BLAULICHT

Kinderarzt des totgeschüttelten Babys hatte gutes Gefühl bei den Eltern

pn; 18.06.2024, 17:00 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Seit dem 21. Mai muss sich ein Mann aus Bergneustadt (35) vor dem Landgericht Köln wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten. Er soll mit seiner Frau im Mai 2022 in der gemeinsamen Wohnung in Gummersbach seinen Sohn totgeschüttelt haben.
BLAULICHT

Kinderarzt des totgeschüttelten Babys hatte gutes Gefühl bei den Eltern

pn; 18.06.2024, 17:00 Uhr
Gummersbach – Im Verfahren um einen tot geschüttelten, 14 Wochen alten Säugling sagten heute mehrere Polizisten und Ärzte am Landgericht Köln aus – Viele Andeutungen zu wirren Corona-Vorwürfen und Gewalt innerhalb der Familie.

Von Peter Notbohm

 

Er habe schon viele Eltern in seiner Praxis erlebt, bei denen er ein schlechtes Gefühl gehabt habe. Markos H. und Nesrin N. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) hätten allerdings nicht dazu gezählt, sagte heute ein Kinderarzt aus Gummersbach (73) im Prozess um den im Mai 2022 totgeschüttelten Säugling vor dem Landgericht Köln (OA berichtete). „Sie waren sehr sorgsam und sind sogar wegen eines normalen Schnupfens ihres Babys zweimal zu mir gekommen.“

 

Skeptisch sei er auch noch nicht geworden, als die Eltern am 4. April 2022 wegen blauer Flecken am Kopf und am Oberkörper ihres Sohnes seine Praxis aufgesucht hätten. Nach der Untersuchung habe er den Verdacht geäußert, dass es sich um eine Blutkrankheit handelt, die er in dieser Form schon häufig bei Neugeborenen gesehen habe. Er habe die Eltern zur genaueren Diagnose ins Krankenhaus verwiesen, dort sind sie aber niemals hingegangen. Bei der Obduktion des Leichnams einen Monat später sollte sich herausstellen, dass es sich um Knochenbrüche – vermutlich von einem Treppensturz - handelte.

 

Baby nahm nicht zu

 

Stutzig sei er erst bei der sogenannten U4-Untersuchung am 20. Mai geworden - einen Tag vor der angeklagten Tat. Das Baby habe innerhalb dieser sechs Wochen nicht zugenommen, die Waage zeigte sogar 70 Gramm weniger an. Obwohl die Eltern angaben, den Säugling sechsmal täglich zu füttern. „Normalerweise nehmen Kinder in diesem Alter 100 bis 150 Gramm pro Woche zu. Trotzdem wirkte er fit und lebhaft“, so der Kinderarzt. Er habe dem Säugling noch die routinemäßige Sechsfachimpfung gegeben, den Eltern aber den dringenden Rat gegeben, die fehlende Gewichtszunahme im Krankenhaus untersuchen zu lassen. Der Vater (35) habe dies mit den Worten „das ist nicht nötig“ abgelehnt.

 

Am nächsten Tag habe er nur noch einen Anruf erhalten, dass der Säugling notfallmäßig im Krankenhaus aufgenommen wurde. Wenige Tage später verstirbt das Baby im Alter von 14 Wochen, nachdem die lebenserhaltenden Geräte in einer Kölner Klinik abgestellt werden. Bei Untersuchungen werden neben einem Schütteltrauma und einem Gehirnschädelbruch auch sechs gebrochene Rippen festgestellt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Die Eltern sollen ihren Sohn am 21. Mai totgeschüttelt haben, nachdem diesem nach dem Füttern mit Säuglingsmilch Schaum aus Mund und Nase gelaufen sein soll und es anschließend blau angelaufen sein soll. Zehn Minuten sollen sie ihn geschüttelt haben, ihn zudem mit Wasser überschüttet haben, ehe sie zu Nachbarn gelaufen sein sollen, die sofort den Notarzt alarmierten.

 

Vater soll einkaufen gegangen sein, während sein Sohn mit dem Tod rang

 

Ausgesagt hat heute auch eine Ärztin (35) des Kreiskrankenhaus Gummersbach. Sie habe nur Kontakt zur Mutter gehabt, berichtete sie. Nachdem der Säugling reanimiert worden war, habe man die Mutter für 20 Minuten zu dem Kind gelassen. „Anschließend wollte sie kurz raus, um ihren Mann zu informieren, dass sie unbedingt nach Köln in die Klinik mitfahren wolle. Aber sie kam nie zurück“, so die Ärztin. Eine Krankenschwester habe die Eltern später noch vor dem Gebäude gesehen. Den Vater sollen Krankenhausmitarbeiter einige Stunden später telefonisch erreicht haben – beim Einkaufen. Man habe ihm dringend geraten, sich in Köln in der Klinik zu melden.

 

Äußerst verwundert über das Verhalten beider Eltern zeigte sich vor Gericht auch ein Polizist (29): „Dafür, dass ihr Kind im Sterben lag, waren sie ziemlich gelassen.“ Er hätte sie entspannt, fast gleichgültig wahrgenommen. „Ich habe selbst keine Kinder, wäre aber auf jeden Fall sofort ins Krankenhaus hinterher, wenn das mein Kind gewesen wäre.“ Vor allem die Gleichgültigkeit der Mutter, die zu diesem Zeitpunkt bereits wieder schwanger war, hätte ihn überrascht: „Es wirkte so, als ob ihr der Tod ihres Sohnes egal war, weil ja bereits ein neues Kind unterwegs war.“

 

Eltern sollen Corona-Impfung und der Politik die Schuld für den Tod ihres Kindes gegeben haben

 

Das Hauptthema in der Wohnung sei aber eine vermeintliche Corona-Impfung gewesen, der die Eltern die Schuld am Gesundheitszustand ihres Kindes gaben. Von diesen Vorwürfen berichteten auch weitere Beamte sowie Ärzte. „Als ich ihnen mitteilte, dass die Impfung nicht Schuld am Zustand ihres Kindes sei, meinte die Mutter zu mir, dass es dann bereits behindert auf die Welt gekommen sein muss. Gott habe ein Baby genommen und dafür wieder eins gegeben“, schilderte ein Mediziner (52) sein Gespräch mit der Mutter. Zwei Kölner Kriminalbeamte berichteten zudem, dass man im Nachhinein mehrfach Hinweise auf häusliche Gewalt seitens des Angeklagten erhalten habe. Die weiterhin flüchtige Mutter habe dies aber nie bestätigt.

 

Der Prozess wird fortgesetzt.

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