BLAULICHT

Vorwürfe nach acht Jahren nicht mehr aufklärbar – Verfahren eingestellt

pn; 21.09.2024, 08:00 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Drei irakische Brüder haben das Landgericht Köln am Freitag als freie Männer verlassen. Das Gericht stellte das Verfahren wegen versuchten Totschlags und gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung gegen sie ein.
BLAULICHT

Vorwürfe nach acht Jahren nicht mehr aufklärbar – Verfahren eingestellt

pn; 21.09.2024, 08:00 Uhr
Gummersbach – Schwere Körperverletzung aus dem Jahr 2016 bleibt unaufgeklärt – Richter spricht von Überlastung der Justiz und übt Kritik am Verfahren am Amtsgericht – Zwei Angeklagte bekommen Geldbußen als Auflage.

Von Peter Notbohm

 

Überraschende Wende in einem acht Jahre alten Fall. Die Vorwürfe wogen vermeintlich schwer: Gefährliche Körperverletzung bzw. versuchte Tötung wurden Eason O. (43), Haias O. (47) und Laith O. (40) (Anm.d.Red.: alle Namen geändert) zur Last gelegt. Sie sollen am 18. Februar 2016 den Schwiegervater von Eason O. sowie dessen Sohn in Gummersbach-Steinenbrück mit einem abgebrochenen Stuhlbein, Holzlatten, Baseballschlägern und mindestens einem Messer aufgelauert haben. Im folgenden Gerangel erlitten die beiden Opfer zahlreiche Hämatome, einer der beiden Männer zudem zwei Schnittverletzungen: Am Hinterkopf einen sechs Zentimeter langen Schnitt und am Nacken eine 14 Zentimeter lange Wunde.

 

Zwei Brüder müssen Geldbußen an die Staatskasse zahlen

 

Das Landgericht Köln hat das Verfahren gegen die drei irakischen Brüder am Freitag mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft vorläufig eingestellt. Die beiden älteren Brüder müssen 2.400 Euro bzw. 1.800 Euro an die Staatskasse zahlen. Die Staatsanwaltschaft sprach von „notwendigen empfindlichen Geldauflagen“. Das Verfahren gegen Laith O., der stets bekundet hatte, nie vor Ort gewesen zu sein, wurde ohne Auflagen eingestellt.

 

Ursprünglich waren für den Prozess vor der 5. Großen Strafkammer sieben Verhandlungstage angesetzt worden, ein Urteil war erst für Ende Oktober erwartet worden. Der Fall war schon im Jahr 2017 erstmals am Amtsgericht Gummersbach verhandelt worden, dort aber an das Landgericht verwiesen worden, das bis zum September 2024 aber zu beschäftigt war, um den Fall neu aufzurollen (OA berichtete).

 

Am dritten Prozesstag hatte der Vorsitzende Richter Peter Koefers allen Beteiligten einen Zwischenstand der bisherigen Beweisaufnahme gegeben und erklärt, dass das Schwurgericht einer Einstellung nicht abgeneigt sei. Er sprach von einem „großzügigen Angebot“ seitens der Kammer. Möglich wurde die Einstellung durch die Tatsache, dass dem Gericht die Beweise fehlten, um den versuchten Totschlag nachweisen zu können. Stattdessen erteilte die Kammer einen rechtlichen Hinweis, dass nunmehr eine Verurteilung wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in Betracht komme.

 

Richter übt Kritik an Prozessführung in Gummersbach

 

Eine Verurteilung hätte die Kammer aber nur auf die Aussagen von Amtsrichter Ulrich Neef stützen können, dessen Aussagen man aus rechtlicher Sicht als verwertbar einschätzte (OA berichtete). Das Opfer, der inzwischen in Niedersachsen lebende Schwiegervater, war nicht in Köln erschienen und hätte vorgeführt werden müssen, auch die übrigen Familienmitglieder hatten sich bislang auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Kritik übte Koerfers an der damaligen Prozessführung am Amtsgericht: „Damals wurden Angaben nicht hinterfragt, obwohl dies angezeigt war. Wir haben Fragen und Äußerungen, die nicht geklärt sind.“

 

Überzeugt waren die Richter bislang nur von der Tatsache, dass Eason O. sich 2016 von seinem Bruder Haias O. vom Gummersbacher Bahnhof nach Steinenbrück hatte fahren lassen - bewaffnet mit einer Holzlatte. Wie dort die Auseinandersetzung abgelaufen ist, sei heute kaum noch aufklärbar. Es handelte sich demnach um ein totes Verfahren.

 

Vor dem Hintergrund, dass der Totschlagsvorwurf vom Tisch war, der „überlangen Verfahrensdauer“, die zu einer erheblichen Minderung der Strafe geführt hätte und dass die Bundeszentralregistereinträge der drei Angeklagten blütenrein sind, habe die Kammer daher für inneren Familienfrieden sorgen wollen. Ein Verteidiger berichtete, dass man sich längst ausgesöhnt habe und nahezu wöchentlich zum Grillen treffe.

 

Richter: „Kommen Sie in der deutschen Gesellschaft an!“

 

Koerfers fand nach der Einstellung trotzdem noch sehr deutliche Worte in Richtung der drei Männer: „Kommen Sie in der deutschen Gesellschaft an! Sie haben hier Glück gehabt, dass es in Gummersbach nicht zu einer Verurteilung gekommen ist. Manchmal hat man Glück, aber nicht immer!“ Das Verfahren habe aufgrund der überlastenden Justiz erst nach acht Jahren ein Ende gefunden.

 

Ausführlich ging er darauf ein, dass die Schnittverletzungen am Hals bei der kleinsten falschen Bewegung auch tödlich hätten enden können und dann ganz andere Freiheitsstrafen im Raum gestanden hätten. „Von derartigen Methoden archaischer Konfliktlösung sollten sie in Zukunft Abstand nehmen. Man setzt sich in der deutschen Gesellschaft anders auseinander. Das muss haften bleiben“, so der Vorsitzende.

WERBUNG