BLAULICHT

Opfer von Messerattacke kann sich vor Gericht an keine Verletzungen erinnern

pn; 22.08.2024, 07:50 Uhr
Symbolfoto: Peter Notbohm.
BLAULICHT

Opfer von Messerattacke kann sich vor Gericht an keine Verletzungen erinnern

pn; 22.08.2024, 07:50 Uhr
Waldbröl – Eifersuchtsstreit endet mit Schnittverletzungen an Hand und Oberarm – 45-jähriger Waldbröler zu Geldstrafe verurteilt.

Von Peter Notbohm

 

„Krass!“ So kommentierte Adrian V. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) die Fotos der Schnittverletzungen, die ihm ein Mitbewohner einer Waldbröler Notunterkunft am 14. Februar dieses Jahres an Händen und Oberarm zugefügt hatte. Das Problem an der Sache: An die Wunden erinnern konnte sich der Mann, der inzwischen in Wissen lebt, nicht mehr. „Ich war nicht verletzt und habe auch kein Messer gesehen“, sagte der Mann am Mittwoch als Zeuge am Amtsgericht Waldbröl aus.

 

Dort musste sich Dennis H. verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf dem 45-Jährigen, der ohne Rechtsanwalt erschien, gefährliche Körperverletzung sowie Sachbeschädigung vor. Denn neben den Schnittverletzungen soll der Waldbröler auch die Tür des Mitbewohners mit einem schweren Gegenstand eingeschlagen haben (Schaden: 120 Euro). Auch davon wollte das Opfer nichts wissen: „Die Tür war schon vorher kaputt.“ Das Verhältnis zu dem Angeklagten bezeichnete er als intakt: „Er hat damals vielleicht etwas überreagiert, mehr war das aber auch nicht.“ Er wisse nicht einmal, was seinem ehemaligen Mitbewohner vorgeworfen werde.

 

Der Staatsanwalt und Einzelrichterin Laura Lax waren angesichts dieser Schilderungen doch recht verwundert, schließlich hatte Adrian V. damals selbst die Polizei gerufen und der Angeklagte hatte die Vorwürfe vor Gericht zuvor auch schon weitgehend eingeräumt. Der 45-Jährige bestritt lediglich das Messer bewusst gezogen zu haben, vielmehr sei er gerade beim Kochen gewesen, als er den Mitbewohner nachts um 0:45 Uhr ins Haus habe kommen hören.

 

Er sei eifersüchtig auf ihn gewesen, weil er ihn mehrfach bei seiner Ex-Freundin gesehen habe. Im Vollsuff (1,7 Promille) habe Dennis H. dann im Rahmen einer „kleinen Auseinandersetzung“ wild gestikuliert und dabei das Küchenmesser noch in der Hand gehabt. „Dabei muss das passiert sein.“ Beim Rausgehen aus der Wohnung habe er noch auf die Tür eingeschlagen – aus Wut wie er zugab. Dass er seinen Mitbewohner verletzt habe, sei keine Absicht gewesen und tue ihm leid, bekundete er vor Gericht: „So bin ich normalerweise auch überhaupt nicht.“ Mit Adrian V. habe er sich längst ausgesprochen und der habe seine Entschuldigung auch angenommen.

 

Weil sich das Opfer weder an die Verletzungen noch an den Anruf bei der Polizei erinnern konnte und weitere Mitbewohner, die in den Vorfall möglicherweise involviert waren, derzeit hinter Gittern sitzen, blieb dem Gericht nur die Aussage des Polizeibeamten, der die gesamte Geschichte aufgenommen hatte. Von weiteren Verletzten oder einem im Raum stehenden Krankenwageneinsatz wusste aber auch er nichts. Nach einem Rechtsgespräch zwischen Staatsanwalt und Richterin konnte der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung deshalb nicht mehr aufrechterhalten werden.

 

Stattdessen wurde Dennis H. wegen fahrlässiger Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt – dies entsprach auch dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Ihm kam dabei auch die Aussage einer Sozialhelferin zugute, die bestätigte, dass der mehrfach vorbestrafte, ehemalige Systemsprenger in den letzten Monaten sehr bemüht gewesen sei, die Kurve zu kriegen. Dies sei angesichts der „hochexplosiven Beziehungsgeflechte“ und der „katastrophalen Wohnsituation“ in der Unterkunft durchaus bemerkenswert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

WERBUNG