BLAULICHT
Mädchen (12) bei Einbruch missbraucht: Gericht ordnet Psychiatrie an
Wiehl/Bonn – Reichshofer (21) wegen mehrfachen Diebstahls und sexuellen Missbrauchs am Landgericht Bonn verurteilt – Er leidet an einer nicht heilbaren psychischen Störung.
Von Peter Notbohm
Das Landgericht Bonn hat im Fall um einen Reichshofer (21), der sich während eines Wohnungseinbruchdiebstahls in einer Wiehler Ortschaft an einer 12-Jährigen vergangen hat, angeordnet, den Mann in eine psychiatrische Klinik einzuweisen. Stefan T. (Anm.d.Red.: Name geändert) sei in seiner Steuerungsfähigkeit aufgrund eines fetalen Alkoholsyndroms erheblich vermindert, sagte die Vorsitzende Richterin Anja Johansson. Dabei handelt es sich um eine neurotoxische Störung, die zu einer lebenslangen Einschränkung führt.
Mehrfach betonte die Richterin in ihrer etwa einstündigen Urteilsbegründung, dass der Angeklagte nichts für sein Leiden könne, damit aber ein Leben lang umgehen müsse. Die Wahrscheinlichkeit, dass er weitere Straftaten begehen wird, sei laut dem Bericht des Sachverständigen sehr hoch. Die damals obdachlose Mutter des Angeklagten hatte während der Schwangerschaft Drogen und Alkohol konsumiert und damit ihrem Kind noch im Mutterleib massiv geschadet.
Verurteilt wurde der Deutsche wegen Einbruchsdiebstahls mit Waffen in zwei Fällen, wegen Diebstahls mit Waffen in einem Fall sowie wegen sexuellen Missbrauchs in Tateinheit mit besonders schwerer sexueller Nötigung. Die 8. Große Strafkammer hatte nach sechs Verhandlungstagen keinen Zweifel an den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Neben den Zeugenaussagen sprach vor allem eine Vielzahl von Beweisen gegen den 21-Jährigen, der sich damals seinen Drogenkonsum über Einbrüche finanziert haben soll. Neben Diebesgut waren auch DNA-Spuren an einer geöffneten Kondomverpackung gefunden worden, zudem hatte der Angeklagte in einem der Häuser auf ein Sofa und den Teppich uriniert.
Demnach war Stefan T. am 20. August des vergangenen Jahres in ein Haus in einer Wiehler Wohnsiedlung eingestiegen. Dabei stand er unter der Wirkung von Alkohol und Drogen. Zunächst habe er sich noch auf seine Beute (Geld, Handys, Laptop, Playstation, Unterwäsche) konzentriert, sei dann aber von den beiden Kindern beobachtet worden, die durch den Lärm wach geworden waren.
Anstatt zu flüchten, sei er den Mädchen anschließend in ihr Zimmer gefolgt und habe begonnen, die Jüngere anzufassen. Dabei habe er auch sein mitgeführtes Messer, ein Butterfly mit einer Länge von 25 Zentimetern, demonstrativ aufgeklappt. Glücklicherweise war inzwischen auch die Mutter wach geworden, sodass es nicht zum Äußersten kam. An den Aussagen der Kinder hegten die Richter keinerlei Zweifel: Diese seien detailliert, konstant und auch nicht belastend in Richtung des Täters gewesen. Die Familie leidet noch heute in Form von Angstzuständen und schlaflosen Nächten unter der Tat.
Nach seiner Flucht aus dem Haus sei Stefan T. nur 150 Meter weiter in das nächste Haus eingestiegen – aus Sicht der Richter ein weiterer Hinweis auf die fehlende Steuerungsfähigkeit. Auch hier schlief eine Neunjährige im Wohnzimmer auf der Couch. Sie wurde durch den Lärm wach und weckte ihre Mutter, die sofort die Polizei alarmierte. Warum der 21-Jährige seine Beute mit Ausnahme eines iPhones und eines Fahrzeugschüssel im Auto der Familie ließ, konnten die Richter nicht abschließend klären.
Anschließend flüchtete er demnach auf das Nachbargrundstück, wo er einen Roller fand, in dem der Schlüssel steckte. Im Helmfach deponierte er geklaute Ausweise und einen Schlüsselbund und fuhr anschließend orientierungslos die Straße mehrfach ab. Hierbei wurde er von einem weiteren Anwohner angesprochen; mit ihm wartete er schließlich auf die Polizei. Die Richterin hatte schon während des Verfahrens betont, dass es keine Hinweise auf weitere Mittäter gebe, wie einer der Beklauten vor Gericht noch gemutmaßt hatte. Stefan T. hatte ausgesagt, sich an die Nacht kaum noch erinnern zu können. Der Gutachter erklärte während des Verfahrens, dass man das nicht ausschließen könne; dem folgte auch das Gericht.
Richterin Johansson sagte, dass die Krankheit und ihre Auswirkungen untrennbar mit dem Angeklagten verbunden seien. Nach einer früheren Adoption hätten schon im Kinderalter Impulsstörungen zu Problemen bei Familie und in der Schule geführt. Er gilt als zu 80 Prozent schwerbehindert. Bereits mit zwölf Jahren habe er mit Alkohol- und Cannabiskonsum begonnen, später auch Amphetamine genommen. Auch mehrere Aufenthalte in Jugendhilfeeinrichtungen hätten nicht geholfen. Auch ein Entzug wurde vorzeitig abgebrochen.
Die Nebenklage hatte neben der Einweisung in eine psychiatrische Klinik auch eine Jugendstrafe gefordert. Dem folgte die Kammer aber nicht. Auch nicht der Anregung von Verteidiger Dr. Peter-René Gülpen, die Einweisung zur Bewährung auszusetzen. Johansson in Richtung des Angeklagten: „Das hat schon früher nicht funktioniert. Sie brauchen eine geschützte und klar strukturierte Umgebung. Die können wir ihnen ad hoc nicht anders bewerkstelligen.“ Für Stefan T. ging es nach dem Urteil auf einstweilige Anordnung des Gerichts von der Untersuchungshaft, in der er seit vergangenem August saß, direkt in ein psychiatrisches Krankenhaus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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