BLAULICHT

Kein Freispruch! Vater des tot geschüttelten Babys muss hinter Gitter

pn; 26.06.2024, 12:00 Uhr
Foto: Peter Notbohn ---- Für drei Jahre muss ein 35-Jähriger Bergneustädter hinter Gitter. Das Landgericht Köln sieht es als erwiesen an, dass er mitschuldig am Tod seines 14 Wochen alten Sohnes ist.
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Kein Freispruch! Vater des tot geschüttelten Babys muss hinter Gitter

pn; 26.06.2024, 12:00 Uhr
Gummersbach – Im Prozess um einen tot geschüttelten 14 Wochen alten Säugling ist am Landgericht Köln das Urteil gefallen – Richterin spricht von Vertuschungen, Lügen und Verweigerung ärztlicher Hilfe - Bergneustädter soll drei Jahre ins Gefängnis.

Von Peter Notbohm

 

Den Begriff „Rabeneltern“ nahm Richterin Sibylle Grassmann zwar nicht explizit in Mund, in ihrem Urteil ließ sie aber keinen Zweifel daran, dass Markos H. (Anm.d.Red.: Name geändert) und seine immer noch untergetauchte Noch-Ehefrau (40) solche gewesen sein müssen. Der Bergneustädter (35) wurde am Mittwoch wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen in Tateinheit mit Beihilfe zur Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

 

Beiden Eltern wurde vorgeworfen, ihren erst 14 Wochen alten Sohn am 21. Mai 2022 in ihrer damaligen, kleinen Wohnung in Gummersbach-Derschlag derart geschüttelt zu haben, dass dieser an den Folgen eines Hirnhämatoms wenige Tage später verstarb. Das Gericht könne zwar nicht mit Gewissheit feststellen, ob der Vater oder die Mutter der Täter gewesen ist, sagte Grassmann. Was die 20. Große Strafkammer am Landgericht Köln allerdings nach mehreren Verhandlungstagen wisse, ist, dass sie „vertuscht, gelogen und ärztliche Hilfe verweigert haben – und zwar alles gemeinsam“.

 

Noch vor den Plädoyers hatte die Kammer mehrere rechtliche Hinweise erteilt, weswegen der Angeklagte möglicherweise verurteilt werden könnte – ursprünglich war er wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Diesen gesteckten Rahmen nutzten die Richter auch in voller Breite aus, nachdem Verteidigung und Staatsanwaltschaft am Montag noch jeweils einen Freispruch gefordert hatten (OA berichtete). „Beide Elternteile waren mit jedweder Misshandlung einverstanden. Wer der Täter ist, wissen wir nicht, aber wer vertuscht, leistet psychische Beihilfe“, so Grassmann. Das Gericht habe in diesem Fall höchste Ansprüche angelegt, da Markos H. der Schutzgarant für seinen erst 14 Wochen alten Sohn gewesen sei.

 

Ausführlich ging die Richterin auf das viel zu kurze Leben des Säuglings ein. Am 10. Februar 2022 geboren habe spätestens ab dem 21. März der Leidensweg begonnen. Bereits am 4. April habe ein Gummersbacher Kinderarzt erste Spuren der Misshandlungen dokumentiert, aber fälschlicherweise noch auf eine Gerinnungsstörung geschoben (OA berichtete). „Diese Verletzungen sind durch stumpfe Gewalteinwirkung zustande gekommen“, sagte Grassmann. Genauso die vier Rippenbrüche, die das Baby kurz darauf erlitten hat. Wie heftig die Gewalteinwirkung hierbei gewesen sein muss, zeigt der Vergleich der Kammer: „Solche Verletzungen erleiden Kleinkinder in der Regel nur unangeschnallt bei schweren Verkehrsunfällen oder bei einem Sturz aus großer Höhe.“

 

Spätestens ab Ende März sei das Kind dann auch nicht mehr ausreichend mit Nahrung versorgt worden, was durch die Gewichtsabnahme in den folgenden Wochen dokumentiert ist. Dass das Kind nach Aussagen der Mutter sechsmal täglich gefüttert wurde, könne nicht stimmen. Der dringenden Bitte des Kinderarztes, ihr Kind im Krankenhaus untersuchen zu lassen, seien beide Elternteile „natürlich nicht nachgekommen“. Vielmehr sei vor allem Marko H. immer wieder durch aggressives und beleidigendes Verhalten gegenüber diversen Ämtern und auch Krankenhaus- und Klinikmitarbeitern aufgefallen.

 

Am Tattag selbst seien beide Eltern wie üblich allein in ihrer Wohnung gewesen. Sprach die Anklage noch von einem Schütteln über zehn Minuten (OA berichtete), reduzierte Grassmann diese Zeitspanne auf eine Minute – „aber das hat bei kleinen Kindern bereits fatale Folgen“. Mindestens einmal muss der Säugling mit dem Hinterkopf auf einen festen Untergrund aufgeschlagen sein. „Spätestens ab dem 20. Mai haben sie jegliches Gefühl für das Leiden ihres Kindes verloren“, so die Vorsitzende.

 

Bei der Obduktion wurde neben diesen Verletzungen noch eine weitere Verletzung der Schädeldecke festgestellt, die von einer weiteren Misshandlung stammen müsse. All das hätten die Eltern immer wieder verdeckt. Zeugen hatten während des Prozesses ausgesagt, „dass die Ehefrau gelogen hat, wenn sie Mund aufgemacht hat“. Dazu passte aus Sicht des Gerichts auch, dass noch während der Rettungsmaßnahmen und auch in den Tagen danach, die Eltern einer (nie stattgefundenen) Corona-Impfung die Schuld am Zustand ihres Kindes gaben.

 

Es sei zwar nicht „mit ausreichender Sicherheit“ feststellbar, wer die wochenlangen Misshandlungen ausgeführt habe, „aber wir wissen ganz sicher, dass der Leidensweg des Säuglings durch das Verhalten beider verursacht wurde“, so Grassmann. Beide hätten das Verhalten des anderen mitgetragen, sodass eine Beihilfe durch Unterlassen sicher anzunehmen sei.

 

Der ältere Bruder des verstorbenen Säuglings wurde unmittelbar nach der Tat in Obhut genommen. Auch die in Süddeutschland sieben Monate später geborene Schwester kam in Obhut, nachdem die Mutter den Gang in ein Mutter-Kind-Haus verweigert hatte. Wenige Tage vor dem Prozessbeginn setzte sich die Frau vermutlich ins Ausland ab (OA berichtete).

 

Stephan Kuhl, der Verteidiger von Markos H., kündigte unmittelbar nach dem Urteilsspruch an, Rechtsmittel einlegen zu wollen. Auch gegen die erneut angeordnete Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr will er Haftbeschwerde einlegen.

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