BLAULICHT

Lebenslange Haft für Mord am Gummersbacher Busbahnhof

pn; 30.08.2024, 16:20 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Lebenslang hinter Gitter muss ein 22-jähriger Reichshofer, nachdem er einen 24-Jährigen Ende Februar dieses Jahr am Gummersbacher Busbahnhof erstochen hat.
BLAULICHT

Lebenslange Haft für Mord am Gummersbacher Busbahnhof

pn; 30.08.2024, 16:20 Uhr
Gummersbach – 22-Jähriger am Landgericht Köln verurteilt - Der Reichshofer hat einen 24-Jährigen aus Rache mit einem Messer in den Hals gestochen – Richter spricht von kaltblütiger Tat und fordert Diskussion über Umgang mit Messern in der Öffentlichkeit.

Von Peter Notbohm

 

Das Landgericht Köln hat Mario C. (Anm.d.Red.: Name geändert) wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Die 5. Große Strafkammer sah es als erwiesen, dass der 22-jährige Reichshofer am 29. Februar dieses Jahres am Busbahnhof Gummersbach einen 24-Jährigen heimtückisch mit einem Messer in den Hals gestochen hat (OA berichtete). Das Opfer verblutete binnen Minuten qualvoll. Das Geschehen war von den Überwachungskameras am Busbahnhof gefilmt worden.

 

Während die Mutter des Angeklagten während der Urteilsverlesung hemmungslos weinte, blickte Mario C. meist mit leerem Blick vor sich hin. Nur ab und zu suchte er den Blick zu seinen Eltern, konnte diesen aber nie lange halten. Den Richter fixierte er dagegen häufiger, wenn er von ihm angesprochen wurde.

 

Der Vorsitzende Richter Peter Koerfers sprach in seinem Urteil von einer lange geplanten und kaltblütigen Tat aus Rache. Daran habe die Kammer nach sechs Verhandlungstagen nicht den geringsten Zweifel gehabt. Dies sei sowohl durch die Videoaufnahmen, aber auch durch zahlreiche Zeugenaussagen untermauert. Eine Zeugin hatte ausgesagt, dass der Angeklagte, davon besessen gewesen sei, den Geschädigten umzubringen.

 

Zu Beginn der Urteilsverlesung forderte der Richter einen öffentlichen Diskurs über den Umgang mit Messern: „Wir haben es hier mit einem Fall zu tun, der in die aktuelle Situation gut passt, in der der Umgang mit Messern diskutiert wird. Ein Fall, der deutlich zeigt, dass wir uns in der Gesellschaft unterhalten und andere Wege aufzeigen müssen.“

 

Ausführlich schilderte der Richter anschließend noch einmal den Lebenslauf des Angeklagten, der spätestens mit 16 Jahren in die Drogenabhängigkeit abgerutscht war (OA berichtete). So kam er auch mit der Szene an dem Bushäuschen in Gummersbach in Kontakt, wo sich die Trinker- und Drogenszene regelmäßig trifft. Auch am Tattag hatte der Angeklagte ursprünglich dort Cannabis kaufen wollen. Überzeugt waren die Richter auch, dass der Angeklagte wegen Drogenschulden stets bewaffnet war und sein Haus nie ohne Messer oder Schlagring verlassen habe.

 

Die genaue Vorgeschichte der Tat konnte die Kammer hingegen nicht detailliert aufklären. Ein Hintergrund war aus Sicht der Richter die Silvesternacht 2021, in der es in der RB 25 zu einem Konflikt zwischen den beiden Männern gekommen war. Bei diesem wurde Mario C. wohl mit einem an einem Nunchaku befestigten Messer am Arm verletzt. „Fortan reifte bei ihm der Plan, den Geschädigten aus Rache zu töten“, war Koefers überzeugt.

