BLAULICHT

Jahrelanger Nachbarschaftsstreit: Beim Grillen flogen die Fäuste

lw; 30.10.2025, 06:00 Uhr
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Symbolfoto: OA.
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Jahrelanger Nachbarschaftsstreit: Beim Grillen flogen die Fäuste

lw; 30.10.2025, 06:00 Uhr
Waldbröl – 38-Jährigem wird unter anderem gefährliche Körperverletzung vorgeworfen – Aussage gegen Aussage - Gibt es neutrale Zeugen?

Von Lars Weber

 

Es ist ein Streit, der bereits sechs, sieben Jahre zurückreicht und der jetzt nicht zum ersten Mal vor Gericht gelandet ist. Zwei Familien in einem Mehrfamilienhaus sind sich so spinnefeind, dass – so legt es die Verhandlung am Dienstag am Amtsgericht Waldbröl bei der Richterin Christina Becher nahe – Provokationen und Beleidigungen zum Alltag gehören – zumindest eine Zeitlang. Bei dem Prozess auf der Anklagebank Platz nehmen musste der 38-jährige Karl O. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert). Vorgeworfen wird ihm gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung. Es war der Auftakt zu mehreren vorgesehenen Terminen. Aber schon nach dem ersten Verhandlungstag war klar: Das Gericht wird es nicht einfach haben, Licht in die Vorkommnisse zu bringen. Aussage steht gegen Aussage.

 

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft soll Karl O. bei einer Grillfeier der Nachbarn am 6. April vergangenen Jahres eskaliert sein. Das Grillen fand draußen im Garten am Mehrfamilienhaus in Waldbröl statt, als der 38-Jährige um 15:45 Uhr dort aufgetaucht sein soll. Nach Beleidigungen habe er dem 28-Jährigen Igor U. gegen die Brust treten und ihn ins Gesicht schlagen wollen. Der Tritt soll aber nur die Hand des Kontrahenten erwischt haben. Es entwickelte sich eine Auseinandersetzung, in die weitere zwei männliche Mitglieder der Familie des 28-Jährigen involviert gewesen sein sollen. Dabei soll auch der Angeklagte Schläge abbekommen haben. Zudem soll der 38-Jährige zwei anwesende Frauen beleidigt und bedroht haben. „Ich stech dich ab“, soll er gesagt haben. Nachdem die erste Eskalation kurzfristig durch den Vater des Angeklagten aufgelöst worden sei, habe es nur wenige Minuten später ein weiteres Aufeinandertreffen im Hausflur gegeben.

 

Aus Sicht des 38-Jährigen und seiner Rechtsanwältin ging die Aggression aber nicht von ihm aus, sondern von der anderen Familie. Es sei schon ein langer Nachbarschaftsstreit, im Rahmen dessen es „dauerhafte Belästigungen“ gegeben habe, so die Rechtsanwältin. Ihr Mandant sei an jenem Tag runtergegangen, um mit der anderen Familie zu reden. Er sei aber direkt aggressiv angegangen worden und von Alexander J. ins Gesicht geschlagen und von Igor U. in den Rücken getreten worden. Auch als er am Boden lag, sei er weiter malträtiert worden. Erst sein Vater habe die Situation etwas aufgelöst. Diverse Beleidigungen seien ausgetauscht worden. Kurze Zeit später sei der Angeklagte im Hausflur von einer der anwesenden Frauen geschlagen worden. Der Angeklagte musste - vor allem aufgrund der ersten Schlägerei - mit einer Verletzung am Wangenknochen ins Krankenhaus und auch operiert werden.

 

Von Richterin Becher gezeigte Videos zeigten Aufnahmen erst nach der handfesten Auseinandersetzung. Darin ist die von der Staatsanwaltschaft angeklagte Bedrohung zu hören und ebenso eine Beleidigung seitens des Angeklagten. Seiner Erinnerung halfen die bewegten Bilder auf die Sprünge und er räumte die Bedrohung ein. Ein Tatbestand, der sich auch in seinem Vorstrafenregister wiederfindet, das elf Einträge aufweist. Auch wegen gefährlicher Körperverletzung oder gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung fiel Karl O. schon auf. Der Großteil der Taten ereignete sich von 2006 bis 2009, dann erst wieder ab 2017.

 

 „Ich werde die ganze Zeit provoziert“, sagte der Angeklagte zu den aktuellen Vorwürfen. Ein ähnliches Bild zeichneten auch Mutter und Vater des Angeklagten im Zeugenstand. Als einen Grund für den Start der Auseinandersetzung vor etwa sieben Jahren nannte die Mutter (61) einen Streit um einen Privatparkplatz.

 

Seit den Geschehnissen sei es etwas ruhiger geworden, manche Beteiligte wohnten nicht mehr in dem Mehrfamilienhaus. So auch der erste Zeuge der anderen Familie, der Geschädigte Igor U. Er hatte gleich noch ganz viele Schreiben von Anwälten im Gepäck, die die Komplexität der schwierigen Nachbarschaft unterstreichen sollten, für den verhandelten Sachverhalt aber keine Rolle spielen sollten. Er schilderte den Tag ähnlich der Anklage. Er und seine Familie hätten sich lediglich gewehrt gegen den Angeklagten, der ihn sofort gegen die Brust habe treten wollen. Er habe aber ausweichen können. Nur den Daumen habe der 38-Jährige erwischt. Ein Attest für die Verletzung gebe es, fehlte aber in seinen mitgebrachten Unterlagen. Nachdem er selbst ausgewichen war, habe er den Angeklagten auch geschlagen, um sich zu verteidigen.      

 

Interessant: Sowohl Igor U. als auch die Mutter des Angeklagten berichteten von Gerüstbauern, die an jenem Tag ums Haus arbeiteten und als neutrale Zeugen infrage kommen könnten. Sie sind auch in den gezeigten Videos zu sehen. Die Männer hätten auch die Auseinandersetzung im Garten mitbekommen. Richterin Becher möchte nun prüfen, ob man diese als Zeugen laden kann.

 

Der Prozess wird am 18. November fortgesetzt.

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