BLAULICHT
Judenhass im Netz: Bewährungsstrafe für 50-Jährigen
Waldbröl – Wegen Volksverhetzung musste sich ein Mann aus der Gemeinde Reichshof am Amtsgericht Waldbröl verteidigen – Auch Holocaust soll geleugnet worden sein.
Von Lars Weber
Es sind deutliche Worte, die auf der Social-Media-Plattform „Gettr“ von dem 50-jährigen Angeklagten Jens K. (Anm.d.Red.: Name geändert) gewählt worden sein sollen. Mit antisemitischen Klischees und darauf aufbauenden Verschwörungstheorien soll er in zwei Postings gegen Juden gehetzt haben, obendrein auch noch den Holocaust als Lüge bezeichnet haben. Obwohl die Aussagen unter seinem Pseudonym, angelehnt an das germanische Volk der Teutonen, abgesondert wurden, hat der Mann aus der Gemeinde Reichshof sämtliche Vorwürfe heute vor Richterin Laura Lax am Amtsgericht Waldbröl bestritten. Dort war er aufgrund zweier Fälle der Volksverhetzung, einmal in Tateinheit mit der Leugnung des Holocaust, angeklagt.
Abgesondert worden sein sollen die beiden Postings laut Staatsanwaltschaft im Januar 2023 und im Februar dieses Jahres, also in einem Abstand von etwa einem Jahr. Auf der Internetplattform, die von einem Berater und Sprecher Donald Trumps vor drei Jahren gegründet wurde, hat der 50-Jährige immerhin 3.000 Follower. Nachdem die Polizei auf ihn aufmerksam wurde, wurde seine Wohnung – er wohnt bei seiner Mutter in einem Dorf in der Gemeinde Reichshof – im Juli durchsucht und ein Tablet sichergestellt.
„Ich kenne den Paragrafen 130, da würde ich mir ja selbst ins Bein schießen mit so Äußerungen“, eröffnete Jens K. seine eigene Verteidigung. Auf einen Rechtsbestand verzichtete er. In dem Paragrafen 130 wird die Strafbarkeit von Hassreden, Verleumdungen und Verharmlosungen gegen bestimmte Gruppen oder Personen im Deutschen Strafgesetzbuch geregelt. „Ich habe die Beiträge nicht gepostet. In unserer digitalen Transformation kann sich jeder dort einloggen.“ Damit meinte er, dass sein Account gehackt worden sein müsse und jemand Fremdes die Hetzparolen gepostet hat. Zu Hause würde nur er ins Netz gehen, seine Mutter könne das gar nicht. „Ich hasse weder Juden noch andere Volksgruppen“, betonte er.
Auf der Plattform sei er damals täglich unterwegs gewesen, um sich „unabhängig zu informieren“, wie er sagte. Auf die Nachfrage von Richterin Lax, warum ihm dann nicht aufgefallen sei, dass jemand unter seinem Pseudonym poste, verstrickte sich der Angeklagte in Widersprüche. Dass es von der Plattform aus Benachrichtigungen bei neuen Posts oder Nachrichten gebe, bestritt er zunächst, nur um dem dann doch zustimmen zu müssen, nachdem die Richterin ihm ein Bild der Benutzeroberfläche von Gettr gezeigt hatte.
Auch eine mögliche und übliche E-Mail-Benachrichtigung, dass gegebenenfalls jemand Drittes versucht haben könnte, sich von einem fremden Computer in seinen Account einzuloggen, habe es nicht gegeben. Nachdem der Angeklagte überraschend Besuch von der Polizei bekommen hatte, habe er zudem von einem möglichen Hackangriff nichts erwähnt. Dies fand die Richterin verwunderlich.
Im Laufe der Beweisaufnahme wurde der 50-Jährige nach und nach immer lauter und fiel der Richterin häufiger ins Wort – bis er sich dazu entschloss, einfach gar nichts mehr zu sagen. So gab es auch wenig Auskünfte zu seinen persönlichen Hintergründen, außer, dass seine Mutter ihn finanziert. Sie saß ebenfalls im Gerichtssaal. Einer Arbeit könne er aus gesundheitlichen Gründen nicht nachgehen. Und vom Staat möchte er auch keine Unterstützung haben. Vorstrafen gegen dem Reichshofer gibt es aber keine.
Die Staatsanwaltschaft war indes von der Schuld des 50-Jährigen überzeugt. Er sei die einzige Person im Haushalt, der die elektronischen Geräte genutzt habe. „Eine überzeugende Darstellung, dass ein Dritter die Postings gemacht hat, gab es nicht.“ Es hätte dem Angeklagten auffallen müssen, wenn jemand anderes in seinem Namen poste. „Das widerspricht jeder Lebenserfahrung.“ Die Staatsanwaltschaft beantragte sieben Monate auf Bewährung. Diesem Antrag folgte Richterin Lax. Dass durch einen Hackerangriff jemand Fremdes die Postings abgesondert haben soll, bezeichnete sie als Schutzbehauptung. Sie schloss sich der Argumentation der Staatsanwaltschaft an.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
ARTIKEL TEILEN