 

Die Gelegenheit dazu habe sich zwei Jahre später, am 29. Februar, geboten, auf den der Richter minutiös noch einmal einging. Das 24-jährige Opfer war zum Urinieren hinter das Häuschen getreten, der Angeklagte ihm nur Sekunden später gefolgt. Was sich dort abgespielt hat, nahm keiner der Zeugen wahr, wurde aber von den Überwachungskameras festgehalten. Die dazu passenden Videoaufnahmen hatte das Gericht am Freitagvormittag noch einmal abgespielt.

 

Das Opfer habe auf den Aufnahmen einen entspannten Eindruck gemacht. „Er hat nicht mit einem Angriff auf sein Leben gerechnet“, sprach Koerfers von Arglosigkeit. Der Stich in die linke Halsader und -vene sei unvermittelt gekommen. Er habe erst reagieren können, als das Messer bereits wieder gezeogen wurde.

 

Der 24-Jährige taumelte anschließend noch in den Unterstand zurück und verblutete dort trotz der sofort unternommenen Rettungsmaßnahmen. Eine Gutachterin hatte während des Prozesses ausgesagt, dass er keine Chance gehabt habe (OA berichtete). Auch Staatsanwaltschaft und Richter sprachen von einer hochvulnerablen Stelle. „Es gibt keine Stelle, die geeigneter ist, jemanden zu töten“, so der Staatsanwalt. Der Stich war nur drei Zentimeter tief.

 

Nach der Tat hatte sich Mario C. noch rasiert und seine langen Haare abgeschnitten, sich dann aber doch am nächsten Tag gestellt, nachdem er bereits von seinem besten Freund gefragt worden war, ob er der Täter gewesen sei. Im Verfahren hatte der 22-Jährige die Vorwürfe zunächst noch abgestritten (OA berichtete), am vierten und fünften Verhandlungstag dann aber doch ein Geständnis abgelegt. Dabei hatte er dem Gericht eine Geschichte von einer Notwehrlage erzählt, der die Kammer allerdings keinen Glauben geschenkt habe, so Koerfers.

 

Bei der Frage der Schuldfähigkeit folgte das Gericht dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen, der keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung und auch keine Psychose bei dem Angeklagten festgestellt hatte. Auch in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei Mario C. nicht beeinträchtigt gewesen, urteilte Koerfers: „Die Tat ist kaltblütig ausgeführt worden.“

 

Keine Rolle habe dabei die ausländerfeindliche Gesinnung des Angeklagten gespielt (OA berichtete), der schon vor der Tat, während des Verfahrens und auch in seinem letzten Wort mehrfach mit rassistischen Aussagen aufgefallen war. U.a. hatte er in seinem letzten Wort, bei dem er die Tat bedauerte, gesagt, dass man von Zeugen gehört habe, dass „ich von Freijustizlern nichtdeutscher Herkunkt aufgesucht, um mich umzubringen. Es wurde erwähnt, dass die mir den Kopf abhacken wollen. Das war drei oder vier Leute“.

 

Koerfers sprach von einer unreifen Persönlichkeit des 22-Jährigen, dem jeder Ansatz von Selbstreflexion fehle. Die ausländerfeindlichen Aussagen nannte er hanebüchen. „Sie sollten diese Verurteilung als Anlassen nehmen, deutlich an sich zu arbeiten und die Haft nutzen, ihre Gedanken zu ordnen. Sollten sie nach 15 Jahren bei der Prüfung auf Bewährung mit solchen Sprüchen auftreten, kann lebenslänglich auch wirklich lebenslänglich bedeuten.“

 

Das Urteil entsprach dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Dr. Mario Geuenich hatte in seinem Plädoyer das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen stark kritisiert. Auch das Mordmerkmal der Heimtücke hatte der Jurist nicht als erfüllt gesehen, da das Opfer eben nicht unvorbereitet angegriffen worden sei und eine Verurteilung wegen Totschlags gefordert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gegenüber Oberberg-Aktuell kündigte Geuenich an, in Revision zu gehen. Damit wird sich demnächst der Bundesgerichtshof mit dem Urteil befassen müssen.

WERBUNG