BLAULICHT

Nach Säure-Anschlag: Zehn Jahre Haft und 250.000 Euro Schmerzensgeld

pn; 20.09.2024, 16:30 Uhr
Foto: Peter Notbohm --- Ein 44-Jähriger muss für mehrere Jahre hinter Gitter. Er hatte Anfang des Jahres seine Ex-Freundin mit Schwefelsäure übergossen.
BLAULICHT

Nach Säure-Anschlag: Zehn Jahre Haft und 250.000 Euro Schmerzensgeld

pn; 20.09.2024, 16:30 Uhr
Gummersbach – Zu einer langen Haftstrafe wurde heute ein 44-Jähriger am Landgericht Köln verurteilt – Der Mann hatte seine Ex-Freundin mit 96-prozentiger Schwefelsäure entstellt.

Von Peter Notbohm

 

Hammer-Urteil im Prozess um den Gummersbacher Säure-Anschlag. Das Landgericht Köln hat am Freitag einen 44-Jährigen aus der Republik Moldau zu einer zehnjährigen Haftstrafe wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt und dem Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 Euro zugesprochen. Außerdem wurde er dazu verurteilt, sämtliche noch entstehenden Kosten, die nicht durch Versicherungen gedeckt werden, ebenfalls zu übernehmen. Damit lag die 12. Große Strafkammer mit ihrem Urteil deutlich über den von der Staatsanwaltschaft geforderten acht Jahren (OA berichtete).

 

Die Richter sahen es nach vier Verhandlungstagen als erwiesen an, dass Konstantin D. (Anm.d.Red.: Name geändert) am 9. Februar dieses Jahres seiner ehemaligen Lebensgefährtin (41) an ihrer Gummersbacher Wohnung aufgelauert war und die Frau mit 96-prozentiger Schwefelsäure übergossen hat (OA berichtete). Sie erlitt hierbei schwerste Verätzungen zweiten und dritten Grades an Kopf, Händen und Armen. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Schorn sprach von „Dimensionen, die jeglichen Rahmen sprengen. Wir haben es mit einer abscheulichen Tat zu tun“.

 

Während Konstantin D. die rund 45-minütige Urteilsbegründung geradezu stoisch über sich ergehen ließ und dauerhaft den Richter mit gesenktem Kopf fixierte, verfolgte das Opfer, das als Nebenkläger aufgetreten war, unter einer Perücke versteckt im Zuschauerraum schluchzend die Worte Schorns. Der Vorsitzende nannte den Prozess „ein Verfahren, das die normalen Bahnen, mit denen wir es sonst zu tun haben, verlassen hat“. Das Gericht habe es sich daher auch nicht leicht gemacht und nicht den einfachen Weg gesucht, sondern entgegen dem psychiatrischen Gutachten über den Angeklagten diesen für voll schuldfähig erklärt.

 

Ausführlich ging Schorn darauf ein, warum die Kammer keine verminderte Schuldfähigkeit und eine vollständige Steuerungsfähigkeit bei dem 44-Jährigen angenommen hat. Auch eine Einweisung in eine Entzugsklinik schied damit aus. Dass Konstantin D. in der Nacht vor der Tat mehrere Flaschen Hochprozentiges getrunken haben will, nannte die Kammer lebensfern angesichts einer Autostrecke von 70 Kilometer, die er nach Gummersbach zurücklegen musste. Zudem habe seine Heroinabhängigkeit keinen Einfluss auf die Tat selbst gehabt.

 

Die brutale Säure-Attacke hatte der 44-Jährige schon über Monate in Hass-Nachrichten gegenüber einer Verwandten des Opfers angekündigt, nachdem sich das Paar im Sommer 2023 getrennt hatte. Auch das Nachtatverhalten wirkte sich strafschärfend aus: Konstantin D. hatte sich noch am selben Tag in weiteren Chatnachrichten und Telefonaten mit ihr gebrüstet und das Opfer weiter beschimpft. Das war allerdings auch sein Fehler gewesen. Denn: So gelang es der Polizei noch am selben Tag sein Handy zu orten und ihn in Monheim festzunehmen.

 

Dass die Kammer den vollen Strafrahmen von 15 Jahren nicht ausschöpfte, lag laut Schorn daran, dass der 44-Jährige in Deutschland bislang nicht vorbestraft ist, sich in persönlichen Briefen bei seiner Ex-Freundin entschuldigt hat und auch der Alkoholkonsum sowie seine Drogenabhängigkeit berücksichtigt wurden. Gegen ihn sprach allerdings die Schwere der Tat. Schorn zog einen Vergleich: „Für den Paragraphen 226 reicht bereits der Verlust eines Daumens. Hier ist das Ausmaß unfassbar viel schlimmer.“

 

Bei der Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes habe sich die Kammer auch andere Urteile zu Säure-Prozessen angeschaut, von denen es in Deutschland bislang nur wenige gibt: „Ich denke, wir liegen da auf einer Linie.“ Das Opfer sei für ihr Leben lang entstellt und müsse mit den Schmerzen und Folgen leben, „die unter Umständen sogar schlimmer als der Tod sind“, so Schorn. Das rechtfertige auch die Höhe. „Das müssen sie nun aushalten“, wendete er sich direkt an den Verurteilten.

 

Für das Opfer hatte Schorn anschließend noch aufbauende Worte: „Sie haben noch die Chance auf ein weiteres Leben. Wir hoffen, Sie verlieren nicht den Lebensmut und können die Dinge, die noch kommen, genießen. Ihr Auftritt vor Gericht hat uns positiv gestimmt. Wir haben selten einen solchen Auftritt erlebt. Das war beeindruckend und hat unsere Hoffnung genährt, dass sie das verkraften werden. Wir wünschen es Ihnen von Herzen.“

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidiger Dr. Karl-Christoph Bode sagte gegenüber Oberberg-Aktuell, dass er überrascht sei, dass die Kammer das psychiatrische Gutachten über seinen Mandanten quasi aus dem Fenster geschmissen habe. Er wird eine Revision prüfen.

 

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