BLAULICHT
„Ohne Drogen ist er ein recht vernünftiger Mensch“
Gummersbach - 39-Jähriger musste sich wegen insgesamt zwölf Delikten vor dem Amtsgericht verantworten und wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Von Leif Schmittgen und Jana Stiletto
Bei Gericht ist David Z. (Anm. d. Red.: Name geändert) kein unbeschriebenes Blatt, stolze elf Vorstrafen finden sich bei dem in einer Notunterkunft in Gummersbach gemeldeten 39-Jährigen im Register wieder. Der vorsitzende Richter Ulrich Neef hatte vermutlich in weiser Voraussicht gehandelt, als er im Juli Haftbefehl gegen den Angeklagten erließ, um sicherzustellen, dass er bei der Verhandlung auch anwesend ist. Und die Liste der Anklagepunkte übertraf mit zwölf noch die seiner Vorstrafen, weshalb das Schöffengericht gleich zwei Verhandlungstage angesetzt hatte. Unter anderem wegen mehrerer Ladendiebstähle, einer Spritztour mit einem geklauten Auto, Drogenbesitzes, gefährlicher Körperverletzung und Amtsanmaßung musste sich Z. nun verantworten.
Aber der Reihe nach: Meist unter Einfluss von Amphetamin und/oder Cannabis trieb er zwischen 2019 und Beginn dieses Jahres immer mal wieder sein Unwesen. Unter anderem hatte er sich auf einem Grundstück in Niederseßmar den Hauseigentümern gegenüber als Polizist ausgegeben und - während er ihnen mit einer Taschenlampe ins Gesicht leuchtete - mehrmals nach deren Ausweis verlangt. Laut Anklageschrift soll er ertappt worden sein, weil er zuvor in offen stehenden Garagen vermutlich nach Diebesgut gesucht hatte. Als Grund für das Stöbern hatte er angegeben, auf der Suche nach der Obdachlosenunterkunft in der Nähe gewesen zu sein. „Mein Navigationssystem hat mich irrtümlicherweise dorthin geführt“, so Z.
Diese „Schutzbehauptung“ (Neef) nahmen ihm Richter und Staatsanwalt genauso wenig ab, wie die, mit einem VW Golf nur eine kurze Spritztour unternehmen zu wollen. Offensichtlich hatte er die Gunst der Stunde genutzt und hatte das geöffnete Fahrzeug in Gummersbach gekapert und war mit dem Wagen von dannen gefahren. Den passenden Zündschlüssel fand er im Wagen. Am Folgetag hatten Zeugen nach einem Fahndungsaufruf den Golf in Marienheide-Wernscheid wiedererkannt und die Polizei verständigt. Von den herbeigerufenen Beamten war der VW Golf samt Fahrer schließlich beim „Posen“ im sauerländischen Kierspe gestellt worden. Der Wagen war beschädigt und vermüllt. „Sie hatten entgegen ihrer Behauptung nie die Absicht, das Auto nach der Spritztour zurückzubringen“, so Richter Neef. Einen entscheidenden Unterschied stellte dieser Umstand nämlich bei der Höhe der Strafbemessung dar.
[Auf diesem Parkplatz soll der Angeklagte mit einem Eispickel unterwegs gewesen sein.]
Für die Anklage unglaubwürdig war auch die Aussage des Angeklagten, er sei mit einem als Spazierstock genutzten Eispickel versehentlich an einen Transporter geraten, der auf dem Wanderparkplatz an der Lingesetalsperre abgestellt war. Stattdessen soll er aktiv versucht haben, die Tür des Begleitfahrzeugs für Schwertransporte aufzubrechen. Pech aus seiner Sicht: der Eigentümer schlief um die Mittagszeit in seinem Gefährt, um sich für die bevorstehende Nachtfahrt zu erholen, hatte Geräusche wahrgenommen und verjagte den Störenfried durch Rufe. Zeugen hatten später die Polizei gerufen, die am örtlichen Busbahnhof einen Mann mit Eispickel entdeckt hatten. Mitgebrachte Bilder der Dashcam belegten den Einbruchsversuch am Transporter, der Mann war als Zeuge aus Süddeutschland angereist.
[Im leer stehenden Waldhotel (oben) soll sich der Angeklagte aufgehalten haben. In der Kapelle auf dem gleichen Grundstück kam es dann zu einem Handgemenge.]
Ebenfalls durch eine Kamera auf David Z. aufmerksam geworden war der Eigentümer des ehemaligen Waldhotels in Marienheide. Diese schlägt Alarm, sobald sich jemand im Gebäude auffällt. Als unglaubwürdig wertete man die Aussage des Angeklagten, er habe lediglich eine Zigarette in der auf dem Grundstück liegenden Kapelle rauchen wollen, sei vom Eigentümer im Gebäude überrascht und dort von ihm verprügelt worden. Denn der Geschädigte hatte Z. nach Antreffen vor dem Hotel dorthin verfolgt und soll schließlich in dem Rohbau befindlichen Gotteshaus von Z. mit einer Dachlatte geschlagen worden sein. Der Eigentümer hatte Verletzungen an der Hand davongetragen. Die Aussagen zweier Polizistinnen, die damals vor Ort waren, stützen großteils die Vorwürfe des Staatsanwalts gegen den Angeklagten. Z. hatte zuvor bereits mehrfach in dem Gebäude illegal genächtigt.
Etliche kleinere und größere Ladendiebstähle wurden dem Gummersbacher ebenfalls zur Last gelegt. In einem Zoofachhandel stahl er ein Langohrkaninchen, um es einer Freundin zu schenken. Den Ladendiebstahl in einem Gummersbacher Supermarkt, bei dem es um zwei Päckchen Sahne und eine Packung Hühnchen im Gesamtwert von gut 5 Euro ging, bestritt der Angeklagte, hier mussten zwei Mitarbeiter durch ihre Zeugenaussagen erst für Klarheit sorgen.
In Gummersbach-Windhagen wehrte sich David Z. mit Händen und Füßen gegen seine Festnahme durch die Polizei, die ihn auf frischer Tat beim Durchwühlen einer Garage an der Hückeswagener Straße erwischt hatte. Diese und viele weitere Taten gab er ebenfalls ohne Umschweife zu. „Er hat uns mit seinen umfangreichen Geständnissen womöglich zehn Verhandlungstage erspart“, so Verteidiger Stephan Kuhl, was genauso zu Gunsten seines Mandanten zu werten sei wie die Bereitschaft, sich einer Langzeittherapie zu unterziehen, um von seiner Drogensucht wegzukommen.
„Ohne Drogen ist er ein recht vernünftiger Mensch“, so Kuhl und forderte eine Bewährungsstrafe und Anordnung einer Therapie - vergebens. Auch die schlechte Sozialprognose der Bewährungshelferin sowie die lange Liste der Vorstrafen veranlasste Neef dazu, den 39-Jährigen zu zweieinhalb Jahren Gefängnis zu verurteilen. Damit blieb er einen Monat unter der vom Staatsanwalt geforderten Strafe. Das gestohlene Kaninchen verschwand kurze Zeit später aus der Wohnung der Freundin, weshalb Z. für das Tier nun 75 Euro Wertersatz an das Zoogeschäft zahlen muss. Binnen einer Woche kann Berufung eingelegt werden, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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