fahrzeugs im Auto gefunden worden, nachdem das Fenster eingeschlagen wurde. Das gestohlene Auto hätte der Angeklagte dabei gar nicht fahren dürfen: Er besitzt keine gültige Fahrerlaubnis. Dass auf der Fahrt auch noch ein anderes Auto beschädigt wurde, sollen die Täter ebenso in Kauf genommen haben.

Alle weiteren Taten, insgesamt 16 Stück, soll der 43-Jährige mit seiner Verlobten begangen haben. Auffällig: Nach einer Tat im Juli 2023 war bis auf einen Vorfall bis in den Februar diesen Jahres kriminelle Pause. In dieser Zeit saß seine Partnerin nämlich selbst im Knast.

Der Modus Operandi war bei den Taten stets ähnlich. Die beiden sollen durch die Straßen gezogen sein, um nach offenen Fahrzeugen Ausschau zu halten oder Autos, wo offensichtlich Beute zu holen war. Einige Male befand sich sogar der Ersatzschlüssel im PKW, sodass sie gleich das ganze Auto mitnehmen konnten. Zu Geld machten sie den fahrbaren Untersatz später allerdings nie. Darüber hinaus erbeuteten sie Geld, Tablets, Handys, Jacken, Taschen, einen Laptop oder auch Bankkarten. Diese nutzten sie vornehmlich an Zigarettenautomaten. Die Beute wurde vor allem für die Finanzierung der Drogensucht benötigt. Insgesamt kamen etwa 3.600 Euro an Schaden zusammen.

Rechtsanwalt Klemt stellte die Verlobte als „sehr drogenabhängig" und "sehr labil" da. " Sie brauchte ihn für die Taten." Die Frau beschuldigte in ihren Aussagen bei der Polizei wiederum einzig und allein ihren Verlobten. Dies nutzte er nicht für die Retourkutsche. Der Umstand, dass er die Taten zusammen mit seiner Partnerin verübt habe, solle keine Entschuldigung oder Rechtfertigung darstellen, machte Klemt später klar.

Sein Mandant verhalte sich in der JVA einwandfrei und befinde sich wegen seiner Sucht in Substitutionsbehandlung. Die Taten räumte er bis auf eine ein, so wie die Staatsanwaltschaft sie vorgetragen hatte.

Die Hoffnung der Verteidigung, die Klemt noch vor den Plädoyers ins Spiel brachte: eine Bewährungsstrafe über zwei Jahre mit klaren und strengen Auflagen. Die Staatsanwaltschaft hatte Zweifel daran. Auch, weil das Vorstrafenregister gut gefüllt ist. Zwar liegt der letzte Einbruch 20 Jahre zurück, anschließend war er aber noch einige Male ohne gültigen Führerschein unterwegs – und musste auch deshalb schon einsitzen. Dennoch: das letzte Mal auffällig wurde er vor zehn Jahren, seitdem hatte er nichts mehr zu tun mit Polizei oder Richter.

Und das, obwohl Tim P. stark suchtkrank ist. Wie sein Anwalt ausführte, kam er bereits als 14-Jähriger zum ersten Mal mit Drogen in Kontakt. Er soll sie danach nie wirklich loswerden. So habe er sich auch während der Taten auf Drogen befunden, vor allem Heroin und Kokain soll der 43-Jährige genommen haben. Dies zeigte unter anderem auch eine Blutanalyse. Zudem wurden bei der Durchsuchung der "vermüllten" Wohnung auf dem Bernberg benutzte und offene Spritzen gefunden - neben diversem Diebesgut.

Schließlich verzichtete die Staatsanwaltschaft darauf, doch noch weitere Zeugen hören zu wollen. Sie forderte in ihrem Plädoyer drei Jahre und drei Monate Haft – eine Bewährung kommt bei der Höhe nicht mehr infrage. Aufgrund des Geständnisses sah sie es als erwiesen an, dass sich der Angeklagte des gemeinschaftlichen Einbruchdiebstahls, des Betrugs, des Computerbetrugs und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft hob hervor, dass der 43-Jährige es nicht seiner Partnerin gleich gemacht und die Schuld weitergeschoben habe. Es sei tragisch, dass er zehn Jahre ohne Straftat geschafft habe, und dann doch wieder rückfällig geworden sei. Gegen eine mildere Strafe sprach aber die Schadenshöhe – die Staatsanwaltschaft erinnerte auch an die eingeschlagenen Scheiben diverser Autos -, die Vielzahl an Taten und die „massive Taktung“. Im Februar waren der Angeklagte und seine Partnerin ganze Nächte unterwegs, wo drei Brüche hintereinander verübt worden seien.

 

Verteidiger Klemt blieb indes wie während der Verhandlung angedeutet dabei, eine Bewährungsstrafe zu beantragen. Er hob den Umstand hervor, dass es sein Mandant geschafft habe, trotz einer Suchterkrankung und ständigem Kontakt in die Szene sein Leben fast durchgängig noch sehr im Griff gehabt zu haben, dass er nicht in die Beschaffungskriminalität abgedriftet sei. Stattdessen habe er die Sucht durch Arbeit finanziert – „das ist bemerkenswert“. Dies zeige auch, dass er das Gefängnis nicht brauche, um sein Leben wieder besser unter Kontrolle zu bekommen. Zwei Faktoren müssten dafür beseitigt werden: der Kontakt zu der Partnerin und die Drogen. Beides sollte zu Auflagen gemacht werden. „Dann hält er sich wieder an die Regeln der Gesellschaft“, ist Klemt überzeugt. Für ein mildes Urteil spreche zudem, dass der 43-Jährige schon ein halbes Jahr im Gefängnis hinter sich habe und er aufgrund des Drogenkonsums während der Taten vermindert schuldfähig gewesen sei.

 

Das Urteil möchte das Schöffengericht um Richter Neef kommenden Freitag verkünden.

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